von Karin Ingold*. Wie können wir eine erfolgreiche nachhaltige Transformation in Bereichen mit gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Zielkonflikten erreichen? Diese Frage stellt sich nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweizer Landwirtschaft und ihrer respektiven Regulierung. Und um sie zu beantworten, versucht das TRAPEGO-Projekt (Transformation in Pestizid Governance), verschiedene Aspekte der landwirtschaftlichen Produktion, unterschiedliche Ansprüche an die Lebensmittelproduktion, aber auch gesundheitliche und ökologische Faktoren einzubeziehen.
Worum geht es?
Wir untersuchen die Rolle verschiedener Arten von Evidenz auf die Einstellung von Akteuren die alle in der Schweizer Landwirtschaft involviert sind und sich mit Pestizideinsatz, oder dessen Regulierung auseinandersetzten. Dies sind zum Beispiel Vertreter:innen aus der Landwirtschaft, der Verwaltung und Politik, oder auch der Industrie und Zivilgesellschaft.
In unserer Forschung folgen wir konkret also der Grundannahme, dass gezielte Informationen über Pestizidexposition und -risiken, über alternative landwirtschaftliche Praktiken und über angemessene politische Strategien einen Einfluss auf die Einstellung dieser Akteure zum Pestizideinsatz und zu dessen Regulierung haben.
Verschiedene Arten von Information können einen nachhaltigen Wandel bewirken. Frühere Forschung zeigt, dass Informationen und Evidenz in der Tat die Einstellung und Präferenzen der Menschen zu einem Problem beeinflussen können (Knapp et al. 2021; Wuepper et al. 2021). Dies hängt aber von der Art, Qualität und vom Zeitpunkt der Information ab, von der Dringlichkeit des Handlungsbedarfs, oder auch der Betroffenheit der Menschen (Glaus et al. 2020; Herzog und Ingold 2019).
In der Pflanzenschutz-bezogenen Forschung gibt es keine systematische Bestandsaufnahme von Evidenzquellen und -wegen und keine empirische Prüfung, welche Art von Evidenz die Präferenzen von Akteuren aus der Politik, der Landwirtschaft, aber auch von Konsument:innen oder der Zivilbevölkerung beeinflussen.
Forschung im Projekt
Um das Potenzial für eine nachhaltige Transformation, für alternative Politiken und Praktiken in der Schweizer Landwirtschaft zu bewerten, führen wir inter- und transdisziplinäre Forschung in fünf verschiedenen Arbeitspakete durch und integrieren Fachwissen aus den Bereichen Umweltwissenschaften und Chemie, Agrarökonomie, Gesundheitswissenschaften, Entscheidungsanalyse sowie Sozial- und Politikwissenschaften (siehe auch Möhring et al. 2020).
Zunächst identifizieren wir systematisch verschiedene Quellen und Arten von Evidenz (aus den Natur-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften sowie der Ökonomie; über landwirtschaftliche Praktiken, spezifische Pflanzenschutzmittel und Politiken) und wie diese in der Vergangenheit (un)erfolgreich in verschiedene Arenen (Wissenschaft, Medien, Landwirtschaft und Politik) gelangt sind. Wir kontrollieren auch andere Kontextfaktoren und externe Ereignisse, die den Wandel in der Art und Weise, wie Pflanzenschutzmittel eingesetzt und reguliert wurden, beeinflusst haben könnten.
Parallel dazu wird eine Gesundheitsstudie in Kohorten von landwirtschaftlichen und nicht landwirtschaftlichen Familien durchgeführt. Dabei werden die Höhe der Pestizidbelastung und die damit verbundenen gesundheitlichen Auswirkungen untersucht.
Aus den systematischen Erkenntnissen und neuen Daten, die so gewonnen werden, werden verschiedene Informationsaufbereitungen (Human- und Ökotoxikologie ausgewählter Substanzen; Effektivität ausgewählter landwirtschaftlicher Praktiken und Politiken) entworfen und verschiedenen ausgewählten Stakeholdergruppen und Befragungspartner:innen zur Verfügung gestellt: landwirtschaftliche Betriebsleiter, die politische Elite und ausgewählte Stakeholder entlang der landwirtschaftlichen Produktions- und Lebensmittelwertschöpfungsketten werden befragt. Zum Beispiel wird untersucht, welche Informationen und Informationsquellen für Landwirte wichtig sind, um Produktionsmethoden mit geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz einzusetzen.
