David Wuepper und Robert Finger*
Die Identifikation kausaler Zusammenhänge ist ein Kernelement agrarpolitischer Analysen. So ist es zentral, festzustellen ob und welchen Effekt eine Politikmassnahme hat. Der direkteste Weg kausale Effekte zu quantifizieren ist meist ein Experiment, bei dem zum Beispiel ein zufällig ausgewählter Teil von Landwirten eine Politikmassnahme (Z.B. eine bestimmte Direktzahlung) erfährt und der andere Teil als Kontrollgruppe zeigt was ohne die Massnahme gewesen wäre. Oft fokussieren agrarpolitische Analysen jedoch auf ex-post Studien, das heisst nachdem eine Massnahme umgesetzt wurde. Dabei ist es zentral, dass Korrelation und Kausalität zwischen Variablen nicht das Gleiche sind. Kausalität bedeutet, dass die eine Variable die andere Variable beeinflusst, aber nicht andersherum und es auch keine dritten Variablen gibt, die eine Verbindung herstellen. Für Politikempfehlungen ist dieser Unterschied zentral.
In einer in der European Review of Agricultural Economics veröffentlichten Übersichtsarbeit (Wuepper und Finger 2023) präsentieren und diskutieren wir die Methode Regressionsdiskontinuitätsdesign (engl. Regression Discontinuity Design, Kurz RDD) und zeigen Beispiele für deren Anwendung in der Agrar- und Umweltökonomie und Politikanalyse auf. Die Methode erlaubt es, auch ohne Experiment, kausale Effekte zu quantifizieren. Grundlage für diese Methode sind „natürliche Experimente“, also Situationen, in denen die Daten Ähnlichkeit mit experimentellen Daten haben, aber natürlich auftreten, und nicht weil Forscher das explizit so hergestellt haben.
Die grundlegende Idee der Methode ist, dass es oftmals eine kontinuierliche Variable gibt mit einem Schwellenwert, der beeinflusst wer – wie in einem Experiment – in die Behandlungs- oder Kontrollgruppe sortiert wird. Wenn der Schwellenwert nicht mit Störfaktoren korreliert, dann kann man ökonometrisch Sprünge in Zielvariablen auf die Behandlung zurückführen. Ein Beispiel für solch eine kontinuierliche Variable kann Betriebsgrösse sein, und der Schwellenwert kann eine Politik sein, die nur Betriebe über einer gewissen Grösse reguliert, und nicht darunter. Beschränken wir unsere Analyse auf Betriebe in der Nähe der Schwelle, so sind diese Betriebe schon besser vergleichbar, als hätten wir grössere Unterschiede in der Betriebsgrösse in unserem Sample. Finden wir nun, dass es einen klaren Sprung in den Betriebsentscheidungen, dem Einkommen, oder Nachhaltigkeitsindikatoren genau am Schwellenwert gibt, an dem die Politik greift, so kann man dies ökonometrisch auf die Politik zurückführen. Dazu müssen allerdings noch weitere Annahmen gültig sein, und wir diskutieren, wie man diese testen kann. Zum Beispiel, darf am Schwellenwert unseres Beispiels nur die Politik an- und abgeschaltet werden. Wenn alternative Erklärungen für unsere Zielvariable ebenfalls an- und abgeschaltet werden (wenn z.B. sich Subventionen genau an dieser Schwelle unterscheiden, oder Versicherungen die gleiche Schwelle benutzen, um ihre Versicherungsprämie zu entscheiden), so können wir wiederum den kausalen Effekt der Politik nicht identifizieren.
