Einfluss sozialer Netzwerke auf die Wirksamkeit von Politikmassnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft

von Cordelia Kreft1, Robert Huber1, David Schäfer2 und Robert Finger1. Der Wissensaustausch unter LandwirtInnen kann die Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen positiv beeinflussen. Mit Hilfe eines agentenbasierten Modells haben wir den Effekt dieses Austauschs im Kontext Klimaschutz quantifiziert. Die Resultate zeigen, dass die Staatsausgaben pro Tonne reduziertem CO2 Äquivalent ohne Wissensaustausch rund viermal höher wären.

Um die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu verringern, müssen die LandwirtInnen Klimaschutzmassnahmen umsetzen. Neben den wirtschaftlichen Kosten und Nutzen dieser Massnahmen spielen dabei auch persönliche und soziale Faktoren eine wichtige Rolle (Kreft et al. 2023a und Kreft et al. 2021a). Insbesondere der Wissensaustausch zwischen Bäuerinnen und Bauern und soziale Interaktionen können die Entscheidung für oder gegen Klimaschutzmassnahmen auf dem Betrieb beeinflussen.

In einem neuen Artikel, welcher im Journal of Agricultural Economics veröffentlich wurde haben wir versucht, den ökonomischen Wert des Wissensaustauschs zwischen LandwirtInnen zu quantifizieren (Kreft et al. 2023b). Dabei interessierte uns einerseits die Wirksamkeit einer staatlichen Zahlung für die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Andererseits wollten wir wissen, wie sich der Wissensaustausch innerhalb von sozialen Netzwerken der LandwirtInnen auf die Adoption von Klimaschutzmassnahmen auswirkt.

Für unsere Analyse nutzten wir das agentenbasierte Modell FARMIND, ein in der AECP-Gruppe entwickeltes Modell, welches den Einfluss von sozialen Netzwerken auf einzelbetriebliche Entscheidungen in der Landwirtschaft ermöglicht (siehe Huber et al. 2022). Als Datengrundlage für unsere Berechnungen kombinieren wir drei vorangegangene Forschungsarbeiten. 1) Informationen aus einer Befragung von LandwirtInnen zu persönlichen Einflussfaktoren auf die Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen (Kreft et al. 2020). 2) Eine auf Interviews basierte Erhebung von sozialen Interaktionen und Netzwerken zwischen Bäuerinnen und Bauern (2021b). 3) Einzelbetriebliche Kosten und Nutzen von Klimaschutzmassnahmen berechnet mit dem Simulationsmodell FarmDyn (Huber et al. 2023). Alle drei Arbeiten wurden im Zürcher Weinland durchgeführt*. Auf diese Weise konnten betriebliche, persönliche und soziale Faktoren für 49 Bäuerinnen und Bauern konsistent in einem Datensatz miteinander verknüpft und in das agentenbasierte Modell integriert werden.

Mit Hilfe des Modells simulierten zuerst den Effekt einer Zahlung von 120 Franken pro Tonne CO2 Äquivalent auf die Adoption von Klimaschutzmassnahmen. Das heisst, LandwirtInnen erhalten eine Kompensation für jede reduzierte Tonne CO2 Äquivalent, ihnen steht aber frei, wie sie diese Reduktion auf ihrem Betrieb erreichen (siehe auch Kreft et al. 2023c). Um den Effekt der sozialen Netzwerke in den Simulationen abzubilden, verglichen wir anschliessend vier unterschiedliche Konfigurationen des sozialen Netzwerkes: (i) Wir simulieren den Effekt der Zahlung gänzlich ohne die Berücksichtigung von sozialen Interaktionen. Dann erhöhten wir den möglichen Wissensaustausch durch die sozialen Netzwerke stufenweise von (ii) einem kleinen (zufälligen) Netzwerk mit wenigen sozialen Interaktionen zum (iii) Netzwerk, dass wir in der Realität beobachtet hatten, hin zu (iv) einem vollständigen Netzwerk, d.h. alle Agenten im Modell konnten voneinander lernen.

Damit wir den Effekt des Netzwerkes vollständig evaluieren konnten, erhöhten wir anschliessend die Zahlung in unseren Simulationen so lange bis die Emissionen ohne die Berücksichtigung sozialer Netzwerke gleich hoch waren wie in den Simulationen mit 120 Franken und dem beobachteten sozialen Netzwerk. Auf diese Weise konnten wir die für Klimaschutz notwendige Zahlung mit und ohne soziale Netzwerke für das gleiche Reduktionsniveau miteinander vergleichen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Berücksichtigung eines beobachteten sozialen Netzwerkes die Reduktion von Treibhausgasemissionen um 45% erhöht (Abbildung 1). Ohne den Wissensaustausch zwischen den Bäuerinnen und Bauern müsste die Zahlung pro Tonne um 380 CHF (d.h. 500 CHF/tCO2eq) erhöht werden, um die gleiche Reduktion ohne soziale Netzwerkeffekte zu erreichen. Darüber hinaus sind die Grenzkosten der Vermeidung von Emissionen niedriger, wenn LandwirtInnen relevantes Wissen über soziale Netzwerke austauschen, weil effizientere Betriebe, die ohne soziale Netzwerke keine Klimaschutzmassnahmen umsetzen würden, die Zahlung in Anspruch nehmen.

