Robert Finger. Klimaänderungen haben Auswirkungen auf die Landwirtschaft, auch in der Schweiz. Es wird erwartet, dass Klimawandel im Durchschnitt zu steigenden Temperaturen und geringeren Niederschlägen im Sommer führt (siehe CH 2018 Szenarien). Wichtig für die Landwirtschaft ist aber insbesondere, dass dabei klimatische Extremereignisse tendenziell zunehmen. Dürren und Extremniederschläge werden wahrscheinlicher und heftiger (z.B. Grillakis, 2019, Trnka et al., 2014). Die Anzahl extremer Hitzetage im Sommer, aber auch die Zahl der Spätfröste während der Obst- und Weinblüte wird zunehmen (z.B. Trnka et al., 2014, Vitasse et al., 2018).
Der Klimawandel hat auch indirekte Effekte: zum Beispiel prognostizieren Forscher einen steigenden Schaderreger-Druck (Deutsch et al., 2018). All diese Effekte können Auswirkungen auf Quantität und Qualität pflanzlicher, aber auch tierischer Produktion haben (z.B. Challinor et al., 2014, Soussana & Lüscher, 2007, Thornton et al., 2009, Finger et al., 2018). Grössere Schwankungen in Produktionsmengen (Trnka et al., 2014, Webber et al., 2018, Torriani et al. 2007) können zudem auf Märkte durchschlagen und zu grösseren Preisrisiken führen.
Es gibt jedoch nicht nur negative Aspekte. Längere Vegetationsperioden ermöglichen eine intensivere Nutzung von Dauergrünland und trockenere Sommer reduzieren den Pilzdruck. Weil es wärmer wird, wird der einheimische Anbau von Kulturen wie Soja attraktiver. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft sind sehr verschieden geartet, stark abhängig von Aktivität, Kultur, Region und der Zeitperiode, die betrachtet wird (z.B. Wheeler & von Braun, 2013, Webber et al., 2018).
Die Anpassungspotenziale in der Landwirtschaft sind gross (z.B. Smit & Skinner, 2002). Zum Beispiel treiben Staat und Industrie Entwicklungen in Zucht und an Technologie voran. Sie schaffen – auch zusammen mit Hochschulen und Forschungsinstituten – Infrastrukturen für Wetter- und Klimainformationssysteme und Wassernutzung. Zudem lancieren sie neue Bildungs- und Beratungsangebote.
Auf Seiten der landwirtschaftlichen Betriebe bestehen vielfältige Möglichkeiten, sich anzupassen und so negative Auswirkungen abzufedern oder sogar von ändernden Klimabedingungen zu profitieren. Landwirte können Risiken vermieden: Sie können andere Kulturen oder Sorten wählen. Und agronomische Massnahmen treffen, wie die Anpassung von Saatzeitpunkten oder der Bodenbearbeitung (z.B. Klein et al. 2014, Lehmann et al., 2013a). Für gewisse Kulturen wie Kartoffeln wird zudem die Bewässerung immer relevanter, insbesondere um mit steigenden Dürrerisiken umzugehen (Lehmann & Finger 2013).
Abbildung 1: Die Diversität Schweizer Betriebe stellt ein wichtiges Anpassungspotenzial an den Klimawandel dar.
In einigen Fällen kann der Klimawandel ganz neue Aktivitäten ermöglichen. Zum Beispiel könnten neue Sorten höhere Qualität und Wertschöpfungspotenziale in Obst- und Weinbau freisetzen. Viele Anpassungsmassnahmen sind jedoch mit Kosten verbunden. Die Kosten entstehen direkt, z.B. für die Installation einer Bewässerungsanlage. Indirekte oder als sogenannte Opportunitätskosten entstehen, wenn man zum Beispiel Einkommenszweige stärker diversifiziert.
Auf Ebene des gesamten Betriebs sind die Auswirkungen des Klimawandels geringer. Die Anpassungspotenziale sind grösser als auf Ebene einzelner Kulturen. Die Diversität Schweizer Betriebe spielt dabei eine wichtige Rolle (Lehmann et al., 2013b). Eine breite Abstützung auf verschiedene Sorten, Kulturen und Einkommenszweige, auch ausserhalb der Landwirtschaft federn für viele Schweizer Betriebe die Effekte von Extremereignissen ab. Vernachlässigt man diese Eigenart der Schweizer Betriebe, werden negative Effekte des Klimawandels auf Betriebsebene überschätzt (Lehmann et al., 201b3).
