Ist die Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln elastisch?

Thomas Böcker & Robert Finger. Viele Staaten suchen nach Massnahmen, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) oder der damit verbundenen Risiken zu reduzieren. Auch Steuern oder Abgaben werden von verschiedenen Seiten gefordert, u.a. von Umweltverbänden und von Wissenschaftlern wie dem deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen. Dabei ist die Preissensitivität der Nachfrage nach PSM von zentraler Bedeutung für die Effektivität und Effizienz einer solchen Abgabe. Insbesondere ist die Preiselastizität der Nachfrage nach PSM von Interesse, welche angibt, um wie viel Prozent sich die Nachfrage bei einer ein-prozentigen Erhöhung des Preises verändert.

Mittels einer Meta-Analyse haben wir sämtliche Studien, welche sich mit der Nachfrage nach PSM in Europa und Nordamerika beschäftigten, quantitativ hinsichtlich der Preiselastizität der Nachfrage ausgewertet.1 Ziel ist es darüber Aufschluss zu geben, wie effektiv der Einsatz einer Lenkungsabgabe auf den Einsatz bestimmter PSM sein kann. Insgesamt wurden 31 Studien mit insgesamt 94 Beobachtungspunkten zur Preiselastizität identifiziert. Neben der Elastizität wurden verschiedene Merkmale der Studie erhoben, u.a. auf welchen Zeitraum sich die Analyse bezog, welcher Sektor in die Analyse einbezogen wurde (Ackerbau, Spezialkulturen oder die aggregierte Nachfrage eines Landes), welche PSM untersucht wurden (alle PSM, Herbizide, Fungizide, Insektizide) und welche Flexibilität der Nachfrage untersucht wurde (kurzfristige oder langfristige Nachfrageänderungen). Um die wichtigsten Determinanten zu identifizieren und marginale Effekte zu quantifizieren, die den PSM-Einsatz beeinflussen, wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt.

Die verschiedenen Preiselastizitäten der Nachfrage nach PSM sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Der Median über alle Nachfrageelastizitäten beträgt -0.28 und ist signifikant kleiner als Null. Das bedeutet, dass, ceteris paribus, eine 10%ige Preiserhöhung zu einer Reduktion des PSM-Einsatzes von 2.8% führen würde. Eine signifikante Mengenwirkung einer Preissteigerung, z.B. durch eine Lenkungsabgabe, ist also zu erwarten. Allerdings ist die Elastizität auch deutlich höher als -1, d.h. unelastisch. Die zwar vorhandene, aber nicht sehr grosse Elastizität der Nachfrage nach PSM impliziert, dass die Abgaben für stark toxische Produkte sehr hoch sein müssten, um relevante Mengenreduktionen zu realisieren. Zudem zeigen die Ergebnisse der Studien sehr heterogene Elastizitäten.

Diese Nachfrageänderung muss jedoch im Zeithorizont betrachtet werden. Kurzfristig ist sie mit einem Median von -0,18 wesentlich unelastischer als langfristig, wo der Median bei -0,39 liegt. Auf lange Sicht sind vermehrt Änderungen am Produktionsprogramm (z.B. Änderung der Fruchtfolgen) sowie der Ausbau nicht-chemischen Pflanzenschutzes möglich, sodass auch der PSM-Einsatz variabler wird. Die Wirkung von PSM-Abgaben müsste daher lang- und nicht kurzfristig beurteilt werden. Ein kurzfristig wenig flexibles Verhalten spiegelt sich auch in den hohen Vorratskäufen wider, die vor Einführung einer PSM-Abgabe in Schweden, Norwegen, Dänemark und Frankreich beobachtet werden konnten.2

Die Flexibilität spielt auch bei der Analyse der verschiedenen Sektoren eine Rolle. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Nachfrage nach PSM in Spezialkulturen signifikant unelastischer ist als im Ackerbau und auf dem aggregierten Level. Das heisst, dass obwohl der Einsatz von PSM in Spezialkulturen am grössten ist, ein kleineres relatives Reduktionspotential vorliegt. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Spezialkulturen sind räumlich weniger flexibel, die Ernte ist wertvoller und Qualitätsaspekte sind häufig wichtiger, so dass PSM häufiger präventiv eingesetzt werden müssen. Zudem sind für Spezialkulturen oft weniger PSM vorhanden, sodass Substitutionseffekte geringer ausfallen.

Des Weiteren konnte beobachtet werden, dass die Nachfrage nach Herbiziden elastischer ist als nach anderen PSM. Eine Preiserhöhung führt also, ceteris paribus, zu grösseren Mengenreduktionen bei Herbiziden als bei anderen PSM. Dies zeigt auch mögliche Interdependenzen mit anderen agrarpolitischen Zielen und Massnahmen auf, da die Intensität der Bodenbearbeitung bei der Reduktion des Herbizideinsatzes steigen kann.

psmUnsere Analyse zeigt zudem, dass neure  Studien unelastischere Nachfragen nach PSM identifizieren. Reduktionspotentiale sind also geringer geworden. Als Gründe werden in der Literatur die grössere Relevanz von PSM in modernen Agrarsystemen und die geringere Verfügbarkeit an verschiedenen Mitteln angeführt.

 

1Böcker, T. G., Finger, R. (2017) A Meta-Analysis on the Elasticity of Demand for Pesticides, Journal of Agricultural Economics (im Druck), early view: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1477-9552.12198/full

2Böcker, T., Finger, R. (2016): European Pesticide Tax Schemes in Comparison: An Analysis of Experiences and Developments, Sustainability 8(4): 378/1-22 http://www.mdpi.com/2071-1050/8/4/378

Eine Antwort auf „Ist die Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln elastisch?

  1. Danke für diesen wichtigen Beitrag. Zusätzlich interessant und für die Agrarpolitik relevant wäre es nun, auf der Basis dieser Meta-Analyse die Preiselastizitäten der einzelnen PSM-Kategorien unter den Bedingungen der staatlichen Programme und der Label in der Schweiz zu analysieren.

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About Robert Finger

I am Agricultural Economist and head of the Agricultural Economics and Policy Group at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home