Robert Finger. Direktzahlungsprogramme können den landwirtschaftlichen Strukturwandel beeinflussen. Eine intuitive Hypothese ist dabei, dass mit höheren Direktzahlungen weniger Betriebe aus der Landwirtschaft austeigen. Direktzahlungen steigern Einkommen und die durch höhere Liquidität gesteigerte Investitionstätigkeit erlaubt eine effizientere Produktion und führt so zu langfristig höheren Gewinnen. In der Summe sollten Direktzahlungen daher die Anreize aus der Landwirtschaft auszusteigen reduzieren. Der Zusammenhang zwischen Direktzahlungen und Strukturwandel wurde zum Beispiel in der Arbeit von Hofer (2002, S. 90-91) für Betriebe des Kantons Bern im Zeitraum 1994-1998 analysiert. Hofer zeigt dabei, dass höhere Direktzahlungen die Wahrscheinlichkeit der Betriebsaufgabe senken. Der Fokus liegt, wie bei anderen früheren empirischen Arbeiten, ausschliesslich auf den Direktzahlungen für den jeweils analysierten Betrieb.
Ein kürzlich im American Journal of Agriculture erschienene Studie hinterfragt diese einzelbetriebliche Perspektive (Storm et al. 2015). Kernargument der Studie ist, dass ein höheres Niveau von Direktzahlungen eben auch höhere Direktzahlungen für die benachbarten Landwirte bedeuten und dies einen höchst relevanten indirekten Effekt induziert. Landwirte stehen auf verschiedenen In- und Outputmärkten miteinander im Wettbewerb. Direktzahlungen für andere Landwirte beeinflussen diese Märkte, da diese durch höhere Zahlungsbereitschaften für Produktionsfaktoren und sich ändernde Investitions- und Produktionstätigkeit beeinflusst werden. Insbesondere für immobile Produktionsfaktoren wie Land führt dies zu einer stärkeren Konkurrenz um begrenzte Ressourcen und höheren Kosten. Der eigentlich positive Effekt von Direktzahlungen auf Gewinne kann so wieder geschmälert werden. Grössere relative Anstiege der Zahlungsbereitschaften benachbarter Landwirte können sogar eine Betriebsaufgabe wahrscheinlicher machen, z.B. wenn eigene Erwartungen über zukünftige Gewinne hinter Zahlungsbereitschaften benachbarter Landwirte zurückbleiben.
Um direkten und indirekten Mechanismen Rechnung zu tragen, analysieren Storm et al. in einer norwegischen Fallstudie nicht nur den Effekt der Direktzahlungen für den jeweiligen Betrieb auf dessen Wahrscheinlichkeit aus der Landwirtschaft auszusteigen, sondern berücksichtigen auch die Direktzahlungen für benachbarte Betriebe. Die Autoren verwenden norwegische Zensusdaten für die Jahre 1999 und 2009 und kontrollieren für eine Vielzahl möglicher anderer Determinanten für die Betriebsaufgabe. Die Ergebnisse zeigen, dass höhere Direktzahlungen für einen Betrieb einen geringen aber positiven Effekte auf die Wahrscheinlichkeit zu Weiterführung des Betriebes haben. Die Autoren finden jedoch auch einen signifikant negativen Effekt der Direktzahlungen für benachbarte Betriebe. Je höher die Direktzahlungen für Nachbarbetriebe, je wahrscheinlicher steigt also der analysierte Betrieb aus der Landwirtschaft aus. Die Autoren zeigen, dass sich direkte und indirekte Effekte in der Summe quasi ausgleichen. In einer Politiksimulation, in der direkte und indirekte Effekte berücksichtigt werden, zeigen die Autoren, dass eine Reduktion der Direktzahlungen in Norwegen um 10% fast keine Auswirkungen auf die Anzahl der austeigenden Betriebe haben würde.
Bei einem starreren Pachtzinsniveau wie in der Schweiz, sind geringere indirekte Effekte als in der norwegischen Fallstudie zu erwarten. Es bleibt jedoch offen, welche aggregierte Wirkung Mechanismen auf anderen In- und Outputmärkten haben. Trotzdem lässt sich schlussfolgernd aus dieser Arbeit schliessen, dass i) der Effekt von Direktzahlungen auf den Strukturwandel ohne Berücksichtigung indirekter Effekte überschätzt wird und ii) dass räumliche Interdependenzen zwischen einzelnen Betrieben von grosser Bedeutung für die empirische Politikanalyse sind.
Hofer, F. (2002). Strukturwirkung von Direktzahlungen. ETH, Zürich, Diss. ETH Nr. 14464
Storm, H., Mittenzwei, K., Heckelei, T. (2015). Direct payments, spatial competition, and farm survival in Norway. American Journal of Agricultural Economics, 97(4): 1192-1205 , Link