Der Einfluss der Glyphosatdebatte in der EU auf börsennotierte Pflanzenschutzmittelhersteller

Maximilian Koppenberg, Stefan Hirsch, und Robert Finger

Pflanzenschutzmittel stehen im Mittelpunkt politischer und gesellschaftlicher Debatten (Finger, 2021; Möhring et al., 2020). Die Zulassung, Regulierung und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln wird daher in verschiedenen Teilen der Welt, insbesondere in der Europäischen Union (EU), strenger (Lefebvre et al., 2015; Topping et al., 2020). Weit verbreitete Pflanzenschutzmittel wie beispielsweise Neonikotinoide wurden in der EU weitgehend verboten. Diskussionen über ein Verbot von Glyphosat, dem weltweit am häufigsten verwendeten Pflanzenschutzmittel, waren in den letzten Jahren ebenfalls intensiv (Butler, 2018; Finger, 2018).

Ein fortlaufender Prozess von Fusionen und Übernahmen multinationaler Unternehmen der Pflanzenschutzmittelindustrie sowie hohe Markteintrittsbarrieren, die aus enormen Kosten für Forschung und Entwicklung resultieren (Bonanno et al., 2017; Clapp, 2017), haben zu einer hohen Konzentration in der Pflanzenschutzmittelindustrie geführt. Als Folge der hohen Entwicklungs- und Zulassungskosten für neue Produkte hängt der wirtschaftliche Erfolg der Hersteller zunehmend von Pflanzenschutzmittelzulassungen und deren Verlängerungen ab (Nishimoto, 2019). Die zunehmende Restriktivität der Pflanzenschutzmittelpolitik kann daher die Anreize der Pflanzenschutzmittelhersteller für zukünftige Forschung und Entwicklung verringern. Die Diskussionen um ein Glyphosatverbot in Europa (z.B. Kudsk und Mathiassen, 2020) sind eine sehr gute Fallstudie, um dies zu untersuchen.

In einer in der Fachzeitschrift Ecological Economics veröffentlichten Studie (Koppenberg et al., 2023) analysieren wir die Auswirkungen der EU-Regulierungsdebatte über Glyphosat im Zeitraum 2015-2017 auf börsennotierte Pflanzenschutzmittelhersteller.

In dem Artikel adressieren wir die folgenden Fragen:

Welchen Einfluss haben Bewertungen des Gesundheitsrisikos von Glyphosat auf den Marktwert börsennotierter Pflanzenschutzmittelhersteller?

Welchen Einfluss haben Entscheidungen hinsichtlich der Zulassungsverlängerung von Glyphosat auf die Bewertung von börsennotierten Pflanzenschutzmittelherstellern?

Wir verwenden eine Eventstudie mit insgesamt acht Ereignissen und neun globalen Agrochemieherstellern. Aktienkurse spiegeln den Marktwert der Unternehmen und folglich deren zukünftige Rentabilität und Unternehmensleistung wider, sodass eine signifikante Auswirkung der betrachteten Ereignisse auf die Bewertungen der Konzerne die Relevanz der öffentlichen Debatte und der Pflanzenschutzmittelpolitik für globale Pflanzenschutzmittelhersteller unter Beweis stellen würde.

Der Gesamtumsatz der EU-28 Pflanzenschutzmittelindustrie wurde im Jahr 2018 auf 12,7 Milliarden Euro geschätzt (Eurostat, 2022). Der Sektor ist stark konzentriert: Die sieben größten Unternehmen machen etwa 90% des Gesamtmarktes in Bezug auf den Umsatz aus (Bonanno et al., 2017). Diese Unternehmen waren Syngenta, Bayer, BASF, Dow Chemical, Adama, DuPont und Monsanto, die gleichzeitig auch zu den zwanzig größten Pflanzenschutzmittelherstellern weltweit gehören (Agropages, 2017). Andere wichtige Akteure der globalen Top Zwanzig, die einen beträchtlichen Anteil (mindestens zehn Prozent) ihrer Agrarumsätze in Europa generieren, sind FMC, Nufarm und UPL (Agropages, 2017; FMC, 2017; Nufarm, 2017; UPL, 2016). Wir analysieren diese zehn Unternehmen mit Ausnahme von Adama in unserer Studie aus zwei Gründen. Erstens werden ihre Aktien öffentlich gehandelt, was eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung einer Eventstudie darstellt. Zweitens leistet der EU-Markt einen signifikanten Beitrag zu ihrem Umsatz. Wir beschränken unsere Stichprobe auf Unternehmen mit einem Mindestanteil von zehn Prozent am europäischen Markt bezogen auf die Konzernumsätze.

