Klimaschutz in der Landwirtschaft – was prägt die Entscheidungen von Landwirtinnen und Landwirten in der Schweiz?

Von Cordelia Kreft* Die Agrarpolitik kann effektiven Klimaschutz in der Landwirtschaft fördern, indem sie individuelle Eigenschaften und Präferenzen sowie den Wissensaustausch zwischen Landwirtinnen und Landwirten bei der Gestaltung von Politikinstrumenten stärker berücksichtigt.

Cordelia Kreft hat im September 2022 ihre Dissertation in der Gruppe für Agrarökonomie und –politik abgeschlossen. Der Titel der Arbeit lautet “Behavioural Economics of Climate Change Mitigation in Swiss Agriculture: The role of individual characteristics and social networks.” Der folgende Blogbeitrag fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen. (Die gesamte Dissertation ist auf der ETH Research Collection verfügbar: Behavioural Economics of Climate Change Mitigation in Swiss Agriculture: The role of farmers’ individual characteristics and social networks – Research Collection (ethz.ch))

Die weltweite landwirtschaftliche Produktion ist für rund zwanzig Prozent der Treibhausgasemissionen (THG) verantwortlich. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft ein grosses Potenzial, ihre Emissionen zu reduzieren und zusätzlich Kohlenstoff zu binden. Der Agrarsektor spielt daher eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und bei der Erreichung internationaler und nationaler klimapolitischer Ziele. Gleichzeitig muss die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sichergestellt werden. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen gibt es zahlreiche Ansätze und Massnahmen, um die THG aus Tierhaltung und Pflanzenbau zu verringern. Diese umfassen zum Beispiel Anpassungen in der Betriebsführung und beim Herdenmanagement sowie technologische Innovationen. Der Erfolg des landwirtschaftlichen Klimaschutzes hängt jedoch zentral von den Landwirtinnen und Landwirten ab. Denn sie müssen bereit sein, bisherige landwirtschaftliche Praktiken zu ändern und entsprechende Massnahmen zur Reduktion der THG zu ergreifen. Geschieht dies nicht, sind Massnahmen und Politikinstrumente für den Klimaschutz wirkungslos oder ineffizient.

Das Ziel meiner Doktorarbeit war es, die Einflussfaktoren von landwirtschaftlichem Klimaschutz besser zu verstehen und Einblicke in die Entscheidungsfindung von Landwirtinnen und Landwirten in diesem Zusammenhang zu gewinnen. Dabei lag der Schwerpunkt auf verhaltensökonomischen Faktoren wie individuellen Präferenzen, persönlichen Eigenschaften und sozialen Interaktionen. Denn landwirtschaftliche Entscheidungsprozesse zu verstehen ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gestalten von effektiver und effizienter Politik zur Reduktion von THG aus der Lebensmittelproduktion. Im Rahmen einer Schweizer Fallstudie rund um die Klimaschutz-Initiative «AgroCO2ncept Flaachtal» (agroco2ncept.ch) konnte ich neben landwirtschaftlichen Strukturdaten auch selbst erhobene Umfragedaten (Kreft et al., 2020) sowie soziale Netzwerkdaten aus persönlichen Interviews (Kreft et al., 2021a) mit Landwirtinnen und Landwirten auswerten.

Zur Beantwortung der Forschungsfragen nutzte ich verschiedene Methoden: Eine Regressionsanalyse zur Untersuchung individueller Verhaltensmerkmale im Zusammenhang mit landwirtschaftlichem Klimaschutz. Eine soziale Netzwerkanalyse, um den Wissensaustausch unter Landwirtinnen und Landwirten sowie dessen Rolle bei der Verbreitung von Klimaschutz innerhalb einer Region zu verstehen. Und schliesslich das agentenbasierte Modell FARMIND (Huber et al., 2021). Dieser Ansatz ermöglichte, die Bedeutung individueller Eigenschaften und sozialer Interaktionen für die effektive Menge der eingesparten THG-Emissionen und die damit verbundenen Kosten zu quantifizieren.

Die Ergebnisse meiner Dissertation erlauben drei wesentliche Schlussfolgerungen für eine klimafreundliche Agrarpolitik:

Erstens, politische Entscheidungsträger sollten individuelle Verhaltensmerkmale von Landwirtinnen und Landwirten bei der Bewertung von Strategien für Klimaschutz in der Landwirtschaft stärker berücksichtigen. Dabei spielt es insbesondere eine Rolle, ob sie davon überzeugt sind, einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz leisten (Kontrollüberzeugung) und diese Aufgabe auch erfolgreich meistern zu können (Selbstwirksamkeit). Beide dieser psychologischen Zustände, auch nicht-kognitive Fähigkeiten genannt, stärken die Innovationskraft und wirken so positiv auf die Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen auf dem Betrieb. Durch gezielte Aus- und Weiterbildung von Landwirtinnen und Landwirten zum Thema Klimaschutz sowie entsprechende Beratungsangebote lassen sich diese Fähigkeiten stärken (Kreft et al., 2021).

