Landwirtschaftliche Wetterversicherungen

Tobias Dalhaus. Die landwirtschaftliche Produktion ist einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt, welche die Volatilität der erzielten Gewinne erhöhen können. Insbesondere die hohe Variabilität von Wetterbedingungen in einem sich änderndem Klima setzt Landwirtinnen und Landwirte unter Druck. Landwirtschaftliche Versicherungssysteme können hier ein Mittel sein die finanziellen Auswirkungen dieser Risiken zu verringern. Innerhalb dieser Versicherungen haben sich Wetterversicherungen (oder Wetterindexversicherungen) als innovatives Mittel herausgestellt um Klimarisiken zu minimieren*. Hier ist die Versicherungsauszahlung nicht abhängig vom Schaden auf dem Feld, sondern wird durch einem unabhängig gemessenen Wetterwert bestimmt, zum Beispiel der Niederschlagssumme an einer nahegelegenen Wetterstation.

Die im Juli 2018 abgeschlossene Dissertation von Tobias Dalhaus mit dem Titel ‘Agricultural Weather Insurance: Basis Risk Reduction, Behavioral Insurance and Uncovering Quality Risks’** zielt darauf ab, Wetterversicherung für Landwirtinnen und Landwirte attraktiver zu gestalten, indem Auszahlungen besser auf die tatsächliche Risikoexposition abgestimmt und auch die Präferenzen der Landwirtinnen und Landwirte berücksichtigt werden. Hierbei liegt der Fokus auf zwei Kernbereichen. Erstens, auf der Anpassung der Wetterversicherungsauszahlungen an das Pflanzenwachstum auf dem Feld. Die Diskrepanz zwischen Auszahlung und Schaden wir hierbei als Basisrisiko bezeichnet***. Zweitens, Präferenzen von Landwirten bezüglich ihrer Versicherungsentscheidung besser in der Ausgestaltung des Versicherungskontraktes zu berücksichtigen.

Zur Reduktion des Basisrisikos werden verschiedene Ansätze getestet und verglichen, die darauf abzielen, den Versicherungszeitraum möglichst präzise zu bestimmen***, ****. Dafür werden Pflanzenwachstumsphasen definiert, die besonders trockenheitsanfällig sind und verschiedene Lösungen gegenübergestellt die das Auftrittsdatum dieser Phasen bestimmen können. Die Ergebnisse zeigen, dass frei verfügbare, regionale Beobachternetzwerke dazu beitragen das Basisrisiko zu verringern und somit die Attraktivität von Wetterversicherungen erhöhen. In einem weiteren Kapitel werden die monetären Auswirkungen von Spätfrösten während der Apfelblüte quantifiziert. Hier wird deutlich, dass nicht nur die Ertragshöhe sondern auch die Ertragsqualität durch Wetterereignisse beeinflusst wird, was zur substantiellen Minderung von Verkaufspreisen auf Betriebsebene führt. Ein einziger Frosttag führt in dem empirischen Beispiel zu Verlusten von Erträgen (-1% bis -5%), von Qualität und somit auch von Verkaufspreisen (-4% bis -35%) was schlussendlich zu aggregierten Erlösverlusten (- 3% bis – 43%) führt. Die Höhe des Effektes ist abhängig von der Schwere (Tagesminimumtemperatur) des Frostereignisses. In einem dritten Beitrag zur Basisrisikoreduktion wird eine ökonometrische Strategie skizziert mit der Ertragsdaten von verschiedenen Aggregationsstufen (Betriebserträge und regionale Durchschnittserträge) mit Wetterdaten kombiniert werden können, um Entschädigungen präziser an Ernteausfälle anzupassen. Hierbei dient der regionale Durchschnittsertrag als Prior für die Schätzung des Einflusses von Wetter auf Betriebserträge innerhalb einer Bayesianischen quantilen Regression.

Zur besseren Berücksichtigung von Präferenzen in der Ausgestaltung des Versicherungskontraktes, schlägt eine aktuelle Studie vor, dass die Versicherungsentscheidung von Landwirten mit Erkenntnissen aus „Cumulative Prospect Theory“ und „Narrow Framing“ besser beschrieben werden kann als mit Hilfe der standardmässig angewandten Erwartungsnutzentheorie. Obwohl eine Reihe von weiteren Studien eine Abweichung der Versicherungsentscheidung von erwartungsnutzenmaximierendem Verhalten feststellen, wurde dies bisher nicht in der Ausgestaltung von Agrarversicherungen berücksichtigt. In einem weiteren Kapitel der Dissertation werden die Parameter der Wetterversicherung an Cumulative Prospect Theory Präferenzen, wie Verlustaversion und Wahrscheinlichkeitsgewichtung, angepasst. Die daraus resultierende Versicherung wird als ‚Behavioral Weather Insurance‘ bezeichnet und es wird gezeigt, dass insbesondere eine stochastische Mehrjahresprämie eine vielversprechende Erweiterung der aktuellen Versicherungsausgestaltung sein kann. Somit können Wetterversicherungen gemäss individueller Präferenzen ausgestaltet werden, um optimal auf die Bedürfnisse der Landwirtin zugeschnitten zu sein.

Zusammenfassend greift Tobias Dalhaus’ Dissertation bisherige Erkenntnisse zu Wetterversicherungen auf und entwickelt diese in verschiedene Richtungen weiter, sodass Landwirte bei der Absicherung von Wetterrisiken besser unterstützt werden können. Die Berücksichtigung von neuartigen und bestehenden Datenquellen und deren Kombination in einem flexiblen ökonometrischen Rahmen zusammen mit der Quantifizierung von bisher übersehenen Wetterrisiken, zeigt ein grosses Potential auf, um das Basisrisiko zu verringern. So wird die Wetterversicherung zu einer sinnvollen Ergänzung bestehender Versicherungssysteme, besonders in Ländern mit einer Vielzahl ungenutzter Datenquellen. Zudem ist die Berücksichtigung des Entscheidungsverhaltens von Landwirtinnen und Landwirten in der Ausgestaltung von Versicherungen ein logischer nächster Schritt und die präsentierten Ergebnisse bieten einen Einstiegspunkt auch weitere Verhaltensweisen zu berücksichtigen.

 

Tobias Dalhaus ist nach Abschluss seiner Dissertation als PostDoc weiter in der AECP Gruppe tätig.

 

* Dalhaus, T. & Finger, R. (2016) Risikomanagement mittels Wetter-Indexversicherung. Agrarpolitik-Blog, 09. August 2016 https://agrarpolitik-blog.com/2016/08/09/risikomanagement-mittels-wetter-indexversicherung/

** Die Dissertationsschrift ist hier frei verfügbar: https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/297299

Das Video der Verteidigung ist über unten stehenden Link abrufbar: https://www.video.ethz.ch/play/ef96e31d-4ed9-4527-99b4-36e5e3069881.html

*** Dalhaus, T., & Finger, R. (2016). Can Gridded Precipitation Data and Phenological Observations Reduce Basis Risk of Weather Index–Based Insurance?. Weather, Climate, and Society, 8(4), 409-419. Frei verfügbar >>

**** Dalhaus, T.; Musshoff, O.; Finger, R.(2018). Phenology Information Contributes to Reduce Temporal Basis Risk in Agricultural Weather Index Insurance. Scientific Reports, 8, 46. Frei verfügbar >>

 

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About Robert Finger

I am Agricultural Economist and head of the Agricultural Economics and Policy Group at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home