Die Definition von landwirtschaftlichen Handlungsräumen kann dadurch dazu beitragen, dass der Schutz des Kulturlandes effektiver gestaltet werden kann.
Fruchtbare landwirtschaftliche Böden sind in der Schweiz ein knappes Gut. Mit dem Verlust dieser Flächen durch Siedlungsentwicklung, Waldeinwuchs und Ausdehnung der Naturräume geht das Produktionspotenzial der Landwirtschaft zurück, was deren Möglichkeit einschränkt, einen Beitrag zur Ernährungssicherheit in der Schweiz zu leisten. Darüber hinaus führen die Entwicklung der landwirtschaftlichen Gebäude und Infrastrukturen sowie Immissionen wie Gerüche oder Lärm vermehrt zu raumrelevanten Nutzungskonflikten. Die Betrachtung dieser Entwicklungen unterstreicht den Eindruck, dass die Landwirtschaft von allen Seiten unter Druck ist und die landwirtschaftliche Produktion zunehmend eingeschränkt wird.
Zur Bewältigung dieser Herausforderung steht eine Handlungsoption im Vordergrund: Die Priorisierung der verschiedenen Leistungen der Landwirtschaft im Raum. Dazu sind die Bedürfnisse der Bevölkerung mit den Erfordernissen der Landwirtschaft und speziell der landwirtschaftlichen Produktion räumlich aufeinander abzustimmen. Diese Priorisierung geht dabei über das in der Literatur oft diskutierte Dichotom «land sharing» versus «land sparing» hin aus (Herzog & Schüepp 2013). Es gilt auch innerhalb von multifunktionalen Landschaften Prioritäten zu setzen!
Denn das Konzept der multifunktionalen Landwirtschaft weckt den Eindruck, dass überall alles möglich ist und gleichzeitig erbracht werden kann: landwirtschaftliche Produktion, Erhaltung der Biodiversität, Schaffung von Erholungs- und Freizeitraum und vieles mehr.
In der konkreten Umsetzung, insbesondere in Bezug auf den Kulturlandschutz, zeigt sich jedoch, dass eine Priorisierung notwendig ist. In einer zunehmend urbanen Gesellschaft mit vielen Ansprüchen an Landwirtschaft und Raum führt eine Gleichbehandlung der Räume letztendlich zu einem Verlust der Heterogenität und damit zum Gegenteil des eigentlich Beabsichtigten. Eine Priorisierung bedeutet aber immer auch, dass die gesellschaftlichen und landwirtschaftlichen Ansprüche gegeneinander abgewogen werden müssen. Dazu gehört auch, dass gewisse Leistungen nicht mehr überall erbracht werden.
Dass dies nicht nur graue Theorie ist, zeigt der Kanton Zürich. Dieser hat mit der langfristigen Raumplanungsstrategie Handlungsräume definiert, welche unterschiedliche Schwerpunkte in Bezug auf die Landwirtschaft setzen (siehe dazu Weber et al.2014). Die Prioritäten werden anders gesetzt je nachdem ob man sich in einer urbanen Wohnlandschaft oder in einer Naturlandschaft befindet.
Dieses Beispiel zeigt, dass die räumliche Priorisierung ausgewählter Leistungen einer grundsätzlich multifunktionalen Landwirtschaft nicht nur eine konzeptionelle Idee ist, sondern in konkreten Planungsprozessen sinnvoll eingesetzt werden und als Grundlage für die Berücksichtigung von Synergien und Güterabwägungen im Kontext einer produzierenden Schweizer Landwirtschaft dienen kann.
Dies ist einer Kurzfassung des Essays: „Erhaltung der Landwirtschaftsflächen bedingt Priorisierung der Leistungen“, welcher in der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen erschienen ist.
Quellen:
Huber R., Flury C., Weber M., und Pezzatti M. (2015) Erhaltung der Landwirtschaftsflächen bedingt Priorisierung der Leistungen (Essay). Schweizerische Zeitschrift fur Forstwesen: July/August 2015, Vol. 166, No. 4, pp. 208-212.
Weber M., Sorg L., Flury C. (2014) Landwirtschaft und Landschaft im Kanton Zürich. Handlungsbedarf für die kantonale Politik. Bericht zuhanden Amt für Landschaft und Natur im Rahmen des Projekts LaRes, Zürich. Zürich: webermanagement. 40 p.
Herzog F., SchüeppC. (2013) Are land sparing and land sharing real alternatives for European agricultural landscapes? Asp Appl Biol 121: 109–116.