Was ist unser Ziel?
Mit diesem Projekt zielen wir darauf ab, verschiedene Wege zu einer nachhaltigen Transformation in der Schweizer Landwirtschaft aufzuzeigen. Dies wird durch drei konkrete Forschungsziele erreicht:
- Gezielte Evidenz:
Evidenzpfade (von den Medien in die Politik, oder von der Wissenschaft in die Verwaltung, um zwei Beispiele zu nennen) werden anhand einer systematischen und gross angelegten Textanalyse über die letzten 50 Jahre oder mehr analysiert und aufgezeigt. Dabei können wir feststellen, welche Rolle wissenschaftliche Erkenntnisse sowohl in der grossen Öffentlichkeit, aber auch in der Politik spielen, und welche Art von Evidenz Entscheidungsträger oder die Bevölkerung vermögen zu beeinflussen. - Reduzierung der sektoralen Trade-offs:
Wir erarbeiten anhand von einer systematischen Literaturrecherche, durch den Austausch mit unserer Begleitgruppe, sowie in gezielten Workshops mit Stakeholder ein Inventar an landwirtschaftlichen Praktiken und politischen Massnahmen welche Kompromisspotential haben im Zusammenhang mit Pestizidrisiken und deren Reduktion. - Bewertung des Innovationspotenzials:
Wir erarbeiten das Potenzial für risikominimierte Pestizideinsatzstrategien in der zukünftigen Schweizer Landwirtschaft und unter verschiedenen Szenarien.
Hintergrund und Team
TRAPEGO ist ein vom Schweizerischen Nationalfonds gefördertes Sinergia-Projekt mit einer Laufzeit von vier Jahren (2021-2025). Es befasst sich mit der nachhaltigen Transformation der Schweizer Landwirtschaft in Bezug auf den Einsatz von Pestiziden, und deren Einfluss auf landwirtschaftliche Produktivität, auf die menschliche und ökologische Gesundheit.
Um diesen facettenreichen Aspekten des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft Rechnung zu tragen sind verschiedene Forschungsgruppen der Universität Bern (PI: Karin Ingold), der ETH Zürich (PI: Robert Finger), der Eawag (PIs: Rik Eggen, Christian Stamm, Sabine Hoffmann, Judit Lienert), des Swiss TPH (PIs: Nicole Probst, Mirko Winkler) und des FIBL (PI: Lucius Tamm) an diesem Projekt beteiligt. In diesen Gruppen arbeiten auch insgesamt 5 PostDocs und 3 Doktorandinnen und Doktoranden auf dem Trapego Projekt.
Weitere Informationen sind auf der Projektwebseite erhältlich: https://trapego.ch/de/
*Karin Ingold ist Principle Investigator des Trapego Projektes und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.
Referenzen
Glaus, A.; Mosimann, M.; Röthlisberger, V.; Ingold, K. (2020). How flood risks shape policies: flood exposure and risk perception in Swiss municipalities. Regional Environmental Change, 20(4), 120 (17p.). DOI: 10.1007/s10113-020-01705-7.
Herzog, L. M.; Ingold, K. (2019). Threat to Common-Pool Resources and the Importance of Forums: On the Emergence of Cooperation in CPR Problem Settings. Policy Studies Journal, online. DOI: 10.1111/psj.12308.
Knapp, L., Wuepper, D., Finger, R. (2021). Risk Preferences, Personality, and Aspirations: Empirical Evidence from Swiss Fruit growers. Agricultural Economics. In Press https://doi.org/10.1111/agec.12669
Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., Studer, B., Walter, A., Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature Food 1, 535–540. https://doi.org/10.1038/s43016-020-00141-4
Wuepper, D., Roleff, N., & Finger, R. (2021). Does it matter who advises farmers? Pest management choices with public and private extension. Food Policy, 101995 https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2020.101995