Soziale Netzwerke und landwirtschaftlicher Klimaschutz

Von Cordelia Kreft, Mario Angst, Robert Huber und Robert Finger* Die Reduktion landwirtschaftlicher Treibhausgase ist erklärtes Ziel der Schweizer Agrarpolitik. Um dies zu erreichen, müssen LandwirtInnen entsprechende Massnahmen auf ihren Betrieben umsetzen. Der Wissensaustausch unter LandwirtInnen kann die Umsetzung solcher Klimaschutzmassnahmen positiv beeinflussen.

Die betrieblichen Entscheidungen von LandwirtInnen zur Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen im Stall und auf dem Feld sind zentral für eine erfolgreiche Reduktion von landwirtschaftlichen Treibhausgasen wie Methan und Lachgas. Auch die vor- und nachgelagerte Industrie wird zunehmend Klimaziele an Landwirte weitergeben. Effektive und effiziente Umsetzung von landwirtschaftlichen Klimaschutz setzt ein fundiertes Verständnis dieser Entscheidungsprozesse auf Ebene der Betriebe voraus. Dafür spielen einerseits finanzielle Faktoren (es muss sich lohnen), andererseits aber auch individuelle Vorlieben, Einstellungen und andere persönliche Eigenschaften eine wichtige Rolle (Kreft et al., 2021).

Im Zusammenhang mit der Verbreitung von Innovationen, Technologien und Umweltmassnahmen hat sich gezeigt, dass Interaktionen zwischen LandwirtInnen und verschiedenartige Beziehungen wie Nachbarschaft, gemeinsame Mitgliedschaft in Vereinen oder Freundschaft die Entscheidungen massgeblich beeinflussen (z.B.Skaalsveen et al., 2020; Vroege et al., 2020). Welchen Einfluss der Austausch von LandwirtInnen untereinander auf die Umsetzung von Klimaschutz in der Landwirtschaft hat, ist jedoch bis anhin nicht wissenschaftlich untersucht worden.

In einer in der Fachzeitschrift Climatic Change erschienenen Studie (Kreft et al., 2023) untersuchen wir, ob und wie persönliche soziale Netzwerke LandwirtInnen in ihren Entscheidungen für oder gegen Klimaschutzmassnahmen auf dem Betrieb beeinflussen. Dabei interessierten uns besonders drei Aspekte: Erstens, ob es einen Unterschied macht, wenn die eigenen «Peers» bereits Klimaschutzmassnahmen auf ihrem Betrieb umsetzen. Zweitens, welche Rolle das Klimaschutz-Wissen dieser Personen spielt. Und drittens, wie sich persönliche Verbindungen zu Mitgliedern einer Initiative für Klimaschutz auswirken.

Um diese Fragen zu beantworten, haben wir 50 LandwirtInnen aus dem Zürcher Weinland zuerst mittels einer Onlineumfrage befragt und dann persönlich interviewt. Die Hälfte der Teilnehmenden ist Mitglied in der Klimaschutz-Initiative «AgroCO2ncept Flaachtal» (www.agroco2ncept.ch).

Die Interviews fanden auf den Betrieben statt und wurden mithilfe von Tablets und einer neuen Software speziell zur Erhebung sozialer Netzwerkdaten geführt (siehe Abbildung 1). Anschliessend wurden die Daten einer sozialen Netzwerkanalyse unterzogen und mit einem sogenannten Autokorrelationsmodell ausgewertet.

Abbildung 1: Erhebung von Netzwerkdaten mit Tablets

Unsere Ergebnisse zeigen: Wer sich regelmässig mit Personen austauscht, die viel Wissen zu Klimaschutz haben, setzt auf dem Betrieb mehr Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen um. Erstaunlicherweise konnten wir über die gesamte Stichprobe aber keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Umsetzung von Massnahmen innerhalb des persönlichen Netzwerks und dem eigenen Klimaschutzverhalten feststellen. Der Austausch von Wissen scheint also wichtiger zu sein als das direkte Beobachten und Nachahmen. Klimaschutz auf dem Betrieb ist für viele LandwirtInnen noch immer ein recht unbekanntes Terrain. Zudem sind viele der Massnahmen auf den ersten Blick nicht offensichtlich Klimaschutz-Massnahmen (z.B. ist die Düngung mittels eines Schleppschlauchs ursprünglich zur Reduktion von Ammoniakemissionen gedacht). Dies kann erklären, warum der direkte Austausch von Wissen so wichtig ist. Es zeigte sich allerdings ein solcher Nachahmungseffekt (Spillover-Effekt), wenn man nur die Beziehungen zwischen AgroCO2ncept-Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern betrachtet: Wer also regelmässig Kontakt zu Mitgliedern der Initiative hat, scheint sich deren Praktiken teilweise abzuschauen und setzt sie auf dem eigenen Betrieb ebenfalls um.

Für die Agrarpolitik liefert diese Erkenntnis wertvolle Informationen: Der Wissensaustausch zwischen LandwirtInnen kann helfen, Klimaschutzmassnahmen auf den Betrieben innerhalb einer Region und darüber hinaus besser zu verbreiten. Insbesondere Kontakte zu Pionierbetrieben und lokalen Initiativen können Klimaschutz fördern. Neben finanziellen Anreizen für bestimmte Massnahmen oder anderen Instrumente sollte daher immer auch der Wissensaustausch zwischen Landwirten ermöglicht werden. Dies erhöht die Effizienz (realisierte Reduktion von Treibhausgasemissionen pro eingesetztem Franken) agrarpolitischer Instrumente. So können entsprechende Plattformen zur Verfügung gestellt und lokale Initiativen für Klimaschutz gefördert sowie kommuniziert werden. Zudem sollten die Landwirtschaftsschulen den betrieblichen Klimaschutz als regulären Bestandteil des Unterrichts integrieren. Dies setzt die Grundlage für die Verbreitung des Wissens, den Transfer in die landwirtschaftliche Praxis und schliesslich für eine erfolgreiche Reduktion der Treibhausgase aus der Lebensmittelproduktion.

*Autoren: Cordelia Kreft, Robert Huber und Robert Finger (ETH Zürich), Mario Angst (Universität Zürich). Kontakt: ckreft@ethz.ch

Referenzen

Kreft, C., Angst, M., Huber, R., and Finger, R. (2023). Farmers’ social networks and regional spillover effects in agricultural climate change mitigation. Climatic Change 176, 8.

Kreft, C., Huber, R., Wuepper, D., and Finger, R. (2021). The role of non-cognitive skills in farmers‘ adoption of climate change mitigation measures. Ecological Economics 189, 107169.

Skaalsveen, K., Ingram, J., and Urquhart, J. (2020). The role of farmers‘ social networks in the implementation of no-till farming practices. Agricultural Systems 181, 102824.

Vroege, W., Meraner, M., Polman, N., Storm, H., Heijman, W., and Finger, R. (2020). Beyond the single farm–A spatial econometric analysis of spill-overs in farm diversification in the Netherlands. Land Use Policy 99, 105019.

Link zu früherem Blogbeitrag:

Landwirtschaftlicher Klimaschutz braucht Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – Agrarpolitik-Blog


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