Interaktionen zwischen Direktzahlungen

Zielgerichtete Direktzahlungen schaffen neue Herausforderungen.

Eine Herausforderung für das Schweizer Direktzahlungssystem ist, dass es immer mehr verschiedene Beitragsarten gibt. Dabei folgt der konzeptionelle Aufbau der Direktzahlungen der sogenannten Tinbergen-Regel: Für jedes Ziel, das mit der Agrarpolitik verfolgt wird, braucht es auch (mindestens) eine Zahlung (Mann und Lanz 2013).

Die Ausrichtung von Direktzahlungen auf ein einzelnes, klar definiertes Ziel wird in der Agrarökonomie als «Targeting» bezeichnet. Neben dieser Ausrichtung auf die Ziele, sind die Direktzahlungen in der Schweiz auch so abgestuft, dass sie dem finanziellen Aufwand entsprechen, der dem einzelnen Landwirt im Mittel entsteht. Dieses aufwandgerechte Zuschneiden auf Zonen, Betriebsformen oder Massnahmen wird als «Tailoring» bezeichnet.

Beiträge für Biodiversitätsförderflächen beispielsweise sind auf unterschiedliche extensive Bewirtschaftungsformen ausgerichtet («targeted») und nach Zonen und Qualität abgestuft («tailored»). Das «targeting» und «tailoring» der Direktzahlungen in der Schweiz bringt aber mit sich, dass immer mehr Zahlungen, die eigentlich unterschiedliche Ziele anvisieren, auf der gleichen Fläche ausbezahlt werden. Dadurch entstehen zwangsläufig Interaktionen zwischen den unterschiedlichen Direktzahlungsinstrumenten.

Über die Grössenordnung dieser Interaktionseffekte ist wenig bekannt. Das liegt daran, dass es in einer Evaluation einzelner Instrumente schwierig ist, die Wirkungsweise der verschiedenen Zahlungen voneinander zu trennen. Die Direktzahlungen in der Schweiz gelten immer für alle Betriebe – es ist daher unmöglich in der Realität zu beobachten, welche Wirkung z.B. eine Halbierung des Versorgungssicherheitsbeitrags (VSB) auf das Ziel der sicheren Versorgung tatsächlich hat und inwieweit dieses Ziel durch Beiträge für Biodiversitätsförderflächen beeinflusst wird.

Um diese Fragen trotzdem zu untersuchen bieten sich ökonomische Modelle an, welches die Durchführung solcher Direktzahlungs-Experimente erlaubt. In diesem Kontext haben wir mit Hilfe des agentenbasierten Modells ALUAM berechnet, wie sich die landwirtschaftliche Produktion, der Anteil der Biodiversitätsförderflächen und die Landschaftsdiversität verändern, wenn man die VSB, die Beiträge für Biodiversitätsförderflächen und die Hangbeiträge systematisch variiert (Huber et al. 2017). Konkret haben wir dazu für ein Fallstudiengebiet im Wallis (das Saas- und Mattertal) jeweils die landwirtschaftliche Produktion und Landnutzung berechnet, wenn die oben genannten drei Beiträge halbiert oder weggelassen würden.

Dabei zeigt sich ein für das Schweizer Berggebiet typischer Mechanismus. Wenn ein fehlender Versorgungsicherheitsbeitrag dazu führt, dass Flächen aufgegeben werden, dann reduzieren sich auch die Biodiversitätsförderflächen. Der Grund dafür kann einfach nachvollzogen werden: Wenn insgesamt weniger Flächen im Berggebiet bewirtschaftet werden, dann kann der minimale Anteil an Biodiversitätsförderflächen von 7% nämlich ebenfalls mit weniger Fläche erreicht werden. Zwischen den Zahlungen entsteht dadurch eine Synergie (siehe schwarze Säulen in der Abbildung). Dieser Effekt wird verstärkt, wenn durch den Klimawandel die Vegetationsperiode in den Berggebieten ausgedehnt wird (graue Säulen in der Abbildung). Eine längere Vegetationsperiode erhöht das zur Verfügung stehende Futter für die Tiere. Die Tierproduktion wird in unseren Berechnungen aber nicht ausgedehnt, wodurch das notwendige Futter auf weniger Flächen bereitgestellt werden kann. Der Synergieeffekt zwischen den VSB und den Beiträgen für Biodiversitätsförderflächen erhält dadurch noch mehr Gewicht, weil die Nutzung von marginalen Flächen nur noch von den Direktzahlungen abhängen.

Etwas komplizierter wird der Zusammenhang für die Hangbeiträge. Die Modellberechnungen liefern keinen eindeutigen Hinweis auf Interaktionseffekte zwischen den Beiträgen für Biodiversitätsförderflächen und Hangbeiträgen.

Abbildung: Eine Aufhebung der VSB (-100%) reduziert die Biodiversitätsförderflächen um 50% derjenige Fläche, die bei einer Aufhebung der Biodiversitätsbeiträge verschwinden würde. Unter der Annahme von Klimawandel erhöht sich dieser Interaktionseffekt auf 80%.

Es muss an dieser Stelle aber festgehalten werden, dass diese Aussagen nur für unsere Fallstudienregion gelten. Eine Generalisierung des Synergieeffekts zwischen den Beiträgen für Biodiversitätsförderflächen und VSB ist nur dort möglich, wo die Aufgabe von landwirtschaftlichen Nutzflächen eine relevante Rolle spielen. In Regionen mit hoher landwirtschaftlicher Produktivität wäre zu erwarten, dass die Interaktion zu einem Zielkonflikt zwischen diesen Direktzahlungsinstrumenten führen würde. Deshalb wird der VSB auf Flächen für Biodiversitätsförderung ja auch halbiert. Das BLW ist sich also der Herausforderungen des neuen Direktzahlungssystems durchaus bewusst.

Trotzdem: die zunehmende Komplexität des Schweizer Direktzahlungssystems durch das «targeting» und «tailoring» der Direktzahlungen führt dazu, dass es auch zu immer mehr Interaktionen zwischen den einzelnen Zahlungsinstrumenten kommt. Die Effekte können, wie unsere Berechnungen zeigen, erheblich sein und sollten in der Evaluation von einzelnen Massnahmen idealerweise berücksichtigt werden.

 

Huber R., Snell R., Monin F., Brunner S.H., Schmatz D., & Finger R. (2017). Interaction effects of targeted agri-environmental payments on non-marketed goods and services under climate change in a mountain region. Land Use Policy, 66, 49-60.

Mann, S., Lanz, S., 2013. Happy Tinbergen: Switzerland’s New Direct Payment System. EuroChoices 12, 24-28.

 

 

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