Landwirtschaftliche Diversifizierung in urbanen Ballungszentren – Ein Beispiel aus der Metropolregion Ruhrgebiet

Manuela Meraner, Bernd Pölling, Robert Finger. Die Landwirtschaft in urbanen Ballungszentren steht vor besonderen Herausforderungen. Einerseits ist der Druck auf landwirtschaftliche Flächen in stark besiedelten Räumen hoch, was für Betriebe in solchen Regionen sogar den Ausstieg aus der Landwirtschaft bedeuten kann. Andererseits bieten Ballungsräume die Möglichkeit für erfolgreiche Diversifizierung ausserhalb der landwirtschaftlichen Produktion. Dazu zählen beispielsweise Aktivitäten im Bereich der Gastronomie, des Tourismus, der Pensionspferdehaltung oder der Erzeugung von Energie. Besonders die Nähe zu einem grossen potenziellen Kundenstamm sowie ein zunehmendes Interesse der Stadtbevölkerung am Landleben und an regionalen Produkten können Vorteile stadtnaher Betriebe sein.

Im Frühjahr 2016 haben wir eine Onlinebefragung mit 156 LandwirtInnen in der nordrheinwestfälischen Metropolregion des Ruhrgebiets durchgeführt*. Unser Ziel war es zunächst herauszufinden, warum sich Landwirte dafür entscheiden, wirtschaftliche Aktivitäten ausserhalb der Kernlandwirtschaft aufzunehmen. In einem zweiten Schritt haben wir untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass landwirtschaftliche Betriebe mehrere nicht-landwirtschaftliche Aktivitäten gleichzeitig ausüben. Das Ruhrgebiet ist für diese Analyse besonders geeignet, da in der mehr als 5 Millionen Einwohner fassenden Region fast 40% der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden und ca. 3.300 landwirtschaftliche Betriebe existieren (Abbildung 1).

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Abbildung 1. Landwirtschaftliche Nutzfläche im Ruhrgebiet (Grün) und Standorte der befragten Betriebe (gelbe Punkte)

 

In der Studie wurden sowohl geographische Komponenten wie Bodenqualität und Nähe zu einem Ballungszentrum als auch Charakteristika des Betriebsleiters und Betriebs, wie zum Beispiel Alter, Bildungsgrad oder Betriebstyp berücksichtigt. Mit experimentellen Methoden wurden zudem die Risikowahrnehmung und Risikopräferenzen der Landwirte gemessen.

79% der befragten LandwirtInnen gaben mindestens eine nicht-landwirtschaftliche Diversifizierungsaktivität an. Dabei spielen insbesondere Energieerzeugung (aus nachwachsenden und nicht-nachwachsenden Rohstoffen), Agri-Tourismus und Direktvermarktung eine Rolle. Circa 70% dieser Betriebe betreiben mehr als eine ausserlandwirtschaftliche Aktivität. Die Umfrage zeigt, dass vor allem jüngere Landwirte mit einer grösseren Risikobereitschaft diversifizieren. Ausserdem steigt die Intensität, also die Zahl der Diversifizierungsaktivitäten pro Betrieb, mit der Nähe zu urbanen Ballungszentren.

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Abbildung 2. Im Ruhrgebiet treffen mehr als 5 Millionen Einwohner und ca. 3.300 landwirtschaftliche Betriebe aufeinander.

Mehr als eine Diversifizierungsstrategie verfolgen zudem häufiger Betriebe, welche vom Beratungsangebot der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Gebrauch machen und solche, die „high value crops“ wie Gemüse, Gewürze oder Kräuter produzieren. Diese Betriebe nutzen die Nähe zu einer grossen potenziellen Kundschaft offenbar stärker und setzen auf mögliche Synergieeffekte zwischen verschiedenen Aktivitäten wie z.B. zwischen Agri-Tourismus und Direktvermarktung.

Die Ergebnisse unserer Studie offenbaren den Wert der landwirtschaftlichen Beratung im Bereich von nicht-landwirtschaftlicher Diversifizierung, welche häufig eine wichtige Überlebensstrategie für landwirtschaftliche Betriebe in urbanen Ballungsräumen darstellt.

 

Manuela Meraner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Alumni der Gruppe für Agrarökonomie und -politik (AECP) der ETH Zürich.

Bernd Pölling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Südwestfalen am Standort Soest.

Robert Finger ist Professor für Agrarökonomie und -politik an der ETH Zürich.

 

* Meraner, M., Pölling, B., Finger, R. (2018) Diversification in peri-urban agriculture: a case study in the Ruhr metropolitan region. Journal of Land Use Science. Im Druck https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1747423X.2018.1529830

Die Daten aus der Erhebung sind in einem Datenartikel veröffentlicht worden: Meraner, M., Pölling, B., & Finger, R. (2018). Data on farm diversification decisions and farmers’ risk preferences in the Ruhr Metropolitan region (Germany). Data in Brief 18, 9-12 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352340918302099 (frei verfügbar)

 

Für Kopien nicht frei verfügbarer Artikel senden Sie bitte eine E-Mail an Robert Finger, rofinger@ethz.ch

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About Robert Finger

I am Agricultural Economist and head of the Agricultural Economics and Policy Group at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home