Alisa Spiegel, Wolfgang Britz, Utkur Djanibekov, Robert Finger.
Die Modellierung von einzelbetrieblichen Entscheidungen ist zentral zur Evaluierung von Politikmassnahmen sowie zur Modellierung von betrieblichen Cashflows. Die Abbildung von Investitionen und Desinvestitionen spielen dabei eine zentrale Rolle. Zum Beispiel, ob ein Betrieb in neue Technologie oder zusätzliche Kapazitäten investiert oder aus einem Betriebszweig aussteigt.
Die Modellierung dieser Investitionsentscheidungen geschieht oft ohne die Berücksichtigung der Rolle von Risiken. Diese Risiken, zum Beispiel Produktions-, Markt- aber auch Politikrisiken, sind jedoch zentral um beobachtetes Investitions- und Desinvestitionsverhalten zu erklären. Insbesondere der Realoptionsanasatz ist dabei relevant. Dieser erlaubt abzubilden, dass Investitions- oder Desinvestitionsentscheidungen aufgrund hoher Unsicherheit einfach verschoben werden. So können Entscheidungsträger eher darauf warten, mehr über die Zukunft zu erfahren, und daher nicht vom aktuellen status-quo abweichen. So kann ein eigentlich unrentabler Produktionszweig aufrechterhalten werden, weil noch Hoffnung auf bessere Marktbedingungen besteht. Oder eine eigentlich rentable Investition wird erstmal nicht realisiert, da die Betriebsleiterin/der Betriebsleiter kritische Politikentscheidungen abwarten möchte.
Die Implementierung dieses Realoptionsanasatz in stochastische Programmierungsmodelle auf einzelbetrieblicher Ebene ist jedoch bisher sehr begrenzt. Insbesondere bei Skalenerträgen, nicht teilbaren Investitionsmöglichkeiten, mehrstufigen Investitionsentscheidungen von hoher Komplexität und langen Zeithorizonten, scheitern bisher verwendete numerische Methoden der Investitionsanalyse aufgrund expliziter und impliziter Restriktionen.
In einem kürzlich in der Zeitschrift Environmental Modelling & Software erschienenen Paper* haben wir einen neuen Ansatz entwickelt, um diese Lücke zu schliessen und auf landwirtschaftliche Fragestellungen anzuwenden. Basierend auf Monte-Carlo-Simulationen, der Reduzierung von Szenario-Bäumen und stochastischer Programmierung können die ‘Realoptionen’ des Betriebes in diesem Ansatz explizit und effizient bewertet werden. So können Zeitpunkte und Umfang von Investitionen abgebildet werden und die Wechselwirkungen zwischen Kapazitäten (z.B. Fläche, Arbeitszeit) des Betriebes und verschiedenen Investitionsalternativen abgebildet werden. Das dabei entwickelte Modell ist frei verfügbar**
Abbildung 1. Schematische Darstellung des Modellierungsansatzes (Spiegel et al., 2020)
Wir veranschaulichen die Methode mittels einer Fallstudie zur Nutzung von Kurzumtriebsplantagen basierend auf Pappeln in Nordostdeutschland. Der Anbau nachwachsender Rohstoffe zur energetischen Nutzung mittels Kurzumtriebsplantagen die in Ackersysteme integriert werden hat potentiell positive Umweltwirkungen (z.B. bzgl. Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Bodenerosion und Bodenfruchtbarkeit) und wird daher in vielen Ländern gefördert***, ****. Die Pflanzung der Pappeln ist kapital- und arbeitsintensiv. Danach folgt alle 2-5 Jahre eine maschinelle Ernte und die Hackschnitzel werden als Brennstoff verarbeitet. Die Bäume treiben nach der Ernte wieder aus, und die Anlagen werden bis zu 20 Jahren genutzt. Die Energiepreise sind sehr volatil und grade über einen Zeitraum von 20 Jahren schwer prognostizierbar und stellen so eine grosse Risikoquelle dar, die investitionshemmend wirkt.
Abbildung 2: Zwei Jahre alte Pappelplantage. Lignovis GmbH (CC BY-SA 4.0)
Wir analysieren sowohl den optimalen Umfang als auch optimalen Zeitpunkte der Etablierung von Kurzumtriebsplantagen auf einem beispielhaften Ackerbaubetrieb. Obschon einfachere Investitionskriterien wie der Kapitalwert, die hier analysierten Kurzumtriebsplantagen als rentabel bewerten, sind die Resultate unseres Modells nuancierter. Unsere Ergebnisse zeigen, dass unter aktuellen Markt- und Politikbedingungen- der Anreiz zur Investitionen in diese Kurzumtriebsplantagen recht begrenzt ist. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse des Modells darauf hin, dass die Investition eher um einige Jahre verschoben als sofort realisiert wird. Diese Ergebnisse decken sich mit der beobachteten Zurückhaltung von Landwirten gegenüber Kurzumtriebsplantagen. Es braucht weitere Stimuli von Politik und Markt um diese Anbausysteme für Landwirte attraktiv zu machen, diese haben wir in früheren Beiträgen diskutiert***, ****.
Referenzen
*Spiegel, A., Britz, W., Djanibekov, U. Finger, R. (2020). Stochastic-dynamic modelling of farm-level investments under uncertainty. Environmental Modelling and Software 127, 104656 https://doi.org/10.1016/j.envsoft.2020.104656
**Spiegel, A., Britz, W., Finger. R. (2017) A real-option farm-level model on investment in perennial energy crops under risk considerations. doi: 10.3929/ethz-b-000219189 >>
***Spiegel, A., Britz, W., Djanibekov, U., Finger, R. (2018). Policy analysis of perennial energy crop cultivation at the farm level: short rotation coppice (SRC) in Germany. Biomass & Bioenergy 110: 41-56 https://doi.org/10.1016/j.biombioe.2018.01.003
***Agrarpolitik Blog: Effiziente Politikmassnahmen für erneuerbare Energien aus der Landwirtschaft https://agrarpolitik-blog.com/2018/05/11/effiziente-politikmassnahmen-fuer-erneuerbare-energien-aus-der-landwirtschaft/
Alisa Spiegel ist Postdoktorandin an der Wageningen University (NL), Wolfgang Britz ist Privatdozent an der Universität Bonn (D), Utkur Djanibekov ist Postdoktorand im Landcare Research Center – Manaaki Whenua in Auckland (NZL), Robert Finger Professor für Agrarökonomie und -politik an der ETH Zürich.
Für Zugang zu Literatur, senden Sie bitte eine Email an rofinger@ethz.ch