Robert Huber. Die SVP und der Bauernverband planen Initiativen, welche die Versorgungssicherheit stärken sollen. Die Initiativen haben gute Chancen von der Bevölkerung unterstützt zu werden.
Die SVP möchte mit einer Initiative einen fixen Selbstversorgungsgrad in der Verfassung verankern und gleichzeitig zukünftige Liberalisierungen in der Landwirtschaft verhindern. Gleichzeitig plant auch der Bauernverband eine Volksinitiative, welche die Versorgungssicherheit durch die inländische Produktion stärken soll.
Diese Initiativen haben gute Chancen von der Bevölkerung angenommen zu werden, sofern sie richtig formuliert werden. Dies impliziert zumindest die schweizweite und repräsentative Umfrage zur Bedeutung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft von Therese Haller im Rahmen ihrer Dissertation an der ETH.
Die Resultate zeigen, dass zwei Drittel der Befragten der Meinung sind, dass in der Schweiz ein höherer Inlandanteil der Lebensmittel nötig sei. Zudem deuten die Resultate darauf hin, dass die Wertschätzung der inländischen Landwirtschaft stärker von ihrer quantitativen Leistung als von der wahrgenommenen Qualität der Produktion abhängt. Therese Haller folgert daraus, dass die quantitative Versorgungssicherheit aus Sicht der Bevölkerung noch immer das zentrale Thema ist, wenn es um die Landwirtschaft geht.
Die Ergebnisse aus der Befragung zeigen aber auch die Herausforderungen für solche Initiativen. Die Einschätzung der Leistung der Schweizer Landwirtschaft während des zweiten Weltkriegs hatte nämlich einen grossen Einfluss auf die wahrgenommene Notwendigkeit der Inlandproduktion. Dabei glaubten fast 70% der Befragten, dass der Selbstversorgungsgrad während des zweiten Weltkriegs bei 80% oder höher lag. In Tat und Wahrheit war dieser jedoch deutlich tiefer. Gemessen am Verbrauch lag dieser bei 70%. Mit Blick auf den Bedarf, das heisst auf eine Situation mit ausreichender Versorgung, lag der Selbstversorgungsgrad sogar nur bei 60% und damit nicht höher als heute.
Auch wenn das in der Dissertation nicht untersucht wurde, so kann man trotzdem davon ausgehen, dass mit der Diskussion vor einer Abstimmung die Bevölkerung für die entsprechenden Fakten sensibilisiert würde. Für den Erfolg einer Abstimmung wäre deshalb entscheidend, wie die entsprechenden Passagen formuliert sind und wie stark die emotionalen Argumente in den Vordergrund gerückt werden können.
Für die Landwirtschaft entstünden aber bei einem fixen Selbstversorgungsgrad ganz andere Probleme. De facto erreicht die Schweiz den bestehenden Selbstversorgungsgrad von 60% nur dank dem Import von Futtermitteln. Folglich wäre eine Erhöhung des Inlandversorgungsgrads nur mit einer Verlagerung von der tierischen zur pflanzlichen Produktion und folgerichtig mit einer entsprechenden Änderung der Konsumgewohnheiten möglich. Auf die entsprechenden Gesetzesänderungen dürfte man gespannt sein.
Quelle: Haller T. 2011. Bedeutung der Landwirtschaft in einer zunehmend urbanen Gesellschaft. ETH Diss. No. 19563.
Lieber Herr Huber
Ich habe Mühe damit immer nur die Kalorien zu betrachten. Wenn man im Tessin Oliven anbaut und die Äcker im Unterland mit Ölkürbissen bestellt hat man umgehend mehr inländische Kalorien produziert – ich bezweifle aber, dass das Sinn macht. Das ‚Mantra‘ der Agrarallianz: „Noch nie haben die Schweizer Bauern so viele Kalorien produziert wie heute“ blendet nicht nur die Importe von Futtermitteln aus, sondern auch die Stilllegung oder Unter-Nutzung von Flächen, die aus Naturschutz –, Landschaftsschutz- oder Direktzahlungsoptimierungsgründen unter ihrem natürlichen Produktionspotential bewirtschaftet werden. Es gibt eben auch einen Zusammenhang zwischen Futtermittelimporten und Ökologisierung bzw. Agrarpolitik. Und ich gehe davon aus, dass diese Zusammenhänge künftig ebenfalls thematisiert werden. Wer rechnet macht Ökoflächen, kauft hochwertiges Heu aus dem Ausland zu und kassiert dann womöglich sogar noch die Beiträge für graslandbasierte Produktion.
Möglicherweise ist Selbstversorgungsgrad der falsche Ausdruck. Aus meiner Sicht wäre Ressourceneffizienz besser. Man müsste schweizweit eine möglichst effiziente Nutzung der vorhandenen natürlichen Ressourcen anpeilen. Diesbezüglich sind nicht nur die Futtermittelimporte zu hinterfragen, sondern eben auch ganz viele Ökoflächen. Eine effiziente Ressourcennutzung würde zudem bedeuten: Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Produktion im Berg- und Sömmerungsgebiet, OBWOHL diese wesentlich teurer ist als im Tal.
Tragischerweise werden künftig unter der AP14-17 viele Flächen (hauptsächlich im Berggebiet und auf den Alpen, wo keinerlei Konkurrenz mit anderen Nutzungen besteht) nicht mehr zur Lebensmittelproduktion genutzt, sondern höchstens noch „für schön“ oder „für Biodiversität“ bewirtschaftet, wobei letzteres oft nicht einmal erfolgreich ist. Das ist das Zweite, was dringend nötig wäre: Mehr Ökoeffizienz.
MfG
E.Dudda
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