Nationale Hebelpunkte zur Reduzierung globaler Pestizidrisiken

David Wuepper, Fiona Tang, Robert Finger1

Die durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verursachten Risiken für Mensch und Umwelt sind eine dringende globale Herausforderung. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat global zu einer starken Verringerung von Schäden, u.a. durch Pflanzenkrankeiten, Schädlingen und Unkräutern geführt, und somit zur Ernährungssicherheit beigetragen, jedoch hat der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eben auch negative Effekte auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt.

In einer aktuellen Studie2 , die in der Zeitschrift Global Environmental Change erschienen ist, haben wir  auf globaler Ebene analysiert welches Potential nationale Hebelpunkte (z.B. in der Politik) haben, diese Risiken zu reduzieren.

Bei dieser Analyse ist es wichtig, dass man nicht einfach nur Länder mit hohem und niedrigem Pestizidverschmutzungsrisiko miteinander vergleicht, sondern dass man berücksichtigt, dass sich die Länder in vielen Dimensionen unterscheiden wie z.B. ihrem Schädlings- und Krankheitsdruck. Vergleicht man zwei Länder, mit sehr unterschiedlichen landwirtschaftlichen Bedingungen (z.B. Brasilien und Finnland), so kann man nicht klar identifizieren, wie relevant nationale Hebelpunkte für die Pestizidverschmutzungsrisiken sind, und welche Rolle Politiken spielen und spielen können. Um einen guten Vergleich herzustellen, haben wir eine Regressionsdiskontinuitätsanalyse3 benutzt, für die wir ökonometrisch quantifizieren, ob es an den politischen Grenzen von Ländern «Sprünge» in einem Indikator für Pestizidverschmutzungsrisiko gibt, die man nicht durch natürliche Bedingungen, z.B. durch Unterschiede im Schädlings- und Krankheitsdruck erklären kann.

Abbildung 1a zeigt die globale Verteilung des hier verwendeten Indikators für das Pestizidverschmutzungsrisikos der von Tang et al. (2021) entwickelt wurde4. Dieser Indikator basiert auf globalen Informationen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Landnutzung sowie einem räumlich expliziten Umweltmodell, um das weltweite Verschmutzungsrisiko für Umweltsysteme durch Pflanzenschutzmittel durch 92 Wirkstoffe abzuschätzen. Die Bewertung zielt dabei auf die ökologischen Risiken in vier Umweltkompartimenten ab: Boden, Oberflächengewässer, Grundwasser und Atmosphäre (siehe Tang et al. 2021 für Details). Es zeigt sich, Regionen mit intensiverer Landwirtschaft haben ein grösseres Pestizidverschmutzungsrisiko, aber auch innerhalb bestimmter Regionen gibt es zum Teil grosse Unterschiede. In unserer Analyse beschränken wir uns auf internationale Grenzgebiete, wo die landwirtschaftlichen Umweltbedingungen sehr ähnlich sind.

Dabei zeigt sich, dass es grosse «Grenzsprünge» im Pestizidverschmutzungsrisiko gibt. Abbildung 1b zeigt die durchschnittliche politische Grenze global und dann das gemittelte Pestizidverschmutzungsrisiko pro Distanz zur Grenze (um die grob 25 Millionen Datenpunkte unseres Datensatzes visualisieren zu können). Auf der linken Seite der Grenze sind die Datenpunkte von Ländern die im Durchschnitt mehr Pestizidverschmutzung haben und auf der rechten Seite der Grenze sind die Datenpunkte von Ländern die im Durchschnitt weniger Pestizidverschmutzung haben. Würde das Pestizidverschmutzungsrisiko nicht durch die Länder beeinflusst (z.B. wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hauptsächlich durch Umweltbedingungen beeinflusst wäre), so würde man keine Sprünge und Diskontinuitäten in Abbildung 1b sehen. In unsere Studie sehen wir hingegen eine klare Diskontinuitäten an den Grenzen zwischen Ländern. Die Grösse dieses Sprunges deutet darauf hin, dass ca. ein Drittel des globalen Pestizidverschmutzungsrisikos durch Länder (d.h. Institutionen, Politiken) erklärt werden kann (siehe auch Möhring et al. (2020)5 für eine Diskussion solcher Institutionen und Politiken).

