Zunehmende Einkommensungleichheiten in der Schweizer Landwirtschaft

Robert Huber. Die Ungleichheit zwischen den Einkommen aus der landwirtschaftlichen Produktion nimmt auf Schweizer Betrieben zu. Das kann auch eine positive Nachricht sein.

Mit Blick auf den landwirtschaftlichen Strukturwandel ist nicht nur die Anzahl der Betriebe von Bedeutung, sondern auch die Einkommensverteilung. Zwei aktuelle Artikel aus der agrarökonomischen Forschung befassen sich mit den Effekten der Agrarpolitik auf die Einkommensverteilung in der Schweizer Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren (El Benni et al. 2012 und El Benni und Finger 2012).

Die Ergebnisse zeigen, dass die Ungleichheit zwischen den von den Betrieben erzielten Markteinkommen (ohne Direktzahlungen) in den letzten 20 Jahren zugenommen hat. Mit anderen Worten, ein immer kleinerer Anteil der Landwirte erwirtschaften einen immer grösseren Anteil der Einkommen aus der landwirtschaftlichen Produktion.

Dies deckt sich mit der Entwicklung des Arbeitsverdienstes. Ein Vergleich der Einkommen nach Regionen und Quartilen zwischen 99/01 und 80/10 zeigt, dass der Arbeitsverdienst bei den besseren Betrieben zugenommen hat, während der Arbeitsverdienst beim schlechtesten Viertel abgenommen hat (Quelle: Agrarbericht diverse Jahrgänge).

Auf der anderen Seite hat sich die Einkommensverteilung auf der Ebene der Haushaltseinkommen nur unwesentlich geändert. Die Direktzahlungen einerseits und der Anstieg der ausserlandwirtschaftlichen Einkommen andererseits konnten die Entstehung grösserer Einkommensunterschiede teilweise kompensieren.

Von den Direktzahlungen spielten für die Einkommensverteilung insbesondere die Flächenbeiträge eine wichtige Rolle. Grosse Betriebe produzieren – trotz der meist tieferen Intensität – normalerweise auch mehr agrarische Rohstoffe als kleine Betriebe und erzielen dank der Grösseneffekte im Durchschnitt höhere Einkommen. Die agrarpolitische Änderung von der Preisstützung zu den Direktzahlungen hatte daher einen geringen Effekt auf die Einkommensverteilung, weil beide Systeme grössere Betriebe bevorteilen.

Für die (kleineren) Betriebe mit tieferen Einkommen garantierten die Direktzahlungen ein gewisses Einkommensniveau. Dies ist selbst der Fall wenn der Netto-Erlös aus der Produktion negativ war, was zu einem strukturellen Problem einiger Betriebe geworden ist. Im Tal- und Hügelgebiet konnten diese Betriebe dank höheren ausserlandwirtschaftlichen Einkommen den preisbedingten Einkommensrückgang aus der Produktion kompensieren. Im Berggebiet war dies nicht in vollem Umfang möglich, wodurch die Ungleichheit stärker zunahm als in den beiden anderen Zonen.

Diese Analysen widerspiegeln eine duale Entwicklung der Schweizer Landwirtschaft in den letzten Jahren. (Wenige) grössere Betriebe werden professioneller und erzielen ihre Einkommen aus der Produktion von landwirtschaftlichen Produkten, viele kleinere Betriebe optimieren ihr Haushaltseinkommen, indem Familienmitglieder zunehmend ausserhalb des Betriebs arbeiten. Die absolute Anzahl der Betriebe und die daraus berechneten mittleren Einkommen sind folglich immer weniger aussagekräftig in der Beurteilung der Strukturentwicklung.

Mit Blick auf die Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems implizieren die Studien, dass eine Fokussierung auf flächengebundene Zahlungen die Einkommensverteilung weiter in Richtung der grösseren Betriebe verschiebt. Implizit fördert WDZ damit eine duale Strukturentwicklung.

Einerseits werden nämlich grössere und damit tendenziell wettbewerbsfähigere Betriebe stärker gefördert. Andererseits dürfte in Regionen, in denen ausreichend ausserbetriebliche Erwerbsmöglichkeiten bestehen, die Anzahl an Betrieben nicht abnehmen, weil auch kleine Betriebe in einer Erwerbskombination ausreichende Einkommen erzielen.

Dies gilt auch für junge Landwirtinnen und Landwirte. Ein Teil von ihnen beabsichtigt auch dann in die Landwirtschaft einzusteigen, wenn sie in der Landwirtschaft alleine kein zufriedenstellendes Einkommen erwirtschaften können (Rossier und Wyss 2000).

In der öffentlichen Diskussion wird oft auf den Rückgang der Landwirtschaftsbetriebe verwiesen. Viel wichtiger wäre es aber darüber zu diskutieren, wie die zukünftige Grössenstruktur der Schweizer Landwirtschaft aussehen sollte. Voraussetzung dafür wäre ein Konsens gerade auch bei den agrarpolitischen Akteuren (Flury et al. 2010).

Literatur

Agrarberichte diverse Jahrgänge. Online: http://www.blw.admin.ch/dokumentation/00018/00498/index.html?lang=de

El Benni, N., Finger, R., Mann, S., Lehmann, B. 2012. The distributional effects of agricultural policy reforms in Switzerland, Agricultural Economics (AGRIECON) im Druck.

El Benni, N., Finger, R. 2012. The effect of agricultural policy reforms on income inequality in Swiss agriculture – An analysis for valley, hill and mountain regions. EAAE Congress 2011, Zurich.

Flury, C., Meier, B., Giuliani, G. 2010. Simulation zukünftiger Betriebsgrössenstrukturen. Agrarforschung Schweiz 1 (3), 2010: 102-109.

Rossier R., Wyss B. 2007. Erwerbskombination – Kein Hindernis für die Hofnachfolge. Agrarforschung 14 (3), 2007: 108-113.

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