Abbildung 1. THG-Reduktion mit zwei Zahlungsniveaus und unterschiedlichen sozialen Netzwerken. Graue Balken entsprechen der THG-Reduktion bei einer Zahlung von 120 CHF/tCO2eq; schwarze Balken einer Zahlung von 500 CHF/tCO2eq.

Unsere Ergebnisse haben eine wichtige Implikation für die Agrarpolitik:  Sie zeigen, dass der Wissensaustausch zwischen Bäuerinnen und Bauern ein Hebel sein kann, um die Effektivität und Effizienz von Politikmassnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu verbessern. Der ökonomische Wert des sozialen Lernens ist so gross, dass sich eine explizite Förderung z.B. über geeignete Plattformen für den Wissensaustausch sowie «bottom-up»- Initiativen lohnen würde. Das heisst, die Förderung von Massnahmen und der Kompensation für Zielerreichung  für LandwirtInnen, sollte mit expliziten Massnahmen zur Kreierung von Netzwerken und dem Wissensaustausch ergänzt werden. Dies ermöglicht es eingesetzte Mittel effizienter einzusetzen und agrarpolitische Ziele schneller zu erreichen.

1Cordelia Kreft, Robert Huber und Robert Finger arbeiten in der Gruppe Agrarökonomie und Agrarpolitik der ETH Zürich. 2David Schäfer arbeitet in der Gruppe «Economic Modelling of Agricultural Systems» an der Universität Bonn.

*Die Hälfte der Betriebe war Teil der Klimaschutz-Initiative «AgroCO2ncept Flaachtal».

Referenzen

Huber, R., H. Xiong, K. Keller, and R. Finger. (2022). “Bridging Behavioural Factors and Standard Bio-Economic Modelling in an Agent-Based Modelling Framework.” Journal of Agricultural Economics 73: 35– 63. https://doi.org/10.1111/1477-9552.12447

Huber, R., Tarruella, M., Schäfer, D., Finger, R., (2023). Marginal climate change abatement costs in Swiss dairy production considering farm heterogeneity and interaction effects. Agricultural Systems 207, 103639. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2023.103639

Kreft, C., Angst, M., Huber, R., and Finger, R. (2023a). Farmers’ social networks and regional spillover effects in agricultural climate change mitigation. Climatic Change 176, 8. https://link.springer.com/article/10.1007/s10584-023-03484-6

Kreft, C., Huber, R., Schäfer, D., Finger, R., (2023b). Quantifying the impact of farmers’ social networks on the effectiveness of climate change mitigation policies in agriculture. Journal of Agricultural Economics https://doi.org/10.1111/1477-9552.12557

Kreft, C., Finger, R., Huber, R., (2023c). Action- versus results-based policy designs for agricultural climate change mitigation. Applied Economic Perspectives and Policy https://doi.org/10.1002/aepp.13376

Kreft, C., Huber, R., Wuepper, D., & Finger, R. (2021a). The role of non-cognitive skills in farmers‘ adoption of climate change mitigation measures. Ecological Economics, 189, 107169. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2021.107169

Kreft, C.S., Angst, M., Huber, R., Finger, R., (2021b). Social network data of Swiss farmers related to agricultural climate change mitigation. Data in Brief 35, 106898 https://doi.org/10.1016/j.dib.2021.106898

Kreft, C. S., Huber, R., Wüpper, D. J., & Finger, R. (2020). Data on farmers’ adoption of climate change mitigation measures, individual characteristics, risk attitudes and social influences in a region of Switzerland. Data in Brief, 30, 105410. https://doi.org/10.1016/j.dib.2020.105410

Links zu anderen relevanten Blogs

Klimaschutz in der Landwirtschaft – was prägt die Entscheidungen von Landwirtinnen und Landwirten in der Schweiz? – Agrarpolitik-Blog

Soziale Netzwerke und landwirtschaftlicher Klimaschutz – Agrarpolitik-Blog

Landwirtschaftlicher Klimaschutz braucht Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – Agrarpolitik-Blog

Effiziente Direktzahlungen für Klimaschutz auf Schweizer Milch- und Fleischbetrieben

Hinterlasse einen Kommentar

About Robert Huber