In einem nächsten Schritt haben wir mögliche Mechanismen dahinter untersucht, was Unterschiede zwischen Ländern in verschiedenen Weltregionen am besten erklären kann, d.h. warum manche Länder ein niedrigeres Pestizidverschmutzungsrisiko habe als andere. Dafür verwenden wir verschiedene Charakteristika auf Länderebene, u.a. der Anteil der biologischen Landwirtschaft, Anteil von Dauerkulturen (wie Wein, Obst), und der Intensität der Regulierung von Pflanzenschutzmitteln.  Wir testen auch für potentielle trade-offs, insbesondere zwischen i) Pestizidrisiken und dem Ertrag und ii) Pestizidrisiken und Bodenerosion. Letzteres ist relevant, da konservierende Landwirtschaft (z.B. no-till) oft mit grösseren Pflanzenschutzmitteleinsatz einhergeht.

Abbildung 1. (a) Die globale Verteilung des Pestizidverschmutzungsrisikos, von Tang et al. 2021. (b) Visualisierung der Daten innerhalb von 100 km Distanz zu internationalen Grenzen.

Abbildung 2 zeigt sowohl globale und auch separat für je Europa, Amerika, Asien, und Afrika, wie gross die Grenz-Diskontinuitäten sind zwischen Ländern, die sich in einer konkreten Charakteristik unterscheiden. Charakteristiken die besonders grosse Diskontinuitäten erklären stellen dann potentiell die wirksamsten Politikhebel dar, wie Länder ihr Pestizidverschmutzungsrisiko senken können. Die Koeffizienten-Plots in Abbildung 2 zeigen die geschätzten Diskontinuitäten zwischen Ländern, die sich z.B. unterscheiden welcher Anteil ihrer Landwirtschaft zertifiziert ökologisch ist, wie strikt Pestizide reguliert sind, oder wie viel Dauerkulturen angebaut werden.

Es zeigen sich im globalen Bild drei wichtige Hebelpunkte auf nationaler Ebene: i) eine striktere Pestizid-Regulierung, ii) mehr biologische Landwirtschaft, und iii) Pflanzenschutzmittel-Reduzierung im Dauerkulturanbau. Wir können jedoch keine Aussagen zu anderen möglichen Zielkonflikten die sich aus Anpassungen in den drei Dimensionen ergeben sagen, z.B. Bzgl. Versorgungsicherheit, Einkommen der Landwirte, Konsumentenpreisen.

Unsere Ergebnisse (Abbildung 2) zeigen einen Trade-Off zwischen Pestizidrisiken und Bodenerosion in Nord-, Mittel- und Südamerika sowie in Asien. Dies deutet auf einen (in heutigen Agrarsysteme) relevanten Zielkonflikt hin, grade dort wo reduzierte Bodenbearbeitung besonders weit verbreitet ist wie in Amerika. Wir finden keinen Trade-Off für Europa und Afrika.  Wir finden auch keinen Trade-Off  zwischen den Erträgen der wichtigsten Feldfrüchte (Weizen, Reis, Mais, Kartoffeln, etc.) und dem Pestizidverschmutzungsrisiko, d.h. mehr Pestizidrisiken heissen nicht zwangsläufig kleinere Ertragslücken.

Neben nationalen Stellschrauben sollten aber auch internationale Lösungen und Koordination gefunden werden, insbesondere da bei einseitigen Massnahmen Leakage, also das Weitergeben von Pestizidrisiken an andere Länder und somit ein Verlagern des Problems, auftreten kann.

Abbildung 2. Erklärungen für Diskontinuitäten im Pestizidverschmutzungsrisiko, global (a) und pro Weltregion (be). Insgesamt zeigen die geschätzten Diskontinuitäten ein Potential für Länder von einer ca. 1/3 möglichen Reduzierung im Pestizidverschmutzungsrisiko.

1 Autoren: David Wuepper (Land Economics, Universität Bonn, Deutschland), Fiona Tang (School of Environmental and Rural Science, University of New England, Armidale, NSW, Australia), Robert Finger (Agrarökonomie und –politik Gruppe, ETH Zürich, Switzerland)

2 Wuepper, D., Tang, F. H., & Finger, R. (2023). National leverage points to reduce global pesticide pollution. Global Environmental Change, 78, 102631.

3 Wuepper, D., & Finger, R. (2023). Regression discontinuity designs in agricultural and environmental economics. European Review of Agricultural Economics, 50(1), 1-28.

4 Tang, F. H., Lenzen, M., McBratney, A., & Maggi, F. (2021). Risk of pesticide pollution at the global scale. Nature Geoscience, 14(4), 206-210.

5 Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., … & Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature food, 1(9), 535-540.

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About Robert Finger

I am Agricultural Economist and head of the Agricultural Economics and Policy Group at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home