Wirtschaftlichkeit und Politik von teilflächenspezifischer Düngung in der Schweizer Landwirtschaft

Karin Späti hat im September 2022 ihre Dissertation mit dem Titel ‘Economics and Policy of Precision Agriculture: The Case of Variable Rate Fertilization in Switzerland’ in der Gruppe für Agrarökonomie und –politik an der ETH Zürich abgeschlossen. Dieser Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung dieser Arbeit. Die gesamte Dissertation ist auf der ETH Research Collection verfügbar.

Stickstoffverluste aus der landwirtschaftlichen Produktion verursachen eine ganze Reihe von Umweltproblemen, wie beispielsweise Ammoniak- und Lachgasemissionen in die Atmosphäre oder Nitrat Auswaschung in Grund- und Trinkwasser. Die Erhöhung der Stickstoffnutzungseffizienz und die damit verbundene Reduktion negativer Umweltauswirkungen sind somit entscheidend für die Bewältigung der systematischen Herausforderungen der landwirtschaftlichen Produktion.

Präzisionslandwirtschaftstechnologien, wie beispielsweise Technologien zur teilflächenspezifischen Düngung sollen dazu beitragen, diese Stickstoffüberschüsse und -verluste zu verringern, indem sie zeitnahe und standortspezifische Produktionsinformationen liefern (Walter et al., 2017). Jedoch ist die Anwendungsrate solcher Technologien in der Schweizer Landwirtschaft sehr tief, obwohl sie bereits seit längerem verfügbar sind (Groher et al., 2020; Späti et al., 2022). Dies deutet darauf hin, dass politische Massnahmen notwendig sind, um die Anwendung solcher Technologien zu fördern und den Weg für die ökologischen und wirtschaftlichen Chancen der Präzisionslandwirtschaft zu ebnen (Finger et al., 2019).

Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung wirksamer politischer Maßnahmen zur Förderung des Einsatzes von Technologien zur variablen Stickstoffdüngung zu unterstützen. Dazu entwickeln wir im ersten Teil der Arbeit ein bio-ökonomisches Modell, um die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile der variablen Stickstoffdüngung zu untersuchen (Späti et al., 2021). Im zweiten Teil analysieren wir die Präferenzen von Landwirtinnen und Landwirten für verschiedene Eigenschaften von Technologien für teilflächenspezifische Düngung (Späti et al., 2022a) anhand einer Umfrage mit einem Choice Experiment in den Kantonen Solothurn und Bern (Späti et al., 2022b). Im dritten Teil wird das bio-ökonomische Modell zusammen mit den Daten aus der Umfrage in ein agentenbasiertes Modell implementiert (Huber et al. 2022). Auf diese Weise können die Auswirkungen politischer Massnahmen auf die Adoptionsrate von Technologien zur teilflächenspezifischen Düngung im Schweizer Weizenanbau simuliert werden. 

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass bei der Gestaltung von effizienten Politikmassnahmen mehrere Aspekte berücksichtigt werden sollten. Erstens, obwohl durch den Einsatz der Technologie der Stickstoffeinsatz reduziert und das Produktionslevel gehalten werden kann, bleibt der direkte wirtschaftliche Nutzen für die Landwirte gering. Der Mehrwert für die Landwirte ist möglicherweise zu klein, um die zusätzlichen Kosten für ihre Anwendung aufzuwiegen. Um die Einführung der Technologie für die Landwirtinnen und Landwirte attraktiver zu machen, sind daher geeignete Massnahmen erforderlich, die auch die indirekten Vorteile der Technologie ausgleichen, wie etwa die Verringerung der Stickstoffverluste und die damit verbundene Verringerung der negativen Umweltauswirkungen.

Zweitens ist es wichtig, die individuellen Entscheidungen der Landwirte zu verstehen und zu berücksichtigen, um die Reaktion auf verschiedene politische Massnahmen vorhersagen zu können. Drittens sollte bei der Konzeption solcher Massnahmen auf die Gestaltung des Kontextes geachtet werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass politische Anreize, die auf die Umweltvorteile der Einführung der Technologien abzielen (und diese kommunizieren), effektiver wären, wenn sie sich auf die Kosten und die Verringerung der technologischen Unsicherheit konzentrieren, anstatt die Landwirte für die Umweltvorteile zu entschädigen.

