Robert Finger, Tobias Dalhaus, Joseph Allendorf, Stefan Hirsch. Milchproduzenten sind mit grossen Produktions-, Markt- sowie institutionellen Risiken konfrontiert. Produktionsrisiken, d.h. die Variabilität von Quantität und Qualität der Produktion, sind dabei stark durch Tiergesundheit und klimatische Variabilität und Extremereignisse bedingt. In der Milch- und Fleischproduktion ist dabei insbesondere Hitzestress relevant. In einem kürzlich in der European Review of Agricultural Economics erschienenen Beitrag* untersuchen wir, welchen Einfluss diese und andere Komponenten auf den Erlös aber insbesondere auf die Einkommensschwankungen von Milchviehbetrieben haben. Da sowohl Milch- als auch Tiererlöse für Milchviehbetriebe relevant und untrennbar miteinander verbunden sind, bilden wir beide Erlösstränge separat ab und analysieren deren Interdependenz.
Wir werten einen Datensatz von 390 Milchviehbetrieben in Nordrhein-Westfalen** aus, von denen für die Jahre 2007-2014 sowohl Erlös- und Produktionsdaten, als auch Tiergesundheitsindikatoren (insb. Zellzahl, Totgeburten, Abgänge) und verwendete Inputs (z.B. Arbeit, Kapital, Futter, Land, Milchquoten, Tierbestand, Tierarztkosten) vorliegen. Für jeden Betrieb und jedes Jahr ermitteln wir zudem einen luftfeuchtekorrigierten Hitzestressindex (temperature humidity index, THI). Abbildung 1 zeigt diesen Index für das Jahr 2010 sowie die Lage der untersuchten Betriebe.
Abbildung 1. THI load für das Jahr 2010. Punkte repräsentieren die Betriebe (in Nordrhein-Westfalen) und die Farbe gibt den luftfeuchtekorrigierten Hitzestressindex (THI) an. Je höher der THI-wert, desto höher der Hitzestress.
Mittels eines stochastischen Produktionsfunktionsansatzes wird der Einfluss verschiedener Inputs aber auch des THIs und der Tiergesundheit auf die Milch- und Tiererlöse bestimmt. Dabei quantifizieren wir den Einfluss auf den Erwartungswert und auf die Semivarianz der Erlöse (Realisationen unter dem Erwartungswert).
Die Ergebnisse zeigen, dass Inputs ambivalente Effekte auf die Variabilität von Milch- und Tierlösen haben können. Zum Beispiel geht ein grösserer Tierbestand mit geringerer Variabilität von Milch- aber höherer Variabilität von Tiererlösen einher. Darüber hinaus finden wir das Schwankungen in Milch- und Tiererlösen generell stark miteinander verbunden sind. Dieser Zusammenhang ist sowohl produktionstechnisch bedingt, zeigt aber auch dass Tiererlöse ein strategisches Element zur Liquiditätserhaltung sein können.
Bezüglich Tiergesundheit finden wir einen trade-off zwischen Profit und Risiko. Eine schlechtere Tiergesundheit kann im Mittel zu höheren Erlösen führen, erhöht aber das Risiko starker Erlösschwankungen. Ein Beispiel für einen dahinterliegenden Mechanismus ist die Wahl des Erstkalbealters. Je früher dieses gewählt wird, desto grösser sind die Erlöse. Jedoch geht dies oft auch mit einer schlechteren Tiergesundheit einher, was durch Abgänge oder Qualitätseinbussen zu Erlösschwankungen führen kann. Unsere Ergebnisse zeigen daher, dass Risikopräferenzen der Produzenten und die Verfügbarkeit von Risikomanagementstrategien einen Einfluss auf die Tiergesundheit haben können.
Hitzestress führt zu seiner signifikanten Reduktion der Milcherlöse. Im Mittel liegen Erlöseinbussen durch Hitzestress bei 10000 Euro pro Betrieb und Jahr. Diese hitzebedingten Risiken sind jedoch sehr heterogen, z.B. durch die Region und Betriebsspezifika bedingt, und Schäden können bis zu 25000 Euro pro Betrieb und Jahr betragen. Die ökonomische Relevanz dieser Risikoquelle für Milchviehbetriebe wird in der Zukunft durch Klimawandel und steigende Klimavariabilität weiter zunehmen. Die Entwicklung gezielter Absicherungsinstrumente sollte daher angestrebt werden.
* Finger, R., Dalhaus, T., Allendorf, J., Hirsch, S. (2018). Determinants of downside risk exposure of dairy farms. European Review of Agricultural Economics. In Press. https://academic.oup.com/erae/advance-article/doi/10.1093/erae/jby012/4995042
** Allendorf, J. and Wettemann, P. (2015). Does animal welfare influence dairy farm efficiency? A two-stage approach. Journal of Dairy Science, Vol. 98 (11): 7730-7740
(für eine Kopie der Artikel bitte eine E-Mail an Robert Finger rofinger@ethz.ch)
Robert Finger ist Professor für Agrarökonomie und -politik an der ETH Zürich. Tobias Dalhaus ist Doktorand in der Gruppe für Agrarökonomie und -politik. Dr. Joseph Allendorf ist Agribusiness Analyst in der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Stefan Hirsch ist Assistenzprofessor für Agrar- und Ernährungswirtschaft und früherer Mitarbeiter in der Gruppe für Agrarökonomie und -politik.