Alisa Spiegel, Wolfgang Britz, Utkur Djanibekov, Robert Finger. Der Ausbau erneuerbarer Energiequellen ist ein politisches Ziel in vielen Europäischen Ländern, zu dem die Landwirtschaft durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe zur energetischen Nutzung einen wichtigen Beitrag leisten kann. Dabei bieten mehrjährige Energiepflanzen wie mehrjährige Gräser (z.B. Miscanthus) aber insbesondere auch Kurzumtriebsplantagen (KUP) grosse Potentiale. Bei Letzteren werden schnellwachsende und ausschlagsfähige Baumarten wie Weiden oder Pappeln gepflanzt und alle 2-5 Jahre maschinell geerntet (siehe Abbildungen) und z.B. als Hackschnitzel zu Brennstoff verarbeitet. Die Bäume treiben nach der Ernte wieder aus, so dass die Anlage bis zu ca. 20 Jahre genutzt werden kann. Dieses mehrjährige Anbausystem kommt mit minimalen Vorleistungen wie Dünger oder Pflanzenschutz aus und bietet in vielerlei Hinsicht Vorteile im Vergleich zu einjährigen Energiepflanzen wie Raps oder Mais, z.B. hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasemissionen, Schutz der Biodiversität, Verringerung der Bodenerosion, Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und eine effizientere Energieerzeugung. Aufgrund dieser Umweltvorteile wird der KUP-Anbau in der EU auch politisch unterstützt.
Abbildung 1: Zwei Jahre alte Pappelplantage. Lignovis GmbH (CC BY-SA 4.0)
Abbildung 2: Ernte einer 4-Jahre alten Weidenplantage. Lignovis GmbH (CC BY-SA 4.0)
Die Anlage einer KUP ist auch für den Landwirt interessant: sie benötigt einen geringen Arbeitszeitbedarf, minimale Vorleistungen, der Erntezeitpunkt kann recht flexibel gestaltet werden und teure Spezialmaschinen werden vom Lohnunternehmer gestellt. Dennoch finden sich derzeit nur 50.000 Hektar KUP in der gesamten EU. Folgende Punkte erklären unter anderem die zögerliche Reaktion der Landwirte: i) die Investitionskosten in die erstmalige Anlage und die Kosten für die spätere Entfernung der alten Bäume sind recht hoch; im Gegensatz z.B. einer Maschineninvestition ist ein Verkauf der KUP an Dritte zum Ausstieg aus der Investition kaum möglich, ii) der Landwirt bindet sich mit 20 Jahren recht langfristig, iii) die zukünftigen Verkaufserlöse der als Brennstoff genutzten Biomasse sind unsicher, sie hängen an den stark volatilen Preisen fossiler Energieträger wie Öl und Gas.
In einem kürzlich in der Zeitschrift Biomass & Bioenergy erschienen Artikel* haben wir untersucht, welche Politikmassnahmen am geeignetsten sind, KUP für Landwirte attraktiver zu machen. Hierzu haben wir ein stochastisch-dynamisches Modell entwickelt**, das die Investitionsentscheidungen eines exemplarischen Ackerbaubetriebs in Deutschland in eine KUP mittels Realoptionen abbildet. Es berücksichtigt die Interaktion zwischen Marktunsicherheiten und der zeitlicher Flexibilität der Anbau- und Ernteentscheidungen. Landwirte verschieben bei grosser Unsicherheit die Anbauentscheidung in die Zukunft, um später nur dann in eine KUP zu investieren, wenn gute Rahmenbedingungen eine positive weitere Entwicklung erwarten lassen. Wir bilden die Investitionsentscheidung in eine KUP in einem gesamtbetrieblichen Ansatz ab, der Konkurrenz um Fläche und Arbeit, aber auch spezifische Politikinstrumente auf Ebene des Betriebes erfasst.
