Einkommensstabilisierung in der Schweizer Landwirtschaft

Neue Risikomanagementstrategien helfen Landwirten in immer volatileren Markt- und Produktionsbedingungen zu agieren. In der GAP der EU wurde hierzu ein Einkommensversicherungsinstrument vorgeschlagen. Welchen Effekt hätte die Einführung eines Einkommensstabilisierungsinstruments auf die Schweizer Landwirtschaft?

 

In einem zunehmend volatilen Markt- und Produktionsumfeld steigt die Relevanz des Risikomanagements in der Landwirtschaft. Neben innerbetrieblichen Strategien können marktbasierte Lösungen wie Versicherungen ein wichtiges Absicherungsinstrument sein. Während Landwirte in Nordamerika auf unterschiedlichste Versicherungslösungen zurückgreifen können, ist dies in Europa bisher nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Eine breitere Palette an Absicherungsmöglichkeiten würde nicht nur den Landwirten zugutekommen, sondern auch der Agrarpolitik effiziente Alternativen für ad-hoc Hilfen bieten.

In Europa sind insbesondere Einkommensversicherungen in das Interesse von Politik und Interessenvertretern gerückt. Dies liegt darin begründet, dass eine Einkommensversicherung im Gegensatz zu Ertrags- oder Erlösversicherungen a) gezielt auf die für den Betrieb relevante Grösse abzielt, b) verschiedene Arten von Risiken (z.B. Preis- oder Produktionsrisiken) und deren Interdependenzen implizit berücksichtigt und c) im Gegensatz zu Versicherungen für einzelne Kulturen oder Betriebszweige, die Transaktionskosten verringert.

Während solche Einkommensversicherungslösungen in der US Amerikanischen und Kanadischen Landwirtschaft aktuell schon eingesetzt werden, hat die EU mit der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik das sogenannte Einkommensstabilisierungsinstrument (Income Stabilisation Tool, IST) vorgeschlagen. Dieser Vorschlag ist von besonderem Interesse für die Agrarpolitik, da die vorgeschlagene Ausgestaltung eine Subventionierung der Versicherung innerhalb der Green Box der WTO erlaubt. Ein Betrieb bekommt dabei eine Auszahlung, wenn sein Einkommen mindestens 30% unter dem durchschnittlichen landwirtschaftlichen Einkommen der letzten 3 Jahre liegt (alternativ kann auch der Mittelwert der letzten 5 Jahre, ohne den grössten und kleinsten der fünf Beobachtungen, verwendet werden). Die dann gewährte Kompensation beträgt 70% des Betrages unter der Verlustschwelle. Das Instrument soll und kann daher nur extreme Einkommensverluste auffangen.

Auch für die Schweizer Landwirtschaft könnte ein solches Instrument von Interesse sein, und wurde von Interessevertretern diskutiert. Wir haben daher in 2 Beiträgen analysiert, welche Betriebe besonders von diesem Instrument profitieren könnten – d.h. häufigere und oder grössere Auszahlungen erhalten – und wie sich ein solches Instrument auf die Einkommensverteilung in der Schweizerischen Landwirtschaft auswirken würde. Zu diesem Zweck wurden Buchhaltungsdaten über einen Zeitraum von 7 Jahren (2003-2009) analysiert und identifiziert, welche Betriebe in der Vergangenheit Auszahlungen erhalten hätten.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass durchschnittlich jedes Jahr 14% der Betriebe Auszahlungen erhalten hätten. Die durchschnittliche Auszahlung bei diesen Betrieben hätte dabei ca. 20`000 SFR betragen, wobei die Auszahlung im Mittel über alle Betriebe mit durchschnittlichen 2`600 SFR pro Jahr und Betrieb jedoch gering wäre. Es zeigte sich, dass insbesondere Betriebe mit hohem Nebenerwerbsanteil und tiefen Einkommen häufigere und höhere Auszahlungen erhalten hätten. Daraus muss geschlussfolgert werden, dass dieses Instrument nicht zwingend die Zielgruppe erreicht, der mit so einem Instrument mehr Anreize zu Investitionen und Produktion gegeben werden sollen. Durch die häufigeren Auszahlungen der (subventionierten) Versicherung an Betriebe mit tiefen Einkommen wird dabei auch ein weiteres Transferinstrument geschaffen. Im Gegensatz dazu, reduziert ein höherer Anteil Direktzahlungen die Wahrscheinlichkeit eines Betriebes für einen kompensationswürdigen Einkommensverlust. Neben einer Reduktion der Einkommensschwankungen einzelner Betrieben würde das IST auch zu einer Reduktion der Ungleichverteilung der Einkommen in der Schweizer Landwirtschaft führen, da sehr niedrige Einkommen durch die Versicherung verhindert würden.

Das in der GAP vorgeschlagene Instrument stellt auch für die Schweizer Landwirtschaft ein effektives Instrument dar, um extreme Einkommensverluste landwirtschaftlicher Betriebe zu vermeiden. Es müssten jedoch weitere Anpassungen und Spezifizierungen vorgenommen werden, um eine zielgerichtete Wirkung ohne unerwünschte Nebeneffekte zu gewährleisten. So sind Einkommensversicherungen mit vielfältigen Problemen asymmetrischer Information (z.B. einer möglichen Verhaltensänderung nach Einführung der Versicherung) behaftet und können eine Verdrängung von effizienteren Risikomanagementstrategien mit sich bringen. Andere Risikomanagementinstrumente und Versicherungsansätze müssen daher in jedem Fall weiterverfolgt werden, um eine breite und effiziente Toolbox zu kreieren, die es auch erlaubt in der Zukunft Absicherung gegen verschiedene Risiken zu gewährleisten.

 

El Benni, N., Finger, R., Meuwissen, M. (2015). Potential effects of the Income Stabilization Tool (IST) in Swiss agriculture. European Review of Agricultural Economics. In Press >>

Finger, R., El Benni, N. (2014). A note on the effects of the Income Stabilisation Tool on income inequality in agriculture. Journal of Agricultural Economics 65(3): 739-745 >>

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About Robert Finger

I am Agricultural Economist and head of the Agricultural Economics and Policy Group at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home