Von Robert Huber, Astrid Zabel, Mirjam Schleiffer, Willemijn Vroege, Julia Brändle und Robert Finger*. Vernetzungsprojekte sind ein wichtiges Instrument zur Förderung von Biodiversität in der Schweiz. Die projektbezogene Ausgestaltung der Vernetzung wirkt dabei der Tendenz entgegen, nur landwirtschaftlich marginale Flächen für das Programm anzumelden.
Vernetzungsprojekte sind ein zentrales Element der Förderung von Biodiversität in der Schweizer Landwirtschaft. Diese fördern explizit Flora und Fauna, welche von räumlich zusammenhängenden naturnahen Flächen abhängen. Die Projektorientierung soll es ermöglichen, den regionalen Ansprüchen von verschiedene Ziel- und Leitarten in der Schweiz gerecht zu werden.
Die Lage einer Parzelle im Raum spielt in Vernetzungsprojekten aus zwei Gründen eine wichtige Rolle. Einerseits legt die Trägerschaft des Projekts durch die Definition des Perimeters und der teilnahmeberechtigten Parzellen fest, wo im Raum eine Vernetzung von Biodiversitätsförderflächen sinnvoll ist (Biodiversitätspotential). Andererseits beeinflusst die Lage einer Parzelle, z.B. durch ihre Entfernung zum Betrieb oder ihre Neigung, auch die Entscheidung der Bäuerin oder des Bauern, ob er oder sie die entsprechende Parzelle für das Projekt anmeldet oder nicht (aufgrund der Opportunitätskosten der Bewirtschaftung).
In einem neu erschienenen Artikel im Journal «Ecological Economics»** haben wir uns deshalb mit der Frage befasst, wie die Anmeldung einer bestimmten Parzelle in einem Vernetzungsprojekt und die räumlichen Eigenschaften dieser Parzelle zusammenhängen. Wir haben dabei auch betriebliche Faktoren wie Betriebsgrösse und Intensität sowie die Umwelteinstellung der Betriebsleiter berücksichtigt.
Wir analysierten dazu landwirtschaftliche Strukturdaten aus dem Saas- und Mattertal im Kanton Wallis. Wir durften die räumlich expliziten Informationen aus den AGIS Daten des Kantons nutzen (insgesamt fast 45’000 Parzellen) und ergänzten diese mit zusätzlichen Informationen aus einer Befragung von Landwirtinnen und Landwirten und den detaillierten Informationen zum Ökovernetzungsprojekt in der Region Grächen, Randa, St. Niklaus, Täsch und Zermatt.
Diese Daten analysierten wir in vier statistischen Modellen. Im ersten Modell (Modell A in der Abbildung) erklärten wir die Teilnahme einer Parzelle am Vernetzungsprojekt mit den unterschiedlichen Parzelleneigenschaften (Grösse der Parzelle, die Distanz zum Betrieb, Steilheit, sowie der Nähe zu anderen BFF Parzellen) und den dazugehörigen betrieblichen Variablen (Betriebsgrösse und Intensität, d.h. Grossvieheinheit pro Hektar). Dieses Modell diente als Ausgangslage. Es nimmt an, dass theoretisch jede Parzelle für das Vernetzungsprojekt angemeldet werden könnte. Das ist in der Realität zwar nicht so, diente uns aber als sogenannte «kontrafaktische» Position, aus der wir annähern können, welchen Effekt die Ausarbeitung des Projekts durch die Trägerschaft auf die Anmeldung von Parzellen mit unterschiedlichen räumlichen Eigenschaften hatte.
Wir erweiterten dieses Modell, indem wir die Zugehörigkeit zu einem Vernetzungsprojekt als zusätzliche Variable einbauten (Modell B). In der dritten Spezifikation (Modell C) ergänzten wir diese Daten mit Informationen aus einer Befragung der Landwirtinnen und Landwirte über ihre Umwelteinstellung. Da nicht alle bei der Befragung mitmachten, konnten wir nur einen Teil der verfügbaren Informationen nutzen. Im letzten statistischen Modell D, nutzten wir die Information über die tatsächlich wählbaren Parzellen im Vernetzungsprojekt Grächen, Randa, St. Niklaus, Täsch und Zermatt.
Die Ergebnisse unserer Analyse lassen sich wie folgt zusammenfassen.
1) Die räumliche Nähe zu anderen BFF hat in allen Modellen einen hohen Erklärungsgrad. Das impliziert, dass auch tatsächlich eine Vernetzung der naturnahen Flächen in den beiden Tälern stattfand.
2) Die Parzelleneigenschaften Betrieb-Feld Distanz und Hangneigung haben, unabhängig von der Spezifikation des statistischen Modells, einen signifikanten positiven Einfluss auf die Teilnahme am Vernetzungsprojekt. Das bedeutet, dass weiter entfernte und steilere Parzellen mit höherer Wahrscheinlichkeit für Vernetzungsprojekte angemeldet werden. Dieser Zusammenhang kann gut mit den Opportunitätskosten der Bewirtschaftung begründet werden. Marginale Flächen mit höheren Bewirtschaftungskosten – weil sie weit weg vom Betrieb oder in steilerem Gelände liegen – werden eher extensiviert und auch für die Vernetzung angemeldet.