Ein illustratives Beispiel für die Anwendung des Regressionsdiskontinuitätsdesigns ist die Studie von Wuepper et al. (2020). Dort wurde untersucht, wie wichtig Länder (und ihre Institutionen, Politiken etc.) für die globale Rate der Bodenerosion sind. Das Problem ist, dass sich Länder zwar klar bei ihrer Bodenerosion unterscheiden (Korrelation), aber neben einem direkten Effekt (Kausalität) auch noch viele andere Unterschiede zwischen Ländern bestehen (Niederschlag, Bodentypen, Temperatur, Topografie). Um also quantifizieren zu können, wie sehr die Länder direkt ihre Bodenerosion beeinflussen, benutzen Wuepper, et al. (2020) eine Regressionsdiskontinuitätsanalyse für die sie sich bei allen Ländern auf der Welt nur auf Gebiete in der Nähe von Ländergrenzen konzentrieren und statistisch untersuchen, ob es genau an den Ländergrenzen abrupte Sprünge in der Bodenerosion gibt, die man nicht mit Temperatur, Regen, Bodentypen, oder Topografie erklären kann, sondern nur damit, dass eine Seite in einem land liegt und die andere Seite in einem anderen Land. Abbildung 1 zeigt das Beispiel von Haiti und der Dominikanischen Republik. Die Abbildung auf der linken Seite zeigt, wie die Bodenerosion generell nahe der Grenze ähnlicher ist als weiter weg (aufgrund natürlicher Faktoren) und es zusätzlich einen markanten Sprung an der Grenze gibt (der „Länder-Effekt“). Die rechte Seite der Abbildung zeigt eine Modellierung der natürlichen Bodenerosion. Diese ist generell viel niedriger und zeigt keinen Sprung an der Grenze. Dies wurde für alle Ländergrenzen gemacht und so quantifiziert, wie sehr Länder generell die globale Bodenerosion beeinflussen.

Abb. 1. Bodenerosion auf der Insel Hispaniola. Quelle: Wuepper, et al. (2020)
Andere Beispiele für die Anwendung eines Regressionsdiskontinuitätsdesign sind Politiken, die nur bis zu einer klaren Grenze Implementiert wurden, und somit Sprünge genau an dieser Grenze anzeigen, welchen Effekt die Politik hatte (Asher and Novosad, 2020, Jones et al., 2022, Pan et al., 2018). Ein anderes Beispiel ist die historische Teilung Deutschlands in Ost und West, was zu permanent anderen landwirtschaftlichen Strukturen geführt hat. An der historischen Grenze kann man nun den Effekt von bäuerlicher (im Westen) und nicht-bäuerlicher Landwirtschaft (im Osten) auf landwirtschaftliche Praktiken und Biodiversität quantifizieren. So analysieren Noack et al. (2021), wie Biodiversität (Vogelpopulationen) an der ehemaligen innerdeutschen Grenze springen, und Wuepper et al. (2020b) nutzen diese Grenze, um zu analysieren ob und wie Familienbetriebe nachhaltiger produzieren. Wuepper et al. (2020b) finden, dass sich die beiden Seiten der Grenze nicht klar in der Nachhaltigkeit ihrer Praktiken unterscheiden, aber Noack et al. (2021) finden, dass die grossen strukturellen Unterschiede der beiden Seiten zu einer deutlich höheren Vogeldiversität auf der kleinstrukturierteren westlichen Seite führt (siehe Abbildung 2).

Abb. 2. Vogeldiversität an der historischen innerdeutschen Grenze. Quelle: Noack et al. (2021)
Unsere Übersichtsarbeit zeigt zum einen viele verschiedene Anwendungen von Regressionsdiskontinuitätsanalysen auf, diskutiert aber auch empirische Herausforderungen und gibt Empfehlungen, um Anwendungen verlässlich zu machen. Ob nämlich eine Analyse verlässlich ist oder nicht, hängt nicht nur von der gewählten Methode ob, sondern vor allem davon ob alle getroffen Annahmen valide sind oder nicht. Zum Beispiel ist es zentral, wie nah man die Analyse auf die ‚Grenzregion‘ beschränkt. Wählt man die Distanz zu klein, sind möglicherwiese vorhandene Effekte oft nicht statistisch signifikant nachweisbar (zu wenige Beobachtungen); ist die Distanz zu gross sind zwar viele Beobachtungen in der Analyse, aber viele andere Faktoren für Unterscheide zwischen Betrieben verantwortlich. Dies kann das Ergebnis stark verfälscht sein. Es gilt also eine ‚optimale‘ Distanz zu berechnen und zu nutzen.
