Quantitative Auswertungen sind für die Steuerung der Agrarpolitik von zentraler Bedeutung. Der Teufel steckt im Detail.
In der Agrarpolitik sind quantitative Auswertungen elementar, weil sie „harte Fakten“ schaffen. Für eine statistisch verifizierte Aussage braucht es aber gute Daten. Vier Beispiele zeigen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.
1. Im letzten Jahr wurden die Betriebsdaten in der Westschweiz neu erhoben. Bei der Weitergabe an die Tierverkehrsdatenbank wurden die erstkalbenden Kühe versehentlich als „andere Kühe“ statt als Milchkühe in die Statistik aufgenommen. Der Milchkuhbestand war deshalb vorübergehend auf einem historischen Tiefstand. Die falsche Deklaration wurde erst im Januar dieses Jahres entdeckt.
2. Die FAO verfasst jedes Jahr einen Bericht zur weltweiten Lage der Nahrungsmittelsicherheit. Dabei wird jeweils die Zahl der Hungernden ausgewiesen. Im letzten Jahr wurde die Berechnungsmethode angepasst. Unter anderem werden neu auch die Nahrungsmittelverluste auf der Verarbeitungsstufe berücksichtigt. Diese sinnvolle Änderung der Berechnungsmethode und deren rückwirkende Anwendung für die Zeit seit 1990 führten dazu, dass die Anzahl der Hungernden am Anfang der neunziger Jahre deutlich höher ausgefallen ist als mit der alten Berechnungsmethode. Zudem stieg die berechnete Anzahl der Hungernden während der Nahrungsmittelkrise gar nicht an (siehe Abbildung) und das Ziel der Millenium Development Goals, die Halbierung der Anzahl Hungernden bis 2015, scheint plötzlich wieder erreichbar. Source: http://www.ifpri.org/gfpr/2012/food-policy-2012
3. Agroscope hat die Umweltwirkung verschiedener landwirtschaftlicher Produkte aus dem In- und Ausland miteinander verglichen. Die Resultate zeigen, dass inländischer Käse und Kartoffeln die Umwelt weniger belasten als Importe. Für Weizen, Futtergerste und Rindfleisch ist der Vorteil jedoch nicht eindeutig. Die Studie ist wissenschaftlich fundiert und erlaubt eine robuste Aussage über die betrachteten Produkte. Hinter dem Endergebnis, welches mit Hilfe einer Ökobilanzierung berechnet wurde, stehen jedoch eine Vielzahl von Annahmen. Das Problem ist nicht, dass Daten fehlen würden, sondern aus einer riesigen Datenmenge zu den unterschiedlichen Produktionssystemen die richtigen auszuwählen, zu aggregieren und in einem Wert zusammenzufassen. Würde man beispielsweise die Umweltwirkung pro Hektare statt pro Kilogramm produzierter Menge ausweisen, könnten die Resultate unter Umständen anders aussehen – insbesondere beim Getreide.
4. Verschiedene Umweltverbände haben die volkswirtschaftlichen Kosten des Pestizideinsatzes berechnen lassen. Dabei werden mit Hilfe einer Meta-Analyse die Gesundheitskosten aus anderen Ländern übernommen (z.B. 3.36 Euro pro aktive Substanz im Trinkwasser) und mit der verwendeten Menge in der Schweiz multipliziert. Auch in diesem Fall ist die Berechnungsmethode legitim und fundiert, insbesondere da die Autoren auf die Unsicherheiten verweisen. Inwiefern jedoch ein Wert für die Schweiz gültig ist, der auf Spitalkosten in den USA oder Österreich beruht, bleibt offen.
Eine falsche Zuordnung, eine Änderungen der Berechnungsmethode, die Wahl der Annahmen oder ein Transfer von Daten – das sind nur vier Beispiele, welche die Herausforderungen aufzeigen, die im Umgang mit Daten entstehen. Die Liste ist keinesfalls abschiessend. Harte Fakten und Zahlen sind für die Evaluation der Agrarpolitik zentral. Trotzdem lohnt es sich manchmal, die Zahlen genau anzuschauen. Zahlen lügen nicht – man sollte ihnen aber auch nicht blind vertrauen.