In der Diskussion zur AP 14-17 argumentieren Gegner als auch Befürworter mit dem Selbstversorgungsgrad. Was dieser Indikator aber genau misst, wird oft unterschlagen.
Die anstehende Diskussion zur AP 14-17 wird oft auf die Maxime „Produzenten von Lebensmitteln“ vs. „Landschaftsgärtner“ reduziert. Die produzierende Landwirtschaft wird dabei von Befürwortern als auch Kritikern der Agrarreformetappe gern mit dem Selbstversorgungsgrad in Bezug gebracht.
Dabei hat dieser Indikator nur zur Hälfte etwas mit der Produktion von Nahrungsmitteln zu tun. Der Selbstversorgungsgrad wird aus dem Verhältnis der landwirtschaftlichen Kalorienproduktion (Angebotsseite) und dem Verbrauch der Bevölkerung (Nachfrageseite) gebildet. Das mag trivial klingen, führt aber dazu, dass der Indikator alleine nicht dafür geeignet ist, etwas über die Produktivität der Landwirtschaft auszusagen.
Hält beispielsweise die Zuwanderung in die Schweiz weiterhin an, sinkt der Selbstversorgungsgrad, auch wenn die Bauern genau gleich viele Nahrungsmittel produzieren. Umgekehrt führt die Alterung der Gesellschaft dazu, dass der Selbstversorgungsgrad tendenziell steigt, weil ältere Menschen weniger Nahrungsmittel konsumieren – die Überalterung führt bei einer unveränderten Bevölkerungszahl zu einem Rückgang des Kalorienbedarfs.
Darüber hinaus ist der Indikator auch abhängig vom gewählten Referenzwert. Das berühmteste Beispiel ist der Anstieg des Selbstversorgungsgrad während des 2. Weltkriegs. Nimmt man den Verbrauch als Referenzeinheit, dann stieg der Selbstversorgungsgrad durch die Anbauschlacht um fast 20% von ungefähr 50% in den Jahren 34/36 auf 70% in den Kriegsjahren 43/45. Im Gegensatz stieg der Selbstversorgungsgrad gemessen am Nahrungsmittelbedarf nur um 7% (von 52% auf 59%). Dies reflektiert die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung schlicht nicht genügend Kalorien zu sich nehmen konnte.
Die heutige Berechnung des Selbstversorgungsgrad bezieht sich auf den Verbrauch, der aus der Summe von inländischer Produktion, Importen, Exporten und Veränderungen der Lager gebildet wird. Ein Sinken des Selbstversorgungsgrads kann daher verschiedene Ursachen haben wie beispielsweise sinkende Importe oder steigende Exporte.
Wenn es um die AP 14-17 geht, ist deshalb Vorsicht geboten, wenn mit dem Selbstversorgunggrad argumentiert wird, egal ob von Befürwortern oder Gegnern. Der Selbstversorgungsgrad berücksichtigt auch die Nachfrageseite und lässt sich weder einfach berechnen noch monokausal erklären. Das ist wohl auch der Grund, weshalb er sich in den letzten Jahren, trotz agrarpolitischen Reformen, kaum geändert hat.