Auswirkungen des Klimawandels auf die Schweizer Landwirtschaft – Eine agrarökonomische Perspektive

Robert Finger. Das Klima ändert und dies hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auch in der Schweiz. Dürre und Hitzewelle im Jahr 2018 sowie Spätfröste in 2017 haben eindrücklich aufgezeigt, wie verletzlich landwirtschaftliche Produktion gegen extreme Witterungsereignisse ist. Sich änderndes Klima führt insbesondere durch im Mittel steigende Temperaturen und geringere Niederschläge in kritischen Vegetationsphasen zu deutlichen Änderungen in Anbaubedingungen. Darüber hinaus werden auch extreme Witterungsereignissen häufiger und intensiver auftreten. Dies wird den Sektor Landwirtschaft in Gänze vor grosse Herausforderungen stellen. Doch wie gross sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die schweizerische Landwirtschaft und wie kann sich der Sektor anpassen?

Der IPCC Bericht1 gibt eine globale Übersicht über Auswirkungen und Anpassungsmöglichkeiten, diverse Arbeiten, zum Beispiel von Jürg Fuhrer und Ko-AutorInnen, geben zudem einen Überblick für die Schweizer Landwirtschaft 2,3.

In diesem Beitrag möchte ich diese Perspektiven ergänzen und die Fragestellung aus einer agrarökonomischen Perspektive ausleuchten. Wir haben in einer Reihe von Projekten und Publikationen (beispielhaft 4, 5, 6) die möglichen Auswirkungen und Anpassungsreaktionen mit bio-ökonomischen Modellen analysiert. Dabei werden Pflanzenwachstumsmodelle mit ökonomischen Entscheidungsmodellen auf Feld- oder Betriebsebene verknüpft. Pflanzenwachstumsmodelle bilden detailliert und auf täglicher Basis relevante Prozesse des Pflanzenwachstums ab und erlauben es so den Einfluss von Wetter, Boden sowie dem Management (z.B. Düngung, Bewässerung, Saatzeitpunkte) und deren Interdependenzen abzubilden. Dabei können Pflanzenwachstum und Ertragsentwicklung auch für zukünftige Klimabedingungen simuliert werden, wobei auch der Einfluss von höheren Kohlendioxidkonzentrationen auf die Pflanzenentwicklung berücksichtigt wird. Im ökonomischen Teil der Modelle werden Entscheidungen von Landwirten abgebildet, z.B. wie die Anbaufläche, Inputs wie Dünger optimal (nutzenmaximierende) eingesetzt werden oder ob und in welchem Umfang Bewässerung eine lohnende Strategie ist. Zudem werden Marktbedingungen und politische Rahmenbedingungen und deren mögliche zukünftige Änderungen explizit berücksichtigt.

Bewaesserung Kartoffel

Abbildung 1. Der Bewässerungsbedarf in der Schweizer Landwirtschaft nimmt zu

Die Anwendung dieser bio-ökonomischen Modelle unter zukünftigen Klimabedingungen erlauben beides: a) den Effekt des ändernden Klimas auf Erträge und Ertragsvariabilität aber auch b) die Anpassungsreaktionen der Landwirte detailliert abzubilden. Ohne jegliche Anpassungsreaktionen werden Auswirkungen des Klimawandels auf Erträge aber auch Einkommen massiv überschätzt. Wir haben unsere Analysen für beispielhafte Betriebe im Mittelland und klimatische Bedingungen für den Zeitraum um die Jahre 2030 und 2050 durchgeführt. Im Folgenden werden einige Kernresultate zusammengefasst und anschliessend eingeordnet.

