Die Strukturfrage

Robert Huber. Hinter vielen agrarpolitischen Diskussionen steckt im Kern die Frage, wie schnell der Strukturwandel in der Schweizer Landwirtschaft verlaufen soll. Die ambivalenten Auswirkungen eines schnelleren Strukturwandels führen dazu, dass sich die agrarpolitischen Akteure dazu lieber nicht äussern.

Letzte Woche konnte die Interessengesellschaft Agrarstandort Schweiz (IGAS) ihr Anliegen für ein Freihandelsabkommen mit der EU (FHAL) in der NZZaS prominent positionieren. Der Artikel ärgerte den Schweizerischen Bauernverband und löste auch bei eher liberalen Kommentatoren Unverständnis aus. Diesen Sonntag nun publizierte die NZZaS einen kurzen Artikel zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Die Bauern würden die Anhebung der zum Bezug von Direktzahlungen notwendigen Arbeitsbedarfs von 0.25 auf 0.4 SAK nicht mittragen, weil dadurch 4000 Betriebe ihre Existenzgrundlage verlieren würden.

Auf den ersten Blick haben die beiden Artikel nicht viel miteinander zu tun. Aus einer agrarökonomischen Perspektive liegt aber beiden Problemen die gleiche Frage zu Grunde: wie schnell (oder langsam) darf der landwirtschaftliche Strukturwandel in der Schweiz sein?

Die IGAS verschweigt nämlich, dass mit dem Abschluss eines FHAL der Landwirtschaft ein erheblicher Strukturwandel einhergeht. Dabei dürfte nicht primär die Entwicklung der Zahl der Betriebe, sondern diejenige der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte entscheidend sein. Ob der Strukturwandel nämlich über Betriebsaufgaben, vermehrte Zusammenarbeit oder einem Anstieg der Nebenerwerbslandwirtschaft erfolgt, ist aus einer sektoralen Perspektive nebensächlich. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass ein sinkender sektoraler Produktionswert einen entsprechenden Rückgang der Arbeitskräfte bedingt, wenn die Einkommen der Landwirte im Durchschnitt gehalten werden sollen. Die gewünschten Produktivitätsfortschritte fallen nämlich erst über die Zeit an, weil die getätigten Investitionen die Anpassungsfähigkeit der Landwirte bremsen.

Auf der anderen Seite trägt das Verharren in den bestehenden Strukturen massgeblich dazu bei, dass die Produktionskosten in der Schweiz hoch sind (z.B. im Vergleich zu Österreich). Viele Betriebe würden gerne mehr Flächen bewirtschaften, um die betrieblichen Fixkosten besser auslasten zu können und damit die hohen Produktionskosten zu senken. Ohne Strukturwandel ist das kaum möglich. Die Anhebung der SAK-Grenze würde den Druck auf Klein- und Nebenerwerbsbetriebe massiv erhöhen und wohl dazu führen, dass mehr Flächen für wachstumswillige Betriebe zur Verfügung stehen. Ohne Wachstum wird sich die Einkommenssituation der Landwirtschaft weiter verschärfen. Dabei ist nicht einmal die eigentliche Betriebszahl ausschlaggebend für die die Konkurrenzfähigkeit des Agrarsektors, sondern vielmehr die Entwicklung der Betriebsgrössenstruktur mit dem Flächen- und Produktionsanteil grosser Betriebe.

Der Strukturwandel ist ein zentrales Element eines erfolgreichen Agrarsektors, hat jedoch unterschiedliche ökonomische und soziale Auswirkungen. Ein schnellerer Strukturwandel würde die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, insbesondere auch der produktionsorientierten Vollerwerbsbetriebe, erhöhen. Die Bauern verschweigen in diesem Zusammenhang gerne, dass ein Rückgang der Betriebe eigentlich im Interesse derer liegt, die den grösseren Teil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft erzielen. Die Kehrseite eines schnelleren Strukturwandels wäre ein erhöhter sozialer Druck auf kleine Bauern und damit verbunden eine partielle Wertvernichtung von bereits getätigten Investitionen.

Aus einer agrarökonomischen Perspektive ist jedoch klar, dass der Strukturwandel auch nach einer gezielten Strukturbereinigung weitergehen würde. Vielleicht fällt es daher den Akteuren der Agrarpolitik so schwer ihre Position zur Strukturfrage zum Ausdruck zu bringen.

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