Drittens deuten die Simulationsergebnisse darauf hin, dass ergebnisabhängige Zahlungen zur Erreichung eines bestimmten Niveaus der Stickstoffreduzierung 1,5- mal kosteneffizienter sind als flächenbezogene Subventionen oder Subventionen für den Technologieeinsatz

Die Ergebnisse dieser Arbeit haben einerseits Implikationen für Landwirtinnen und Landwirte, aber auch für Technologieanbieter, sowie politische Entscheidungsträger. Landwirtinnen und Landwirte sollten sich bewusstmachen, dass kostengünstige, Technologien zur standortspezifischen Stickstoffdüngung (z. B. Satellitenbilder) verfügbar sind und eingesetzt werden können, um Stickstoff effizienter zu nutzen und damit nicht nur die Düngekosten, sondern auch die Stickstoffverluste zu reduzieren.

Technologieanbieter sollten sich auf die Entwicklung von Technologielösungen für die variable Düngung konzentrieren, die kosteneffizient, einfach in der Anwendung, sowie mit bestehenden Technologien kompatibel sind. Zudem müssen sie tatsächlich den von Landwirtinnen und Landwirten erwarteten Nutzen bringen. Politische Entscheidungsträger sollten erkennen, dass die hohen Investitionskosten und die Ungewissheit über den tatsächlichen Nutzen der Anwendung von Technologien für die standortspezifische Düngung ein grosses Hindernis für die Einführung solcher Technologien darstellen können, und geeignete politische Massnahmen sollten darauf abzielen, diese Hindernisse zu verringern.


 

Literatur

Finger, R., Swinton, S. M., El Benni, N., & Walter, A. (2019). Precision farming at the nexus of agricultural production and the environment. Annual Review of Resource Economics, 11, 313-335.

Groher, T., Heitkämper, K., Walter, A., Liebisch, F., & Umstätter, C. (2020). Status quo of adoption of precision agriculture enabling technologies in Swiss plant production. Precision Agriculture, 21(6), 1327-1350.

Huber, R., Xiong, H., Keller, K., Finger, R. (2022). Bridging behavioural factors and standard bio-economic modelling in an agent-based modelling framework. Journal of Agricultural Economics 73(1): 35-63.

Späti, K., Huber, R., & Finger, R. (2021). Benefits of increasing information accuracy in variable rate technologies. Ecological Economics, 185, 107047.

Späti, K., Huber, R., Logar, I., & Finger, R. (2022a). Incentivizing the adoption of precision agricultural technologies in small-scaled farming systems: A choice experiment approach. Journal of the Agricultural and Applied Economics Association.

Späti, K., Huber, R., Logar, I., & Finger, R. (2022b). Data on the stated adoption decisions of Swiss farmers for variable rate nitrogen fertilization technologies. Data in Brief, 41, 107979.

Walter, A., Finger, R., Huber, R., & Buchmann, N. (2017). Opinion: Smart farming is key to developing sustainable agriculture. Proceedings of the National Academy of Sciences, 114(24), 6148-6150.

Weitere Blogbeiträge zum Thema teilflächenspezifischer Düngung:

Was macht die Nutzung von Präzisionstechnologien in der Schweizer Landwirtschaft attraktiv? – Agrarpolitik-Blog

Was ist der ökonomische Wert von räumlich hochaufgelösten Informationen in der Stickstoffdüngung? – Agrarpolitik-Blog

Dank

Die Dissertation war Teil des durch den SNF (NFP73) geförderten Projektes InnoFarm.

Grosser Dank an alle beteiligten Landwirte und Stakeholder, insbesondere dem Solothurnischen Bauernverband (SOBV) und den kantonalen Landwirtschaftsämtern in Solothurn und Bern.

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