  • Klimawandel führt bei Kulturen wie Mais, Weizen, Kartoffeln oft zu reduzierten Erträgen (z.B. ca. 10% für Weizen im Broye-Einzugsgebiet, 20505). Negative Ertragseffekte werden zusätzlich durch eine Extensivierung der Produktion verstärkt, welche als Reaktion auf änderndes Klima stattfindet. Zudem zeigt sich in vielen Fällen eine steigende Ertragsvariabilität unter zukünftigen Klimabedingungen. Auswirkungen des Klimawandels sind jedoch sehr regions- und kulturspezifisch5,6
  • Der Bewässerungsbedarf nimmt zu4,6. Insbesondere bei Kulturen wie Kartoffeln oder Zuckerüben spielt dies tendenziell eine grössere Rolle, bei Kulturen wie Weizen oder Raps eher nicht
  • Neben Anpassungsmöglichkeiten auf Ebene einzelner Kulturen ermöglichen es auch Anpassungen der Fruchtfolge, sich ändernden Bedingungen anzupassen und so negative Effekte abzufedern. Daher sind auf Ebene des gesamten Betriebes Auswirkungen des Klimawandels auf Einkommen und Einkommensvariabilität zwar negativ aber tendenziell geringer als auf Ebene einzelner Kulturen5. Die Diversität Schweizer Betriebe ist dabei eine wichtige Komponente für grosse Anpassungspotentiale. Zudem tragen hohe Direktzahlungsniveaus zur Stabilisierung landwirtschaftlicher Einkommen bei und federn so Auswirkungen des Klimawandels zusätzlich ab
  • Auch tierhaltende Betrieb sind negativ durch klimatische Änderungen betroffen, sowohl durch Effekte auf den Futterbau9 als auch durch direkt Effekte auf tierische Produktion (z.B. Milch- und Fleischproduktion)10
  • Unsere Analysen zeigen jedoch auch, dass Änderungen in Preisniveaus aber auch in agrar- und agrarumweltpolitischen Rahmenbedingungen4,5,6 mitunter grössere Auswirkungen den Sektor haben können als der Klimawandel

Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass der Klimawandel negative Auswirkungen breite Teile der Schweizer Landwirtschaft haben kann, diese jedoch durch diverse Anpassungsmöglichkeiten abgefedert werden können. Zusätzliche Instrumente des Risikomanagements (z.B. Versicherungen 7,8), aber auch innovative Produktionsformen (z.B. angepasstere Kulturen und Anbausysteme), Züchtungsfortschritt, neue technologische Möglichkeiten (z.B. effizienterer Inputeinsatz) usw. können eine grosse Rolle spielen, dass sich der Sektor erfolgreich an den Klimawandel anpassen wird.

Diese Anpassungsreaktion können jedoch auch neue Spannungsfelder zwischen Landwirtschaft und Umwelt entstehen lassen (z.B. bezüglich Wassernutzung). Zudem müssen Anpassungsstrategien konsequent mit Emissionsvermeidungsstrategien kombiniert werden. Massnahmen im Kontext der Anpassung des Sektors Landwirtschaft an den Klimawandel müssen an klar diesen Spannungsfeldern ausgerichtet werden.

 

1 Fünfter IPCC Assessment Report, z.B. in den Subkapitel zu Food security and food production systems http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg2/WGIIAR5-Chap7_FINAL.pdf oder Europa http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg2/WGIIAR5-Chap23_FINAL.pdf

2 Fuhrer, J., Beniston, M., Fischlin, A., Frei, C., Goyette, S., Jasper, K., & Pfister, C. (2006). Climate risks and their impact on agriculture and forests in Switzerland. In Climate Variability, Predictability and Climate Risks (pp. 79-102). Springer, Dordrecht.

3 Fuhrer, J., Smith, P., & Gobiet, A. (2014). Implications of climate change scenarios for agriculture in alpine regions—A case study in the Swiss Rhone catchment. Science of the Total Environment, 493, 1232-1241.

4 Finger, R., Hediger, W., & Schmid, S. (2011). Irrigation as adaptation strategy to climate change—a biophysical and economic appraisal for Swiss maize production. Climatic Change, 105(3-4), 509-528.

5 Lehmann, N., Briner, S., Finger, R. (2013). The impact of climate and price risks on agricultural land use and crop management decisions. Land Use Policy 35: 119–130

6 Lehmann, N., Finger, R., Klein, T., Calanca, P. Walter, A. (2013). Adapting crop management practices to climate change: Modeling optimal solutions at the field scale. Agricultural Systems 117: 55-65

7 Kapphan, I., Calanca, P., & Holzkaemper, A. (2012). Climate change, weather insurance design and hedging effectiveness. The Geneva Papers on Risk and Insurance-Issues and Practice, 37(2), 286-317.

8 Risikomanagement mittels Wetter-Indexversicherung. Agrarpolitik-Blog https://agrarpolitik-blog.com/2016/08/09/risikomanagement-mittels-wetter-indexversicherung/

9 Finger, R., Lazzarotto, P., Calanca, P. (2010). Bio-economic assessment of climate change impacts on managed grassland production. Agricultural Systems 103(9): 666-674

10 Determinanten des Risikos von Milchviehbetrieben. Agrarpolitik-Blog https://agrarpolitik-blog.com/2018/06/04/determinanten-des-risikos-von-milchviehbetrieben/

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home