Mittels dieses Modells bewerten wir vier verschiedene Politikmassnahmen mit jeweils unterschiedlichen Intensitäten. Zwei der vier Politikmassnahmen werden bereits heute in der EU umgesetzt. Erstens betrachten wir verschiedene Höhen eines Zuschusses zur Anpflanzung einer KUP, wie dies in einigen Regionen bereits praktiziert wird. Zweitens wird KUP in unterschiedlicher Höhe als ökologische Vorrangfläche im Rahmen des Greenings der Gemeinsamen Agrarpolitik angerechnet. Die dritte und vierte Politikmassnahme sind die Einführung von Mindestpreisen oder fixen Preisen für KUP Biomasse, um das Marktrisiko für den Landwirt zu reduzieren. Zur Bewertung der Massnahmen vergleichen wir folgende Zieldimensionen: i) die erforderlichen staatlichen Ausgaben, ii) die erzeugte erneuerbare Energie und iii) die Auswirkungen auf das Betriebseinkommen.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass jede der simulierten Politikmassnahmen weniger als 2€ Subvention pro GJ induziertem Energieertrag benötigt. Dies ist deutlich weniger als die derzeitigen Kosten der Förderung anderer erneuerbarer Energiequellen. Unsere Resultate zeigen aber auch, dass eine KUP zwar erfolgreich zur Diversifikation landwirtschaftlicher Betriebe beitragen kann, unter aktuellen Markt- und Politikbedingungen aber insgesamt für Landwirte wenig attraktiv bleibt.
Die Effizienz der Politikmassnahmen unterscheidet sich je nach Intensität der einzelnen Massnahmen und betrachteter Zieldimension. Eine höhere Anrechnung der KUP als ökologische Vorrangfläche ist die effizienteste Massnahme, da sie die erneuerbare Energieproduktion ohne zusätzliche staatliche Ausgaben erhöht. Zu diesem Ergebnis scheint auch die Politik gekommen zu sein, da z.B. in Deutschland 2018 der Gewichtungsfaktor für KUP von 0,3 auf 0,5 erhöht wurde (Brache hat als Referenz einen Faktor von 1.0). Da die nötige ökologische Vorrangfläche aber derzeit nur 5% des Ackerlandes beträgt, ist der Effekt auf die zusätzliche Anlage von KUP begrenzt. Im Gegensatz hierzu könnten Zuschüsse zur Anpflanzung einer KUP sowohl die Energieproduktion als auch das landwirtschaftliche Einkommen stärker erhöhen. Das zukünftige Erlösrisiko bleibt aber gleich, so dass sich Landwirte auch weiterhin abwartend verhalten und kein zügiger Ausbau der Fläche erreicht wird. Ein sofortiger Einstieg erfolgt bei staatlich garantierten Biomassepreisen, allerdings ist diese Politikmassnahme pro Einheit Energieertrag sehr teuer. Ähnliches gilt für einen staatlich garantierten Mindestpreis. Die dazu nötigen Eingriffe in den Markt werfen zudem institutionelle Fragen auf und führen zu unbekannten Budgetlasten über die volle Nutzungsdauer der KUP.
Alisa Spiegel ist Postdoktorandin an der Wageningen University (NL), Wolfgang Britz ist Privatdozent an der Universität Bonn (D), Utkur Djanibekov ist Postdoktorand im Landcare Research Center – Manaaki Whenua in Auckland (NZL), Robert Finger Professor für Agrarökonomie und -politik an der ETH Zürich.
* Spiegel, A., Britz, W., Djanibekov, U., Finger, R. (2018). Policy analysis of perennial energy crop cultivation at the farm level: short rotation coppice (SRC) in Germany. Biomass & Bioenergy 110: 41-56 >> (für eine Kopie des Artikels bitte eine E-Mail an Robert Finger rofinger@ethz.ch)
** Das entwickelte Modell ist in der ETH Research Collection frei verfügbar: Spiegel, A., Britz, W., Finger. R. (2017) A real-option farm-level model on investment in perennial energy crops under risk considerations. doi: 10.3929/ethz-b-000219189 >>
Lieber Robert, ich gratuliere zu diesem spannenden Beitrag. Gibt‘s deines Wissens KUP auch in der Schweiz? Wenn ja, wer ist hier führend? Lg Michel
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Lieber Michel, in der Schweiz gibt es wohl eher nur sehr geringe Flächen von KUP oder auch Miscanthus (genaue Zahlen habe ich nicht). Das ist ausserhalb der Zielfunktion der Schweizer Agrarpolitik und wohl auch nicht der komparative Vorteil, diese Art von Kulturen in grossem Masse in der Schweizer Landwirtschaft einzusetzen. Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion haben Priorität und sind rentabler. In anderen europäischen Regionen ist das zum Teil anders. Aber, auf marginalen (für den Ackerbau unwirtschaftlichen) Flächen kann das eventuell auch in der Schweiz interessant sein. Unter anderem beschäftigt sich Victor Ansbach mit dem Thema (http://www.ibanspach.ch/kurzumtriebsplantagen.php)
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