Wenig Bewegung im Schweizer Biomarkt trotz Bio-Grossisten

In der NZZaS wurde das Thema „Bio“ kontrovers diskutiert. Diese grundsätzlichen Diskussionen verschleiern die konkreten Entwicklungen im Biomarkt. Trotz des Einstiegs von Bio-Grossisten sieht Ruth Hofmann in der nahen Zukunft wenig zusätzliches Potenzial im Schweizer Biomarkt.

Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Migros Genosschenschaft Zürich mit dem Deutschen Bio-Grossisten Alnatura zusammenspannt, um gemeinsam betriebene Bioläden zu lancieren. Im Spätsommer 2012 soll die erste Pilotfiliale in Zürich Höngg eröffnet werden. Hintergrund dieser neuen Strategie ist, dass die Migros im Vergleich zu Coop mit Bioprodukten ungefähr 50% weniger Umsatz generierte (Bioumsatz Migros 2011: 435 Mio; Bioumsatz Coop 2011: 829 Mio). Die Migros-Umsätze mit Bioprodukten steigen zwar kontinuierlich; der grosse Vorsprung von Coop konnte in den letzen Jahren trotz verschiedener Anstrengungen von Seiten der Migros (u.a. Einführung eines einheitlichen Verpackungsauftritts und Lancierung von zahlreichen zusätzlichen Produkten in Bioqualität) nicht markant verringert werden.

Drei Gründe sprechen dafür, dass die Aufholjagd durch die geplante neue Kooperations-Strategie mit Alnatura schwierig wird:

1. Wachstum ist begrenzt. Der Biomarkt in der Schweiz wird zwar weiterhin wachsen, zweistellige Zuwachsraten wie in der Vergangenheit wird es aber voraussichtlich kaum mehr geben. Zudem wird bereits heute ein sehr grosser Anteil an Bioware importiert, weil die Schweizer Biobauern die Nachfrage nach vielen Produkten bei weitem nicht decken können. Von der zunehmenden Nachfrage nach Bioprodukten profitieren also vor allem auch ausländische Produzenten und Lieferanten. Obwohl 2011 gemäss Bio Suisse erstmals seit längerer Zeit wieder einige wenige zusätzliche Bioproduzenten gewonnen werden konnten, wird sich an dieser Situation mittelfristig wenig ändern. Zu gering ist der finanzielle Anreiz einer Bio-Umstellung. Sofern sich bei den Direktzahlungen in der AP 2014-2017 hierzu keine markanten Änderungen ergeben, ist mittelfristig keine Änderung der Situation zu erwarten.

2. Margen bleiben hoch. Die meisten Detailhändler haben inzwischen gemerkt, dass mit Bio gutes Geld zu verdienen ist. So bieten auch verschiedene Discounter, insbesondere Aldi, in der Schweiz ein grosses Sortiment an Bioprodukten an. Laut einem Artikel im Sonntagsblick vom 11.3.2011 sollen die Preise für Bioprodukte in den letzten 3 Jahren bei Coop um bis zu 20% gesunken sein, ohne dass ein zusätzlicher Preisdruck auf die Lieferanten entstanden wäre. Dies spricht dafür, dass die Detailhändlermargen bei vielen Bioprodukten um einiges höher liegen als bei den übrigen Lebensmitteln. Daher ist auch davon auszugehen, dass die Produkte von Alnatura in der Schweiz bei weitem nicht so günstig sein werden, wie in den Deutschen Alnatura-Filialen. Dasselbe Phänomen konnte auch beim Schweizer Markteintritt der Deutschen Discounter Aldi und Lidl beobachtet werden.