3) Die betrieblichen Eigenschaften beeinflussen die Anmeldung einer Parzelle auf unterschiedlicher Weise. Parzellen, welche zu grösseren Betrieben gehören werden eher für Vernetzungsprojekte angemeldet. Hier spielt die limitierte Flächenverfügbarkeit auf kleineren Betrieben eine wichtige Rolle. Für die betriebliche Intensität hingegen sehen wir ein differenziertes Bild. Während in unserem kontrafaktischen Modell (A), die Intensität noch signifikant negativ mit der Teilnahme zusammenhängt, geht dieser Zusammenhang im Modell D verloren. Das ist daran ersichtlich, dass der grüne Balken nicht mehr unter der Nulllinie liegt, sondern diese kreuzt. Das heisst, das Modell A besagt, dass intensivere Betriebe weniger Flächen anmelden als Betriebe mit weniger Grossvieheinheiten pro Hektar. Da wir diesen Effekt aber im Modell D nicht mehr sehen, heisst das, dass durch das Vernetzungsprojekt auch Parzellen, die zu intensiv wirtschaftenden Betrieben gehören, mit höherer Wahrscheinlichkeit extensiviert wurden. Das kann dahingehend interpretiert werden, dass durch die Entwicklung des Ökovernetzungsprojekts das Gewicht der Biodiversität bei der Ausscheidung von Parzellen zugenommen hat.
4) Wir haben keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einstellung der Landwirte zu Umweltthemen und der Teilnahme am Vernetzungsprojekt gefunden. Das liesse sich positiv interpretieren: Auch Landwirte ohne eine klare Präferenz für Umweltanliegen machen bei Vernetzungsprojekten mit. Allerdings muss dieses Ergebnis mit grosser Vorsicht interpretiert werden. Erstens ist der Zusammenhang nur knapp nicht signifikant – der Balken für «Umweltbewusstsein Betriebsleiter» liegt nur knapp über der Nulllinie. Zweitens ist hier zu beachten, dass wir nur einen Teil der Daten nutzen, weil nicht sämtliche Bäuerinnen und Bauern bei der Befragung mitmachten.
Der Bund hat 2018 das Instrument der Vernetzung evaluieren lassen. Die qualitative Studie kam zum Schluss, dass das Instrument den Kantonen und Trägerschaften viel Spielraum biete und zu wenig zielführend wirke. In unserer quantitativen Analyse sehen wir, dass die Bildung einer Trägerschaft und die Definition des Projektperimeters mit bestimmten Zielarten im Ökovernetzungsprojekt Grächen, Randa, St. Niklaus, Täsch und Zermatt einen statistisch nachweisbaren Effekt auf die Teilnahme im Vernetzungsprojekt hatte. Dies zeigt, dass Vernetzungsprojekte erfolgreich umgesetzt und die Biodiversität nachhaltig gestärkt werden können. Auch wenn die Landwirte bevorzugt Parzellen mit tiefen Opportunitätskosten ausscheiden, so kann das Gewicht der Biodiversität in der Vernetzung über die Projektierung des Perimeters und der wählbaren Parzellen erhöht werden. Die partizipative Planung sollte daher auch in Zukunft erhalten bleiben.
Wie sich die konkrete Umsetzung nicht nur auf die Teilnahme, sondern auch effektiv auf die Förderung der Biodiversität ausgewirkt hat, wäre ein wichtiger nächster Schritt in der quantitativen Analyse von Vernetzungsprojekten. Eine solche Analyse sollte die Faktoren der Teilnahme und die effektiven Auswirkungen auf die Biodiversität über verschiedene Vernetzungsprojekte hinweg zusammenführen.
*Robert Huber und Robert Finger arbeiten in der Gruppe Agrarökonomie und Agrarpolitik der ETH Zürich (AECP).
Astrid Zabel arbeitet am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern. https://www.cde.unibe.ch/about_us/personen/dr_zabel_astrid/index_eng.html
Mirjam Schleiffer arbeitete als wissenschaftliche Assistentin in der Gruppe AECP und ist jetzt am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL angestellt: https://www.fibl.org/de/ueber-uns/mitarbeiter/schleiffer-mirjam.html
Willemijn Vroege doktorierte in der AECP Gruppe und arbeitet jetzt als Agrarexpertin bei der AXA XL.
Julia Brändle, aus deren Arbeit die Daten stammten, die in dieser Analyse verwendet wurden, schloss ihre Dissertation in der Gruppe PLUS der ETH ab. https://plus.ethz.ch/de/
** Der Artikel ist frei zugänglich unter: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800921001221