Technologien der Präzisionslandwirtschaft versprechen eine produktive und nachhaltige Landwirtschaft. In der Praxis setzt sich die Präzisionslandwirtschaft allerdings nur begrenzt durch. Um dies zu erklären, haben wir die Wahrnehmungen der Präzisionslandwirtschaft durch Schlüsselakteure in Deutschland und der Schweiz analysiert.
von Melf-Hinrich Ehlers, Débora M. Moretti, Chad M. Baum, Stefanie Bröring und Robert Finger*
Die Präzisionslandwirtschaft verspricht die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft zu erhöhen, ohne ihre Produktivität zu reduzieren. Ihre breitflächige Einführung ist allerdings stockend und involviert eine Vielzahl von Akteuren von Landwirt:innen über Beratung bis hin zur Politik. Wie nehmen diese Akteure die Präzisionslandwirtschaft und deren Vor- und Nachteile überhaupt war, haben sie geteilte Wahrnehmungen und wo finden sich zentrale Hebel, die Präzisionslandwirtschaft zu unterstützen?
In einem kürzlich erschienenen Artikel** fokussieren wir auf die Wahrnehmungen der Schlüsselakteure der Präzisionslandwirtschaft in Deutschland und der Schweiz. Um die begrenzte Übernahme von Technologien der Präzisionslandwirtschaft zu erklären, untersuchen wir das Fehlen eines gemeinsamen Verständnisses von Präzisionslandwirtschaft, indem wir uns auf die Akteure in diesem Innovationssystem und ihre Wahrnehmung ihrer potenziellen Rolle konzentrieren.
Wir wenden die Methode des Group Concept Mapping (GCM) an, bei der die Teilnehmer:innen die Triebkräfte für die Einführung und Verbreitung der Präzisionslandwirtschaft erörtern, bevor sie diese Triebkräfte in konzeptionelle Cluster einordnen und nach ihrer Bedeutung und Beeinflussbarkeit bewerten. Unsere Stichprobe besteht aus einer vielfältigen Mischung aus Landwirt:innen, Technologieanbieter:innen, politischen Entscheidungsträger:innen und dem Zwischenhandel, wie Beratung, Handel und Lohnunternehmen. Wir beziehen Akteure in Deutschland und der Schweiz ein, um einen länderübergreifenden Vergleich der wichtigsten Treiber zu ermöglichen.
Die Analyse besteht aus zwei Schritten. Erstens, wurden im März 2019, über eine Gruppendiskussion mit acht ausgewählten Akteuren, 58 Statements zu Treibern der Übernahme und Ausbreitung von Präzisionslandwirtschaft generiert. Im zweiten Schritt haben 76 Vertreter:innen der Akteursgruppen in Deutschland und der Schweiz diese Statements online sortiert und bewertet (April-Juni 2020). Die Methode des GCM hilft dabei eine „Konzeptkarte“ der Akteure zu visualisieren. Durch die Sortierung der Statements der Akteure zur Präzisionslandwirtschaft (mit Hilfe multidimensionaler Skalierungsanalyse) erhalten wir einen Eindruck von den wichtigsten Konzepten und wie diese miteinander in Beziehung stehen. In den Karten sind näher beieinander liegende Konzepte stärker miteinander verbunden (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Konzeptkarte bestehend aus Clustern von Statements der Akteure zur Präzisionslandwirtschaft.
In dieser zweiten Stufe haben die Akteure zudem die Treiber der Präzisionslandwirtschaft nach Wichtigkeit und Beeinflussbarkeit bewertet. So erhalten wir einen Einblick, welche Einflussfaktoren als stärker oder schwächer in ihrer Beeinflussbarkeit und Wichtigkeit bewertet werden. Detaillierte Ansätze, die neben den Verkaufsargumenten für die Präzisionslandwirtschaft, hilfreich wären ihre Einführung zu unterstützen, finden sich in der „Go-Zone“. In ihr sind diejenigen Faktoren der Übernahme der Präzisionslandwirtschaft aufgeführt, die sowohl als wichtig als auch beeinflussbar erachtet werden, wie etwa Effizienz und Transparenz beim Einsatz der Technologien.
Durch den Vergleich der Wahrnehmungen der Akteure konnten wir sowohl Übereinstimmungen als auch Unstimmigkeiten feststellen. «Höhere Effizienz durch Präzision» nehmen die Akteursgruppen beispielsweise als ähnlich wichtig war (Abbildung 2). Hier gibt es also eine übereinstimmende Wahrnehmung unter den Akteuren und dementsprechend keine bedeutenden Reibungen, mit denen sich die Akteure des Innovationsystems Präzisionslandwirtschaft auseinandersetzen müssen. Unstimmigkeiten, hingegen, konzentrieren sich auf «gesellschaftliche Wahrnehmung und Transparenz», «Vertrauen» und «Nutzbarkeit», insbesondere zwischen Landwirt:innen und politischen Entscheidungsträger:innen. Diese Aspekte sind von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses unter den Akteuren der Präzisionslandwirtschaft, welches für die Einführung der Präzisionslandwirtschaft erforderlich ist. Wenn sich politische Entscheidungsträger also für die Präzisionslandwirtschaft einsetzen wollen, sollten sie an einer mit den Landwirt:innen gemeinsamen Wahrnehmung der Bedeutung dieser Aspekte arbeiten.

Abbildung 2: Wahrnehmung der Wichtigkeit jedes Konzepts der Präzisionslandwirtschaft durch die einzelnen Akteursgruppen. Die Bewertungen (1 bis 5, von weniger bis sehr wichtig) spiegeln den Durchschnitt der Bewertungen für jede Aussage innerhalb eines Konzept-Clusters wider. R-Werte geben an, wie ähnlich sich zwei soziale Gruppen sind.
Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es für eine verstärkte Übernahme von Technologien der Präzisionslandwirtschaft in der Praxis wichtig ist, dass Wahrnehmungen der verschiedenen Akteursgruppen auf Konsens und Vertrauen beruhen. Diejenigen, die für den Wandel und neue Technologien in der Landwirtschaft sprechen, wie beispielsweise Technologieanbieter:innen oder Teile der Politik, sind gut beraten, dieses Vertrauen sorgfältig aufzubauen und auf gemeinsame Wahrnehmungen hinzuarbeiten, die unterschiedliche Standpunkte und Perspektiven aller Beteiligten berücksichtigen. Politischen Entscheidungsträger:innen kommt daher eine besondere Rolle als effektive und transparente Vermittler:innen zu und nicht als verdächtige Förder:innen von Innovationen.
* Melf-Hinrich Ehlers, Gruppe Sozioökonomie, Agroscope; Débora M. Moretti, LiveSen, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland; Chad M. Baum, Department of Business Development and Technology, Aarhus Universität, Dänemark; Stefanie Bröring, Lehrstuhl Entrepreneurship und innovative Geschäftsmodelle der Ruhr-Universität Bochum, Deutschland, und Robert Finger, Gruppe Agrarökonomie und -politik der ETH Zürich.
** Moretti, Débora Monteiro, Chad M. Baum, Melf-Hinrich Ehlers, Robert Finger, und Stefanie Bröring. 2023. „Exploring Actors’ Perceptions of the Precision Agriculture Innovation System – A Group Concept Mapping Approach in Germany and Switzerland“. Technological Forecasting and Social Change 189 (April): 122270. https://doi.org/10.1016/j.techfore.2022.122270