3. Standorte sind begrenzt. Viele Details betreffend des neuen Migros/Alnatura-Ladenkonzepts sind zwar noch unbekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass das geplante Format hauptsächlich an urbanen Lagen mit hohen Frequenzen funktionieren wird. Solche Standorte gibt es in der Schweiz nicht viele, zudem sind an solchen Lagen Ladenlokale extrem schwer zu bekommen, da die Konkurrenz durch andere zahlungskräftigere Branchen (Unterhaltungselektronik, Kleider) enorm ist. Bestehende Migros-Filialen in das neue Ladenformat zu überführen (wie das offenbar in Höngg geplant ist), dürfte ebenfalls heikel sein und nur für ganz wenige Standorte überhaupt in Frage kommen; zu gross ist das Risiko, dass die Stammkundschaft zu andern Anbietern abwandert. Somit dürfte es wohl auch in Zukunft nur eine relativ geringe Anzahl solcher Läden geben (schätzungsweise 10-15 Filialen Schweizweit). Um mit dem neuen Ladenkonzept profitabel arbeiten zu können, muss das Angebot so stark wie möglich standardisiert sein. Regionale Lieferanten dürften also kaum berücksichtig werden, dafür ist mit einem grösseren Angebot an Deutschen Bio-Markenprodukten zu rechnen.

Einige Kommentare erwähnten eine zu erwartende ‚Belebung des Biofachhandels‘ durch das neue Ladenkonzept. Unter Biofachhandel werden aber in erster Linie unabhängige, inhabergeführte Geschäfte verstanden. In den letzten Jahren hatten viele dieser Biofachgeschäfte mit stagnierenden oder sogar sinkenden Umsätzen zu kämpfen. Das grösste Biofachgeschäft der Schweiz (Vatter in Bern) wurde 2011 sogar ganz geschlossen. Diese Tendenz der Verlagerung der Bio-Umsätze weg vom Biofachhandel zu den marktdominierenden Anbietern Migros und Coop einerseits und in die Direktvermarktung andererseits wird sich in Zukunft wohl noch verstärken. Bereits heute ist die Diskrepanz zwischen den Preisniveaus im Biofachhandel und bei Migros bzw. Coop beträchtlich. Sollten dereinst in den Migros/Alnatura-Geschäften sogar identische Markenprodukte wie im Bioladen zu einem günstigeren Preis zu finden sein, könnte es für viele Biofachgeschäfte sehr eng werden.

Trotz diesem möglichen Druck auf die Biofachgeschäfte wird aufgrund der drei oben genannten Punkte der Einstieg des Bio-Grossisten Alnatura wohl wenig Einfluss auf die Gesamtsituation des Schweizer Biomarkts haben. Insbesondere ist nicht damit zu rechnen, dass die Schweizer Bio-Bauern davon profitieren können. Ob sich die Nachfrage nach Bio-Produkten durch dieses Konzept erhöhen lassen, ohne dass einfach andere Anbieter kannibalisiert werden, darf bezweifelt werden.

Ruth Hofmann, Kennerin des Biomarkts, hat an der ETH Agrarökonomie studiert.

Eine Antwort auf „Wenig Bewegung im Schweizer Biomarkt trotz Bio-Grossisten

  1. Tatsächlich kommen viele Bio-Produkte, welche in den COOP-Läden angeboten werden, aus dem Ausland: Bio-Soja aus China, -Dinkel aus Kanada, -Gemüse und -Früchte aus Spanien und Italien. In VOLG-Läden ist Bio fast inexistent. Gestern wollte ich in einem grösseren COOP-Dorfladen Bio-Fleisch kaufen, weil die Naturaplan-Tiere die einzigen sind, die auch unangemeldet (vom Schweizer Tierschutz) kontrolliert werden, und weil das Tierschutzgesetz längst nicht in allen Kantonen durchgesetzt wird. Weder abgepackt, noch im Offenverkauf gab es Naturaplan-Fleisch. Auf die Frage, ob sie kein Naturaplan-Fleisch hätten, war von der Metzgerei-Verkäuferin zu hören: „Naturaplan gibt es nur bei den übrigen Produkten, Fleisch gibt es nur Naturafarm.“ Auch meine weiteren Hinweise beachtete sie nicht, reagierte gar ungehalten auf mein Insistieren. Da produzieren die Schweizer Bauern Milch-Überschüsse, und der Schweinepreis ist stets im Keller, aber die Nachfrage nach Bio-Produkten kann bei weitem nicht gedeckt werden. Viele Bauern produzieren, was ihnen passt, produzieren am Markt vorbei. Die Direktzahlungen fliessen trotzdem!

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