Neben dem Umgang mit steigenden Risiken auf dem Betrieb werden Versicherungen eine immer grössere Rolle spielen (Dalhaus et al., 2018). So haben die Extremereignisse der letzten Jahre dazu geführt, dass die Palette an Instrumenten stetig weiter ausgebaut wurde (siehe z.B. www.hagel.ch). Mittlerweile können Schweizer Landwirte Dürreversicherungen für Ackerbau und Grasland abschliessen. Auch Obst- und Weinproduzenten können sich gegen Frostschäden absichern.
Neue Technologien und Lösungen ermöglichen es bereits zunehmend, in Zukunft immer breitere, flexiblere Versicherungslösungen günstig anzubieten. So sind zum Beispiel satellitenbasierten Versicherungslösungen im Vormarsch und Wetterversicherungen eröffnen zunehmend neue Absicherungspotentiale (Vroege et al., 2018, Dalhaus et al., 2018). Diese gilt es konsequent zu evaluieren und zu nutzen.
Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form am 21.02.2019 in der Zeitschrift ‘Die Grüne’ erschienen www.diegruene.ch/
Folien zu einem Vortrag zum Thema an der Nachhaltigkeitstagung von Agroscope finden Sie hier www.agroscope.admin.ch/agroscope/de/home/aktuell/veranstaltungen/nachhaltigkeitstagung.html
Referenzen
Challinor, et al. (2014). A meta-analysis of crop yield under climate change and adaptation. Nature Climate Change, 4(4), 287.
Dalhaus, T., Musshoff, O., Finger, R. (2018). Phenology Information Contributes to Reduce Temporal Basis Risk in Agricultural Weather Index Insurance. Scientific Reports (2018) 8:46. (open access >>)
Finger, R., Dalhaus, T., Allendorf, J., Hirsch, S. (2018). Determinants of downside risk exposure of dairy farms. European Review of Agricultural Economics 45(4), 641–674
Grillakis, M. G. (2019). Increase in severe and extreme soil moisture droughts for Europe under climate change. Science of The Total Environment. In press
Lehmann, N., Finger, R., Klein, T., Calanca, P. Walter, A. (2013a). Adapting crop management practices to climate change: Modeling optimal solutions at the field scale. Agricultural Systems 117: 55-65
Lehmann, N., Briner, S., Finger, R. (2013b). The impact of climate and price risks on agricultural land use and crop management decisions. Land Use Policy 35: 119–130
Lehmann, N. Finger, R. (2013). Evaluating water policy options in agriculture: A whole-farm study for the Broye river basin (Switzerland). Irrigation and Drainage 62(4): 396-406
Smit, B., & Skinner, M. W. (2002). Adaptation options in agriculture to climate change: a typology. Mitigation and adaptation strategies for global change, 7(1), 85-114.
Soussana, J. F., & Lüscher, A. (2007). Temperate grasslands and global atmospheric change: a review. Grass and Forage Science, 62(2), 127-134.
Thornton, P. K., van de Steeg, J., Notenbaert, A., & Herrero, M. (2009). The impacts of climate change on livestock and livestock systems in developing countries: A review of what we know and what we need to know. Agricultural systems, 101(3), 113-127.
Torriani, D. S., Calanca, P., Schmid, S., Beniston, M., & Fuhrer, J. (2007). Potential effects of changes in mean climate and climate variability on the yield of winter and spring crops in Switzerland. Climate Research, 34(1), 59-69
Trnka, M., Rötter, R. P., Ruiz-Ramos, M., Kersebaum, K. C., Olesen, J. E., Žalud, Z., & Semenov, M. A. (2014). Adverse weather conditions for European wheat production will become more frequent with climate change. Nature Climate Change, 4(7), 637.
Webber, H., Ewert, F., Olesen, J. E., Müller, C., Fronzek, S., Ruane, A. C., Bourgault, M., Marte, P., Ababaei, B., Bindi, M., Ferrise, R., Finger, R., Fodor, N., Gabaldón-Leal, C., Gaiser, T., Jabloun, M., Kersebaum, K.C., Lizaso, J.I., Lorite, I.J., Manceau, L., Moriondo, M., Nendel, C., Rodríguez, A., Ruiz-Ramos, M., Semenov, M.A., Siebert, S., Stella, T., Stratonovitch, P., Trombi, G., Wallach, D. (2018). Diverging importance of drought stress for maize and winter wheat in Europe. Nature Communications, 9(1), 4249. (open access >>)
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Vroege, W., Dalhaus, T., Finger, R. (2019). Index insurances for grasslands – A review for Europe and North-America. Agricultural Systems 168, 101-111 (open access >>)
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