Zweitens, das relevante Wissen tauschen Landwirtinnen und Landwirte häufig untereinander innerhalb sozialer Netzwerke aus. Vor allem regelmässiger Austausch mit «Kollegen», die viel über Klimaschutz auf dem Betrieb wissen, kann das eigene Verhalten positiv beeinflussen. Auch persönliche Verbindungen zur Klimaschutz-Initiative «AgroCO2ncept Flaachtal» haben einen solchen Effekt (Kreft et al., 2023a). So kann der Wissensaustausch in sozialen Netzwerken die gesamte THG-Reduktion innerhalb einer Region erheblich steigern und dabei die Grenzkosten für den Klimaschutz reduzieren. Das soziale Lernen sollte daher explizit gefördert und geeignete Plattformen für den Wissensaustausch sowie «bottom-up»- Initiativen aktiv unterstützt werden (Kreft et al., 2023b).

Drittens, heterogene Kosten und Einsparungspotenziale von Klimaschutzmassnahmen können die Effizienz von unterschiedlich ausgerichteten Politikinstrumenten beeinflussen. Konkret kann eine Direktzahlung für die Umsetzung einer bestimmten Massnahme (massnahmenorientiert) effizienter sein als eine Zahlung für ein erreichtes Einsparungsziel (ergebnisorientiert), wenn es sich um eine «Win-win-Massnahme» handelt, die sowohl THG reduziert als auch Kosten einspart. Wenn Landwirtinnen oder Landwirte eine solche Massnahme nicht umsetzen, weil sie z.B. andere Präferenzen haben, reicht ein kleiner Anreiz, der die spezifische Kostenstruktur der Massnahme berücksichtigt. Eine einheitliche (höhere) Zahlung für die erreichte THG-Einsparung ist in diesem Fall teurer (Kreft et al., 2023c).

Zusammenfassend sollten bei der Wahl konkreter Politikinstrumente zur Förderung des landwirtschaftlichen Klimaschutzes die individuellen Eigenschaften und Präferenzen der Landwirtinnen und Landwirte, soziale Interaktionen sowie Kosten und Nutzen der Klimaschutzmassnahmen berücksichtigt werden.

In dieser Arbeit konnte ich die Bedeutung der Nachfrage und substantielle Änderungen des gesamten Produktionslevels nicht untersuchen. Die Modellierungen zeigen jedoch, dass das gesamte Potenzial zur THG-Reduktion bei gleichbleibender Produktion insbesondere von Fleisch und Milch gering ist (ca. 10-15%). Für eine effektive Reduktion von Emissionen aus der Landwirtschaft und gesamten Lebensmittelproduktion ist daher eine tiefgreifende Transformation der Landwirtschaft, z.B. eine Anpassung der Tierbestände, unausweichlich.

Quellen:

Huber, R., Xiong, H., Keller, K., and Finger, R. (2021). Bridging behavioural factors and standard bioeconomic modelling in an agent-based modelling framework. Journal of Agricultural Economics 00, 1–29. https://doi.org/10.1111/1477-9552.12447

Kreft, C.  (2023). Behavioural Economics of Climate Change Mitigation in Swiss Agriculture: The role of farmers’ individual characteristics and social networks. Doctoral Thesis, ETH Zürich – Research Collection (ethz.ch)) https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/601150 Kreft, C. S., Huber, R., Wüpper, D. J., and Finger, R. (2020). Data on farmers’ adoption of climate change mitigation measures, individual characteristics, risk attitudes and social influences in a region of Switzerland. Data in brief 30, 105410. https://doi.org/10.1016/j.dib.2020.105410

Kreft, C. S., Angst, M., Huber, R., and Finger, R. (2021a). Social network data of Swiss farmers related to agricultural climate change mitigation. Data in Brief 35, 106898. https://doi.org/10.1016/j.dib.2021.106898

Kreft, C., Wuepper, D., Huber, R., Finger, R. (2021b). The role of non-cognitive skills in farmers‘ adoption of climate change mitigation measures. Ecological Economics 189, 107169. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2021.107169

Kreft, C., Angst, M., Huber, R., and Finger, R. (2023a). Farmers’ social networks and the adoption of agricultural climate change mitigation measures. Climatic Change 176, 8 https://doi.org/10.1007/s10584-023-03484-6

Kreft, C., Huber, R., Schäfer, D., and Finger, R. (2023b). Quantifying the impact of farmers‘ social networks on the effectiveness of climate change mitigation policies in agriculture. Submitted.

Kreft, C., Finger, Huber, R. (2023c). Action- vs. results-based policy designs for agricultural climate change mitigation. Submitted

Links zu früheren Blogbeiträgen:

Landwirtschaftlicher Klimaschutz braucht Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – Agrarpolitik-Blog

Soziale Netzwerke und landwirtschaftlicher Klimaschutz – Agrarpolitik-Blog

Acknowledgment: Wir danken dem Bundesamt für Landwirtschaft für die Unterstützung dieses Forschungsprojekts sowie dem Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich für die Bereitstellung der betrieblichen Strukturdaten. Weiterhin möchten wir uns bei allen Landwirtinnen und Landwirten bedanken, die mit ihrer Teilnahme an Umfrage und Interviews diese Forschung ermöglicht haben. Ein besonderer Dank geht an die Mitglieder des Vereins AgroCO2ncept Flaachtal für ihre Offenheit und Unterstützung.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

About Robert Huber