Wir messen den Einfluss der Ereignisse auf die Unternehmen, indem wir die kumulierten durchschnittlichen abnormalen Renditen der Aktien, welche durch die einzelnen Ereignisse bedingt sind, ermitteln. Wir schätzen zunächst die erwartete Rendite der Aktien der Pflanzenschutzmittelhersteller auf Basis der Rendite ihres jeweiligen (Referenz-)Index (z.B. DAX für BASF oder SMI für Syngenta) unter Nutzung verschiedener finanzökonomischer Modelle wie beispielsweise des Capital Asset Pricing Models. Die abnormalen Renditen für jedes Unternehmen zum Ereigniszeitpunkt ermitteln wir anschließend als Abweichung unserer Prognose von der tatsächlichen Rendite. Wir erhalten die kumulierte durchschnittliche abnormale Rendite, indem wir die abnormalen Renditen für jedes Unternehmen über alle Tage des Ereigniszeitraums summieren und den Durschnitt über alle Hersteller bilden. Dabei betrachten wir drei unterschiedliche Ereigniszeiträume: 1) vom Tag des Ereignisses bis zum Folgetag, 2) einen Tag vor dem Ereignis bis zum Tag danach, 3) zwei Tage vor dem Ereignis bis zwei Tage nach dem Ereignis. Eine Übersicht der Ereignisse und ihr erwarteter Einfluss auf die Pflanzenschutzmittelproduzenten ist in Tabelle 1 dargestellt.

Wir stellen fest, dass die durchschnittliche Auswirkung auf die Unternehmen (BASF, Bayer, Dow Chemical, DuPont, FMC, Monsanto, Nufarm, Syngenta und UPL) vergleichsweise gering ist, da die kumulierte durchschnittliche abnormale Rendite für alle Ereignisse weniger als (-)1,5% beträgt. Jedoch finden wir eine erhebliche Heterogenität hinsichtlich der Effektgröße auf der Unternehmensebene, d. h., einige Unternehmen sind durch die Glyphosatdebatte in der EU stärker betroffen als andere. Wir stellen beispielsweise fest, dass Unternehmen mit einem größeren Anteil an (nicht-selektiven) Herbizidverkäufen am Gesamtumsatz stärker betroffen waren als Unternehmen mit einer breiteren Umsatzstruktur.

Tabelle 1. Erwartete Auswirkungen der Ereignisse im Rahmen der Glyphosatdiskussion auf Pflanzenschutzmittelhersteller

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kudsk und Mathiassen, 2020

Diese Effekte auf die Aktienkurse sind gering, wenn man sie z.B. mit denen von Gerüchten über Ankündigungen von Fusionen und Übernahmen vergleicht. Beispielsweise führte am 9. Dezember 2015 das Gerücht über eine Fusion zwischen Dow Chemical und DuPont dazu, dass der Aktienkurs von Dow am selben Tag um 11% stieg (abnormale Rendite von 12,990%), was im Einklang mit früheren Studien zu Ankündigungen von Fusionen und Übernahmen steht (siehe z.B. Lamprinakis und Fulton, 2011; Liargovas und Repousis, 2011; Yoo et al., 2013). Selbst wenn man unsere Studie mit Forschung zu den Auswirkungen politischer Ereignisse auf private Unternehmen vergleicht, sind die in unseren Schätzungen ermittelten Auswirkungen vergleichsweise gering. So finden Bushnell et al. (2013) in ihrer Analyse der Auswirkungen der CO2-Preisregulierung in der EU kumulative durchschnittliche abnormale Renditen von -1,11% bis -3,2% für energieintensive Industrien bei einer Senkung des CO2-Preises und kumulative durchschnittliche abnormale Renditen von -5,6% bis 9,6% bei einem Anstieg der Preise für CO2-Emissionszertifikate. Johannesen und Larsen (2016) untersuchen die Auswirkungen des politischen Entscheidungsprozesses über eine länderweise Offenlegung der Steuerzahlungen für Unternehmen in der Rohstoffindustrie in Europa (Öl, Gas, Bergbau) und schätzen die kumulativen durchschnittlichen abnormalen Renditen zwischen -6% und 1,1%.