Wir stellen auch die verschiedenen Arten und Weiterentwicklungen von Regressionsdiskontinuitätsanalysen mit grosser Relevanz für agrarpolitische Analysen vor. Besonders relevant ist dabei die Differenz-in-Diskontinuitäten-Analyse (Differences in Discontinuities). Diese nutzt aus, dass es viele Beobachtungen über einen längeren Zeitraum (Paneldaten) gibt und analysiert, wie sich eine Diskontinuität z.B. durch einen Politikeingriff verändert. Ein gutes Anwendungsbeispiel ist die Studie von Garg and Shenoy (2021). In Indien wurden ein neuer Bundesstaat gegründet und mit vielen Förderprogrammen bedacht, die nachhaltiges Wirtschaftswachstum bewirken sollten. Die Analysen von Garg and Shenoy (2021) zeigen der Tat, dass es bis zur neuen Grenzziehung die jährliche Veränderung von nächtlicher Beleuchtung (ein guter Proxy für wirtschaftliche Entwicklung) auf beiden Seiten der neuen Grenze parallel anwuchs , aber nach Ziehung der Grenze, die Seite mit den neuen Politiken deutlich schnelleres Wachstum zeigte (linke Seite von Abbildung 3). Dies hatte keine Implikationen für Abholzung: die örtlichen Wälder wurden trotz der wirtschaftlichen Veränderungen nicht beeinflusst (rechte Seite von Abbildung 3).

Abb. 3. Ortsbezogene Politik, Wirtschaftswachstum und die Umwelt. Quelle: Garg and Shenoy (2021)
Die Studien von Wuepper, et al. (2020) und Garg and Shenoy (2021) sind auch gleich gute Beispiele für neue Datenquellen die Ökonomen vermehrt für ihre Analysen benutzen, wie zum Beispiel per Satellit gemessene nächtliche Beleuchtung, oder Landnutzung, oder auch mit maschinellen Lernen identifizierte Baumbedeckung, oder global modellierte Bodenerosion. Als grosses Potential für zukünftige Entwicklungen sehen wir die vermehrte Benutzung solcher neuer Datenquellen, sowie das Ausnutzen noch unentdeckter „natürlichen Experimente“ in bekannten Daten, wie zum Beispiel den Zensusdaten oder Buchhaltungsdaten. Die wichtigste Voraussetzung ist die Existenz eines klaren Grenzwertes, der entscheidet, wer z.B. von einer Politik betroffen wird und wer nicht. Häufig können Regressionsdiskontinuitätsanalysen dann besonders transparent und verlässlich kausale Effekte identifizieren, wo andere Methoden nur Korrelationen aufzeigen können.
Literatur
Asher, Sam and Paul Novosad. 2020. „Rural Roads and Local Economic Development.“ American Economic Review, 110(3), 797-823.
Garg, Teevrat and Ajay Shenoy. 2021. „The Ecological Impact of Place-Based Economic Policies.“ American Journal of Agricultural Economics, 103(4), 1239-50.
Jones, Maria; Florence Kondylis; John Loeser and Jeremy Magruder. 2022. „Factor Market Failures and the Adoption of Irrigation in Rwanda.“ American Economic Review, 112(7), 2316-52.
Noack, Frederik; Ashley Larsen; Johannes Kamp and Christian Levers. 2021. „A Bird’s Eye View of Farm Size and Biodiversity: The Ecological Legacy of the Iron Curtain.“ American Journal of Agricultural Economics.
Pan, Yao; Stephen C Smith and Munshi Sulaiman. 2018. „Agricultural Extension and Technology Adoption for Food Security: Evidence from Uganda.“ American Journal of Agricultural Economics, 100(4), 1012-31.
Wuepper, David; Pasquale Borrelli and Robert Finger. 2020. „Countries and the Global Rate of Soil Erosion.“ Nature Sustainability, 3(1), 51-55.
Wuepper, David, Finger, Robert. 2023. Regression Discontinuity Designs in Agricultural and Environmental Economics. European Review of Agiricultural Economics. Link zur Studie (Open Access): https://academic.oup.com/erae/article/50/1/1/6749527
David Wuepper1,2 und Robert Finger2, 1) Quantitative Agrarökonomie, Humboldt Universität Berlin, 2) Agrarökonomie und –politik Gruppe, ETH Zürich