Robert Finger. Dürre und Hitzewelle im Jahr 2018 und Spätfröste in 2017 zeigten eindrücklich, wie verletzlich die Schweizer Landwirtschaft gegen extreme Wetterereignisse ist. Klimawandel führt dazu, dass diese Ereignisse häufiger und intensiver auftreten. Die Produktionsrisiken in Ackerbau und Tierhaltung werden grösser*. Markt- und Politikrisiken spielen eine immer wichtigere Rolle. Das Risikomanagement wird immer wichtiger, für Landwirte, für vor- und nachgelagerte Stufen und für die Politik.
Landwirtschaftliches Risikomanagement umfasst viele verschiedene Komponenten. Es umfasst Massnahmen auf dem Feld und im Stall aber auch die Diversifizierung landwirtschaftlicher Aktivitäten. Auf betrieblicher Ebene kann zudem der Aufbau von Reservekapazitäten oder die Aufnahme ausserlandwirtschaftlicher Aktivitäten dazu beitragen, Einkommensschwankungen zu reduzieren. All diese Strategien verursachen jedoch Kosten, entweder direkt (Installation eines Hagelnetzes) oder indirekt als sogenannte Opportunitätskosten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn sich ein stark diversifizierter Betrieb eben nicht kosteneffizient auf einen Betriebszweig spezialisieren kann. Am Ende bestimmen der rechtliche, personelle, klimatische und politische Rahmen und die individuellen Charakteristika den optimalen betriebsspezifischen Mix an Risikomanagementstrategien**.
Dieser Mix beinhaltet oft auch eine Weitergabe von Risiken an Dritte, zum Beispiel in Form einer Versicherung. Dies kann eine sinnvolle Ergänzung sein, insbesondere, wenn existenzgefährdende Risiken abgedeckt werden können. Versicherungen erlauben es unternehmerische Risiken einzugehen und machen Investitionen attraktiver. Sie stärken daher eine produzierende Schweizerische Landwirtschaft, und reduzieren die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe bei klimatischen Extremereignissen.
Eine offene Frage ist, welche Rolle der Staat dabei spielen soll. Die Subventionierung von Versicherungsprämien ist in vielen Ländern gängige Praxis**, in der Schweiz hingegen nicht. Daraus abzuleiten, dass Versicherungen auch hier nur durch staatliche Zuschüsse sicherzustellen seien, greift jedoch zu kurz. Zum Beispiel bilden Direktzahlungen für viele Betriebe einen grossen Anteil des betrieblichen Ertrages, und halten so witterungs- oder marktbedingte Einkommensschwankungen gering – und damit die Nachfrage nach umfassenden Versicherungen kleiner als in anderen Ländern****. Es bräuchte also eine sehr hohe Subventionierung von Versicherungen, um der Mehrheit der Betriebe einen umfassenden Versicherungsschutz schmackhaft zu machen. Darüber hinaus hat jede Subventionierung spezifischer Lösungen eine marktverzerrende Wirkung, die nicht geförderte aber möglicherwiese sinnvolle Risikomanagementstrategien aus den Betrieben drängt.
Die Rolle des Staates sollte darin bestehen, ein Umfeld des Ermöglichens zu schaffen, in dem eine breite Palette an Versicherungslösungen kosteneffizient angeboten werden kann. Zum Beispiel durch die Bereitstellung hochqualitativer Daten zu Erträgen, Wetter, Klimaentwicklung und Phänologie*****. Zudem sollte ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der Innovationen, wie die Nutzung von Maschinen- oder Satellitendaten oder neue Versicherungsformen, ermöglicht******. Der Staat kann den Auf- und Ausbau von Produkten zudem durch gezielte befristete Unterstützung oder die Übernahme einer Rückversicherung fördern. Flankierend sollte es den Betrieben durch gezielte Beratungsnagebote ermöglicht werden kritische Risiken zu identifizieren und den betriebsspezifischen Mix an Risikomanagementstrategien entsprechend anzupassen. Diese Schritte tragen dazu bei, dass Schweizer Betriebe auch in der Zukunft nachhaltige Möglichkeiten haben mit steigenden Wetterrisiken umzugehen.
Dieser Beitrag ist (in ähnlicher Form) als ‘Standpunkt’ in ‘Die Grüne’ erschienen www.diegruene.ch
* Beispiel Ackerbau: Webber, H., Ewert, F., Olesen, J. E., Müller, C., Fronzek, S., Ruane, A. C., Bourgault, M., Marte, P., Ababaei, B., Bindi, M., Ferrise, R., Finger, R., Fodor, N., Gabaldón-Leal, C., Gaiser, T., Jabloun, M., Kersebaum, K.C., Lizaso, J.I., Lorite, I.J., Manceau, L., Moriondo, M., Nendel, C., Rodríguez, A., Ruiz-Ramos, M., Semenov, M.A., Siebert, S., Stella, T., Stratonovitch, P., Trombi, G., Wallach, D. (2018). Diverging importance of drought stress for maize and winter wheat in Europe. Nature Communications, 9(1), 4249. >> (open access).
Beispiel Tierhaltung: Finger, R., Dalhaus, T., Allendorf, J., Hirsch, S. (2018). Determinants of downside risk exposure of dairy farms. European Review of Agricultural Economics 45(4), 641–674 >>
** Meraner, M, Finger, R. (2018). Risk perceptions, preferences and management strategies: Evidence from a case study using German livestock farmers. Journal of Risk Research. In Press >>
***Zum Beispiel: Santeramo, F. G., & Ford Ramsey, A. (2017). Crop Insurance in the EU: Lessons and Caution from the US. EuroChoices, 16(3), 34-39.
**** Empirische Studie zur Relevanz der Direktzahlungen für die Reduktion der Teilnehmer in Versicherungen in der Schweiz: Finger, R., Lehmann, N. (2012). The Influence of Direct Payments on Farmers‘ Hail Insurance Decisions. Agricultural Economics. 43(3): 343-354 >>
***** Siehe auch: Dalhaus, T., Musshoff, O., Finger, R. (2018). Phenology Information Contributes to Reduce Temporal Basis Risk in Agricultural Weather Index Insurance. Scientific Reports (2018) 8:46. DOI:10.1038/s41598-017-18656-5 >>
****** Beispiele zu Wetter- und satelitenbasierten Versicherungen in Europa und Nordamerkika: Vroege, W., Dalhaus, T., Finger, R. (2019). Index insurances for grasslands – A review for Europe and North-America. Agricultural Systems 168, 101-111 >>
Für Kopien nicht frei verfügbarer Artikel senden Sie bitte eine E-Mail an Robert Finger, rofinger@ethz.ch
Tolles Artikel.
Mich interessiert was kann man unternehmen zur Minderung des Risikos ist laut MDD bevorzugt?
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