Die Auswirkungen der regulatorischen Debatte über Glyphosat auf börsennotierte Pflanzenschutzmittelhersteller in unserer Studie waren gering. Somit hat die Kontroverse um Glyphosat in der Europäischen Union in den Jahren 2015-17 die Markterwartungen an die zukünftige Rentabilität des Agrochemie-Sektors nicht ernsthaft gefährdet. Da Glyphosat das am häufigsten angewendete Herbizid weltweit ist, werden zukünftige öffentliche Diskurse über Verbote einzelner anderer Pflanzenschutzmittel wahrscheinlich nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen für Pflanzenschutzmittelhersteller führen.

Angesichts der Heterogenität der abnormalen Renditen über Unternehmen hinweg kann es jedoch einzelne (insbesondere wenig diversifizierte) Unternehmen geben, die stark betroffen sind. Weitere Verbote bestimmter Pflanzenschutzmittel könnten dann dazu führen, dass solche Unternehmen ihre Portfolios diversifizieren oder sich aus der Agrochemiebranche zurückziehen bzw. den Markt verlassen. Dadurch würde sich die Konzentration in der Branche, die bereits sehr hoch ist, weiter erhöhen. Die externen Kosten von Pflanzenschutzmitteln auf menschliche Gesundheit, Umweltverschmutzung und Biodiversität motivieren eine restriktivere Pflanzenschutzmittelpolitik. Die Wechselwirkungen zwischen Pflanzenschutzmittelpolitik und nachgelagerten Unternehmen sind entscheidend für die Wirksamkeit und Effizienz von Politikmaßnahmen und sollten daher in ganzheitliche Pflanzenschutzmittelpolitiken integriert werden (z.B. Möhring et al., 2020).

Abbildung 1. Median der kumulativen durchschnittlichen abnormalen Renditen unter Nutzung unterschiedlicher Preismodelle für verschiedene Ereigniszeiträume und Daten

Anmerkung: Die gefüllten Säulen zeigen den Median der kumulativen durchschnittlichen abnormalen Rendite des Market-Models, Capital-Asset-Pricing-Models, Fama-French Drei-Faktoren-Models, Carhart Vier-Faktoren-Models und Fama-French Fünf-Faktoren-Models auf Basis von Daten von Kenneth French’s website. Die gegitterten Säulen zeigen den Median der kumulativen durchschnittlichen abnormalen Rendite für das Market-Modell und das Capital-Asset-Pricing-Modell bei Nutzung nationaler Indizes. Quelle: Eigene Berechnung

Originalstudie: Koppenberg, M., Hirsch, S., Finger, R. (2023). Effects of the debate on glyphosate’s carcinogenic risk on pesticide producers’ share prices. Ecological Economics, 212, 107925. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S092180092300188X

Autoren:

Maximilian Koppenberg (Wageningen University), Stefan Hirsch (Universität Hohenheim), und Robert Finger (ETH Zürich). Kontakt: max.koppenberg@wur.nl

Referenzen:

Bonanno, A., Materia, V.C., Venus, T., Wesseler, J., 2017. The Plant Protection Products (PPP) Sector in the European Union: A Special View on Herbicides. The European Journal of Development Research 29 (3), 575–595.

Bushnell, J.B., Chong, H., Mansur, E.T., 2013. Profiting from Regulation: Evidence from the European Carbon Market. American Economic Journal: Economic Policy 5 (4), 78–106.

Butler, D., 2018. EU expected to vote on glyphosate ban after major scientific review. Nature 555 (7695), 150–151.

Finger, R., 2018. Take a holistic view when making pesticide policies stricter. Nature 556 (7700), 174–175.

Finger, R., 2021. No pesticide-free Switzerland. Nature Plants 7 (10), 1324–1325.

Johannesen, N., Larsen, D.T., 2016. The power of financial transparency: An event study of country-by-country reporting standards. Economics Letters 145, 120–122.

Kudsk, P., Mathiassen, S.K. 2020. Pesticide regulation in the European Union and the glyphosate controversy, Weed Science 68 (3), 214-222.

Disclaimer: Teile dieses Blogbeitrags sind aus der Originalveröffentlichung entnommen und mithilfe von ChatGPT übersetzt worden.

Hinterlasse einen Kommentar

About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home