VineWork: Ein Projekt zu pflanzenschutzmittelarmer Produktion im Schweizer Rebbau und den Implikationen für Betriebe und Arbeitskräfte

Eva-Marie Meemken, Celestina Heepen, Marie Kammer, Lucca Zachmann, Philipp Höper, Robert Finger*

Pflanzenschutz ist essenziell für die Ernährungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit des Agrarsektors (Savary et al. 2019), gleichzeitig haben Pflanzenschutzmittel auch viele unerwünschte Nebenwirkungen auf die Umwelt und menschliche Gesundheit (Tang et al. 2021, Kim et al. 2017). Die Schweiz strebt wie andere Länder an, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2027 in der Landwirtschaft um 50% zu reduzieren, um Umwelt und Landwirtinnen und Landwirte zu schützen (Finger 2021).

Wie kann die Erreichung dieses Ziels gelingen, ohne die ökonomische Nachhaltigkeit in der Schweizer Landwirtschaft zu gefährden? Das Forschungsprojekt VineWork wird diese Frage bearbeiten, mit Fokus auf den Schweizer Rebbau, der sowohl grosse ökonomische Relevanz hat als auch sehr arbeits- und pflanzenschutzmittelintensiv ist (insbesondere auch mit im Boden persistenten Wirkstoffen wie Kupfer).

Ziel des Projekts ist es, zu analysieren, wie die Transition zu Produktionssystemen mit geringem Pflanzenschutzmitteleinsatz im Schweizer Rebbau umsetzbar ist und welche sozioökonomischen Auswirkungen diese Transition auf die Betriebe und Arbeitskräfte in der Landwirtschaft hat.

Produktionssysteme mit geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz können Zielkonflikte auslösen und sind deswegen nicht immer für Landwirtinnen und Landwirten attraktiv. Zum Beispiel kann die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln Erträge reduzieren, Kosten erhöhen, die Rentabilität reduzieren oder den Arbeitsbedarf steigern. Insbesondere Sonderkulturen wie Weinreben, Obst und Gemüse benötigen saisonale viel manueller Arbeit, der oft nicht ausschliesslich mit Familienarbeitskräften gedeckt werden kann. Arbeitskräfte in der Schweiz sind teuer und zunehmend schwerer zu gewinnen insbesondere für saisonale Tätigkeiten (Clemenz, 2023). Neue Strategien im Pflanzenschutz könnten den Arbeitsbedarf und dessen Kosten und Herausforderungen erhöhen (z.B. beim Wechsel auf mechanische Unkrautkontrolle), reduzieren (z.B. der Wechsel auf resistente Sorten) oder die Anforderungen an Qualifikationen der Arbeitskräfte verändern (z.B. beim Einsatz neuer Technologien).

Mit dem Projekt VineWork wollen wir aufzeigen, welche Produktionsverfahren bereits von Betrieben genutzt werden, um den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren, wie beispielsweise pilz-widerstandsfähige Sorten, um den Einsatz von Fungiziden zu reduzieren, den Verzicht auf Herbizide oder die Verwendung biologischer Strategien zur Schädlingsbekämpfung (z.B. Finger et al 2023, Jacquet et al. 2021, Wang und Finger 2023). Wir möchten identifizieren, welche Auswirkungen verschiedene Produktionsverfahren auf den Arbeitsbedarf haben. Zudem analysiert das Projekt, wie Massnahmen der Politik und Industrie helfen können, Zielkonflikte zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen abzumildern. Das Projekt fokussiert sich auf den Schweizer Rebbau, der aus drei Perspektiven besonders relevant ist. Erstens werden ca. 1/3 aller Pflanzenschutzmittel in der Schweizer Landwirtschaft im Rebbau ausgebracht. Zweitens machen Reben 17% des Gesamterlöses in der Schweizer Pflanzenproduktion aus. Drittens sind Reben sehr arbeitsintensiv (mit 450 bis 800 Arbeitsstunden pro Hektar) (Schumacher  2017). Ein geringerer Pflanzenschutzmitteleinsatz könnte daher grosse nationale Hebelwirkungen (Zachmann et al. 2024), aber auch grosse ökonomische Implikationen haben und den Arbeitsbedarf verändern. Darauf fokussieren wir uns im Projekt und stellen zudem auch die angestellten Arbeitskräfte in den Fokus. Betriebe in der Schweiz haben innovative Lösungen entwickelt, um mit dem hohen, saisonalen Arbeitsbedarf und den hohen Kosten umzugehen. Im Schweizer Rebbau arbeiten nicht nur Winzerinnen und Winzer, sondern auch halbtags- und saisonal-angestellte Anwältinnen, Hausfrauen, Süd- und Ost-europäische Arbeitskräfte, Freunde, Freiwillige, Praktikantinnen und Weinliebhaberinnen. Die Perspektive der Arbeitskräfte, die oft in der Wissenschaft und Politik vernachlässigt wird, ist relevant auch über den Weinsektor hinaus. Es stellt sich beispielsweise die Frage, was andere landwirtschaftliche Produktionszweige vom Rebbau lernen können.

