Tobias Dalhaus, Robert Finger, Asaf Tzachor, Niklas Möhring*
Innovative Lösungen in der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) können dazu beitragen PSM-Risiken für Mensch und Umwelt zu reduzieren. Prognosemodelle die auf Basis von Umweltdaten das Auftreten von Pflanzenkrankheiten mittels künstlicher Intelligenz (KI) vorhersagen, können beispielsweise dazu genutzt werden, um die PSM Ausbringung entsprechend anzupassen. Des Weiteren können Lohnunternehmen die sich auf die PSM-Ausbringung spezialisiert haben Zugang zu moderner Ausbringungstechnik erleichtern die zum Beispiel Abdrift reduziert und/oder PSM teilflächenspezifisch ausbringt. Wir beobachten, dass sowohl die Rolle von Lohnunternehmen als auch von KI stetig zunehmen.
In einem kürzlich in der Zeitschrift Nature Food erschienenen Artikel (Dalhaus et al. 2024) analysieren wir die Entwicklungen von KI-basierten PSM Ausbringung und PSM Ausbringung durch spezialisierte PSM-Lohnunternehmen und vor allem welche Vorteile und Risiken das bedeutet und erarbeiten Lösungen um diese Risiken zu reduzieren.
Traditionell lag die Entscheidung über den PSM-Einsatz in den Händen der Landwirt*Innen. Doch zunehmend übernehmen externe Lohnunternehmen oder KI-basierte Systeme diese Aufgabe. PSM spezialisierte Lohnunternehmen investieren in moderne Technik und treffen eigenständig Entscheidungen über Produkte, Dosierungen und Anwendungszeiträume. Es ist noch unklar, welche Implikationen diese Entwicklung hat. Neben den bekannten Vorteilen, bieten derartige Entwicklungen nämlich auch bisher unberücksichtigte Risiken. Während die Professionalisierung durch KI und Lohnunternehmer die Effizienz erhöhen und Fehler minimieren kann (Finger 2023), haben Lohnunternehmer und KI-gestützte Systeme mitunter andere Anreize und Zielfunktionen als Landwirte, z.B. hinsichtlich der langfristigen Produktivität von Flächen oder der Vermeidung von negativen Ergebnissen. So haben Lohnunternehmer und KI-gestützte System einen grossen Anreiz keine Fehler zu machen, die Ertragseinbussen bedeuten können, um zum Beispiel wieder gebucht zu werden und Regressforderungen zu vermeiden (Abbildung 1). KI-gestützten Systemen die Echtzeitdaten analysieren, um präzise Anwendungsempfehlungen zu geben, nutzen oft intransparente „Black-Box-Modelle“, die nicht zwingend Risiken auf Gesundheit und Umwelt berücksichtigen. Insbesondere wenn derartige Systeme von PSM-Herstellern angeboten werden, können Interessenskonflikte dazu führen, den PSM-Einsatz zu erhöhen, um Ernteverluste zu vermeiden.

Abbildung 1: Vorteile und Risiken der Auslagerung von PSM-Entscheidungen an PSM-Lohnunternehmen und KI-basierte PSM Ausbringung
Es besteht daher die Gefahr, dass diese und andere wirtschaftliche Interessen der Lohnunternehmen oder KI-basierte Systeme zu konservativerem Einsatz von PSM führen, und so den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln untergraben. Beide Systeme haben gemeinsam, dass PSM Alternativen im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes nicht zwingend ausreichend berücksichtigt werden.
Um diese Risiken zu mindern und die potentiell grossen Vorteile zu nutzen, schlagen wir drei Massnahmen vor:
Evidenz und Folgenabschätzung: Studien auf Basis von Betriebsdaten müssen Evidenz liefern, wie sich der Wechsel auf KI gestützte PSM-Ausbringung und PSM-Ausbringung durch Lohnunternehmen tatsächlich in der Realität auf den Pflanzenschutzmitteleinsatz und die daraus resultierenden Risken auswirkt.
Berücksichtigung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken: KI-Systeme und Lohnunternehmen sollten Ihre PSM-Empfehlung nicht nur auf Ertragsstabilität ausrichten sondern auch Risiken verschiedener PSM für Mensch und Umwelt explizit in ihrer PSM-Empfehlung berücksichtigen. Dafür braucht es auch adäquate Anreizsysteme.
Neue politische Ansätze: Politische Steuer- und Anreizmechanismen sollten berücksichtigen, dass PSM-Entscheidungen nicht nur von Landwirt*Innen getroffen werden. Reine Informationskampagnen für Landwirt*Innen, zum Beispiel, würden nicht ausreichen, wenn diese keine PSM Entscheidungen mehr selber treffen.
Referenzen
Dalhaus, T., Finger, R., Tzachor, A. and Möhring, N., 2024. Innovations for pesticide application must consider environmental impact. Nature Food 5, 969–971. https://doi.org/10.1038/s43016-024-01080-0
Finger, R., 2023. Digital innovations for sustainable and resilient agricultural systems. European Review of Agricultural Economics, 50(4), pp.1277-1309. https://doi.org/10.1093/erae/jbad021
*Autoren: Tobias Dalhaus, Business Economics Group, Wageningen University and Research, Niederlande, Robert Finger, Gruppe für Agrarökonomie und -politik, ETH Zürich, Schweiz, Asaf Tzachor, School of Sustainability, Reichman University, Israel, Niklas Möhring Gruppe für Produktionsökonomik, Universität Bonn, Deutschland (Kontakt: tobias.dalhaus@wur.nl)
Picture credit to be displayed: Image by Hannah Shedrow on unsplash.com (https://unsplash.com/photos/a-red-tractor-in-a-green-field-with-a-blue-sky-in-the-background-tj1kHwu7teQ)
Die Menschheit ist 100’000 Jahre ohne Landwirtschaft ausgekommen und dann auch noch 10’000 Jahre ohne PSM.
Mit PSM haben wir uns riesige Probleme und Belastungen geschaffen, von der Gesundheitsbelastung der Bauern selber bis hin zum Biodiversitätsverlust.
Und das grösste Problem ist die Überproduktion.
Es ist also grotesk, immer noch über Produktionsmethoden mit PSM zu forschen, sie gehören ganz einfach verboten.
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Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Ich verweise gern auf ein paar andere Beiträge in diesem Blog, die eine kritische Diskussion zu diesem Thema geben. https://agrarpolitik-blog.com/2024/10/21/europa-braucht-eine-ambitionierte-pflanzenschutzmittelpolitik/ & https://agrarpolitik-blog.com/2024/07/25/nachhaltiger-pflanzenschutz-in-der-landwirtschaft-grundlagen-fur-politik-und-forschung/ & https://agrarpolitik-blog.com/2024/03/18/pestizidfrei-als-neuer-weg-fur-die-landwirtschaft/
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