Der Bundesrat will das System der Standardarbeitskraft verbessern. Dabei stellen sich vier Herausforderungen. Der technische Fortschritt ist eine davon.
Der Bundesrat hat einen Bericht zur Verbesserung des SAK-Systems vorgelegt. Eine der Grundlagen für den Bericht ist eine Evaluation des bestehenden SAK-System und die Prüfung verschiedener Optionen zur Weiterentwicklung oder zur Einführung von alternativen Systemen (Huber et al. 2014).
Vier Herausforderungen
In die Evaluation wurde eine grosse Gruppe von Experten –unter anderem aus dem Bundesamt für Landwirtschaft – und von Interessenvertretern einbezogen. In den Diskussion sind wir immer wieder auf vier grundlegende Punkte im Zusammenhang mit dem SAK-Systems gestossen.
- Standardisierung. Eine Standardisierung, d.h. eine einheitlicher Wert pro ha oder GVE, welche eine Gleichbehandlung der Betriebe und Rechtssicherheit bietet, erfordert eine zeitliche Anpassung an den „technischen Fortschritt“.
- Landwirtschaftsnahe Tätigkeiten. Die Berücksichtigung von landwirtschaftsnahen Tätigkeiten muss auch mit Blick auf die Datengrundlage beurteilt werden. Diese ist im Vergleich zu kernlandwirtschaftlichen Aktivitäten weniger breit und fundiert.
- Anteil Kernlandwirtschaft. Der Anteil der Kernlandwirtschaft für förderungswürdige Betriebe ist der Kristallisationspunkt für die Diskussion eines Agrarstrukturleitbildes. Diese Diskussion wird Bestandteil der Agrarreformetappen bleiben und kann nicht durch eine Änderung des SAK-Systems umgangen werden.
- Rechtssicherheit. Die Rechtssicherheit, basierend auf einer objektiven Bestimmung der Betriebsgrösse, bleibt ein zentraler Aspekt einer Weiterentwicklung oder allenfalls einer Ablösung des Systems. Mehr Rechtsfälle sind weder für die Landwirtschaft noch für die Verwaltung von Interesse.
In vier Blog-Beiträgen führen wir zu jedem dieser Punkte aus, weshalb diese eine Herausforderung für die Verbesserung des Systems darstellen. Der Anfang macht dabei der „technische Fortschritt“.
Der „technische Fortschritt“ im SAK-System
Der Bundesrat sieht vor, dass die SAK-Faktoren zur Berechnung der Betriebsgrösse dem technischen Fortschritt angepasst werden. Dies ist gut begründbar. In der Diskussion muss man sich jedoch vor Augen halten, was „technischer Fortschritt“ in diesem Kontext eigentlich bedeutet. Was gemeinhin als „technischer Fortschritt“ bezeichnet wird, hat zwei unterschiedliche Komponenten.
Zum einen ist die Anpassung der Produktionssysteme (über den Strukturwandel) gemeint: Betriebe können über Investitionen in Gebäude oder Maschinen den Arbeitszeitbedarf pro Tier oder Flächeneinheit senken. Beispielsweise reduzieren Betriebe, welche von einem Anbindestall in ein Laufstallsystem wechseln, ihren Arbeitszeitaufwand pro Kuh signifikant. Über alle Betriebe summiert ergibt sich damit ebenfalls eine Reduktion des mittleren Arbeitszeitbedarfs pro Kuh. Zudem nimmt der Arbeitsbedarf pro Einheit ab, wenn die Betriebe wachsen und damit Gebäude und Maschinen besser auslasten können.
Zum anderen bezieht sich „technischer Fortschritt“ auf neue Technologien: Neue Entwicklungen wie beispielsweise Melkroboter in der Milchkuhhaltung oder Entwicklungen im Bereich der Landmaschinentechnik führen dazu, dass der Arbeitszeitbedarf pro Tier oder Flächeneinheit sinkt (im gleichen Stall). Die Übernahme von neuen Technologien führt deshalb im Durchschnitt ebenfalls zu einer Reduktion des Arbeitszeitaufwandes pro Kuh oder Hektare Fläche.
Sektorale vs. einzelbetriebliche Perspektive
Im Kontext der SAK werden diese beiden Aspekte unter dem Begriff „technischer Fortschritt“ zusammengefasst. Die Begründung für eine Anpassung der Faktoren basiert dabei auf einer sektoralen Ebene. Über alle Betriebe hinweg kann man den technischen Fortschritt messen und die kontinuierliche Veränderung mit Zahlen belegen. Der technische Fortschritt ist auf dieser Stufe unbestritten und eine kontinuierliche Anpassung der Faktoren somit erklär- und nachvollziehbar.
Für den einzelnen Betrieb muss dies aber nicht stimmen. Der einzelne Landwirt investiert nicht kontinuierlich, sondern im Abstand von mehreren Jahren (oder sogar Jahrzehnten). Vor allem mit Blick auf die Anpassung der Produktionssysteme, d.h. auf die strukturelle Komponente des technischen Fortschritts, führt dies zu einem Spannungsfeld: Wer vor zehn Jahren in einen Laufstall investiert hat, hat nicht weniger Arbeit, nur weil der Anteil der Laufställe mit weniger Arbeitsaufwand zugenommen hat oder die Betriebe im Durchschnitt etwas gewachsen sind.
Unter der Annahme, dass der Betrieb keine strukturellen Anpassungen vornimmt, wird er mit einer Anpassung der SAK-Faktoren an den technischen Fortschritt somit rechtlich „kleiner“, ohne dass er weniger Arbeit hätte oder ineffizienter wirtschaften würde. Für die Direktzahlungen mag dies eine untergeordnete Rolle spielen. Für die Gewerbefeststellung aber, die vielfach eben gerade mit neuen Investitionen und mit technischem Fortschritt verbunden ist, ist dies eine grosse Herausforderung.
Möglicher Lösungsansatz: Zweistufiges System
Das Dilemma zwischen einer kontinuierlichen Entwicklung auf Sektorebene und der einzelbetrieblichen, diskontinuierlichen Anpassung an den technischen Fortschritt besteht für jedes Betriebsgrössenmass. Es gibt in diesem Sinne kein alternatives Mass oder einen Kniff bei der SAK, der dieses Problem lösen könnte. Ein möglicher Ausweg wäre ein zweistufiges System, bei der ein Betriebsgrössenmass wie die SAK lediglich als Eintrittsschwelle dient (erste Stufe), für die eigentliche Gewerbefeststellung aber eine einzelbetriebliche Prüfung vorgenommen wird (zweite Stufe). Dieses Vorgehen wird bei den Strukturverbesserungen bereits angewendet. Ein Nachteil wäre, dass der administrative Aufwand zunehmen würde. Dieser dürfte sich aber insofern in Grenzen halten, als die Gewerbefeststellung auf dem Einzelbetrieb meist nur im Rahmen des Generationswechsels erfolgt.
Trotzdem will der Bundesrat eine solche Lösung näher prüfen und längerfristig eine auch einführen. Eine Gewerbefeststellung würde damit wohl komplizierter. Sie könnte aber stärker auf die einzelbetriebliche Situation Rücksicht nehmen. Das wäre wohl auch im Sinne vieler kleinerer, aber trotzdem erfolgreich wirtschaftender Betrieben.
Quelle: Huber R., Meier B. und Flury, C. 2014. Evaluation, Weiterentwicklung und Alternativen des SAK-Systems. Bericht zuhanden des Bundesamts für Landwirtschaft. Flury&Giuliani, GmbH Zürich und bemepro Winterthur.