Um die Forschungsfragen zu beantworten, werden online Befragungen und in-persona Interviews mit Schweizer Winzerinnen und Winzer, Arbeiterinnen und Arbeitern, sowie verschiedenen weiteren Akteuren durchgeführt. So wird identifiziert, welche Strategien Schweizer Winzerinnen und Winzer bereits umsetzen und umsetzen wollen, was besondere Hinderungsgründe für Produktionssysteme mit geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz sind und wie diese gelöst werden können. Ein besonderer Fokus liegt auch auf dem Faktor Arbeit, aus Sicht der Winzerinnen und Winzer. Darüber hinaus wollen wir auch die Perspektive der Arbeitskräfte verstehen: Was motiviert ausländische und inländische Arbeitskräfte, im Schweizer Weinbau zu arbeiten; und bieten Betriebe mit geringerem Pflanzenschutzmitteleinsatz Vor- oder Nachteile für Arbeitskräfte?

Das Projekt dauert von 2024 bis 2027. Wir sind ein interdisziplinäres Team, bestehend aus den Forschungsgruppen Ökonomie und Politik von Ernährungssystemen (FSEP) und der Gruppe für Agrarökonomie und Agrarpolitik (AECP) an der ETH Zürich. Das Projekt wird von der ETH-Zürich (ETH grant 23-1 ETH-004) finanziert. Mehr Details und auch Forschungsergebnisse werden auf der Website des Projektes geteilt. Ansprechpersonen sind Prof. Dr. Eva-Marie Meemken (emeemken@ethz.ch) und Prof. Dr. Robert Finger (rofinger@ethz.ch).

*Beteiligte Personen: Eva-Marie Meemken, Celestina Heepen, Marie Kammer, Lucca Zachmann, Philipp Höper, Robert Finger (alle ETH Zürich)

Weitere Blogbeiträge zum Thema:

Referenzen

Clemenz, D. (2023). In Spezialkulturen gibt es vieleJobs – aber wer übernimmt sie? Bauern Zeitung. https://www.bauernzeitung.ch/artikel/pflanzen/in-spezialkulturen-gibt-es-viele-jobs-aber-wer-uebernimmt-sie-481883?tx_madredaktion_madredaktion%5Bguid%5D=BZ-65876f6b-b330-45aa-8d7a-7b769de535f7&cHash=345f6384369cc2b73904581e609cd59c

Finger, R. (2021). No pesticide-free Switzerland. Nature Plants, 7(10), 1324-1325.

Finger, R., Zachmann, L., & McCallum, C. (2023). Short supply chains and the adoption of fungus‐resistant grapevine varieties. Applied Economic Perspectives and Policy, 45(3), 1753-1775.

Jacquet, F., Nathalie Delame, Jesus Lozano Vita, Christian Huyghe, and Xavier Reboud. “The Micro-Economic Impacts of a Ban on Glyphosate and Its Replacement with Mechanical Weeding in French Vineyards.” Crop Protection 150 (December 2021): 105778. https://doi.org/10.1016/j.cropro.2021.105778.

Kim, K. H., Kabir, E., & Jahan, S. A. (2017). Exposure to pesticides and the associated human health effects. Science of the total environment, 575, 525-535.

Savary, S., Willocquet, L., Pethybridge, S. J., Esker, P., McRoberts, N., & Nelson, A. (2019). The global burden of pathogens and pests on major food crops. Nature ecology & evolution, 3(3), 430-439.

Schumacher, P. (n.d.) “Produktionskosten-Faktoren im Deutschschweizer Weinbau,” n.d. https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/14803/3/2007_Schumacher_Produktionskosten_Faktoren_im_Deutschschweizer_Weinbau.pdf.

Tang, F. H., Lenzen, M., McBratney, A., & Maggi, F. (2021). Risk of pesticide pollution at the global scale. Nature geoscience, 14(4), 206-210.

Wang, Y., & Finger, R. (2023). Pest prevention, risk, and risk management: The case of Drosophila suzukii. Journal of the Agricultural and Applied Economics Association, 2(1), 98-113.

Zachmann, L., McCallum, C., & Finger, R. (2024). Determinants of the adoption of fungus-resistant grapevines: Evidence from Switzerland. Journal of Wine Economics, 1-33.

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home