Weshalb nehmen Landwirt*innen an Agrarumweltprogrammen teil? Eine Literaturübersicht.

Sergei Schaub, Jaboury Ghazoul, Robert Huber, Wei Zhang, Adelaide Sander, Charles Rees, Simanti Banerjee, und Robert Finger*

Agrarumweltprogramme sollen die Landwirtschaft nachhaltiger machen. Diese haben jedoch nur einen Effekt, wenn Landwirt*innen daran auch teilnehmen. Mittels eines systematischen Überblicks aus 79 wissenschaftlichen Artikeln haben wir die zentralen Faktoren zusammengefasst, die eine Rolle dabei spielen, ob Landwirt*innen an diesen Programmen teilnehmen.

Freiwillige Agrarumweltprogramme sind zentraler Bestandteile von Agrarpolitiken weltweit. Dabei werden Landwirt*innen für die Umsetzung von umweltfreundlichen Praktiken und die Erzielung positiver Umweltergebnisse entschädigt.

Agrarumweltprogramme erfüllen jedoch häufig nicht die Erwartungen an den Schutz der Ökosysteme und der Biodiversität (z.B. Pe’er et al., 2020). Mit der Konsequenz, dass der bestehende Mix und die Ausgestaltung der Programme verbessert werden müssen, um deren Wirksamkeit zu erhöhen (siehe zum Beispiel Elmiger et al. (2023), Pe’er et al. (2020 & 2022) und auch diesen Blogbeitrag).

Um (ambitionierte) Agrarumweltprogramme so zu gestalten, dass Landwirt*inne daran teilnehmen verlangt ein umfassendes Verständnis welche Faktoren mit der Teilnahme in Beziehung stehen. Hier spielen besonders Verhaltensfaktoren und Opportunitätskosten eine besondere Rolle. Wir definieren Verhaltensfaktoren als die kognitiven, emotionalen, persönlichen und sozialen Faktoren, die das menschliche Verhalten beeinflussen (z.B. Umwelteinstellungen und Vertrauen zu anderen oder in die Politik) (Dessart et al., 2019). Unter Opportunitätskosten verstehen wir den entgangenen Nutzen umweltfreundlicher Praktiken im Vergleich zu alternativen Flächennutzungen und Praktiken, z.B. aufgrund geringerer Erträge oder eines höheren Arbeitsaufwands.

In einer kürzlich im Journal of Agricultural Economics erschienenen Studie (Schaub et al., 2023) haben wir einen systematischen Überblick der wissenschaftlichen Literatur erstellt über welche Verhaltensfaktoren und Opportunitätskosten mit der Teilnahme von Landwirten*innen in Agrarumweltprogemmen in Beziehung stehen. Der Fokus liegt auf Ackerbaubetrieben in Australien, Europa und Nordamerika. Insgesamt haben wir für den Überblick 3523 Referenzen gescreent und daraus 79 Artikel und über 700 Faktoren (=Verhaltensfaktoren und Opportunitätskosten) in unserer Übersicht zusammengefasst. Abbildung 1 zeigt die von uns verwendete Gliederung der Verhaltensfaktoren und Opportunitätskosten.

Abbildung 1. Kategorisierung von Verhaltensfaktoren und Opportunitätskosten.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Reihe von Faktoren durchgängig mit der Teilnahme an Agrarumweltprogemmen verbunden zu sein scheinen. Bezüglich der Verhaltensfaktoren steht zum Beispiel ein höherer Grad an landwirtschaftliche Ausbildung und Beratung meist in positivem Zusammenhang mit der Teilnahme an Agrarumweltprogemmen. Zudem finden wir einen konsistenten positiven Zusammenhang zwischen sozialen Netzwerken und der Teilnahme an Programmen. Dieser Effekt kann beispielsweise daraus entstehen, dass sich Landwirt*innen untereinander über umweltfreundliche Praktiken oder Anmeldungsprozesse austauschen. Des Weiteren finden wir auch, einen positiven Zusammenhang zwischen einer positiven Einstellung zu Agrarumweltprogrammen der Landwirt*innen und der Teilnahme an ebendiesen.

Mit Blick auf die Opportunitätskosten finden wir Evidenz, dass auch diese einen Einfluss auf die Teilnahme haben. Marktbedingungen spielen hier eine wichtige Rolle. So stehen beispielsweise höhere Preisniveaus in einem negativen Zusammenhang mit der Teilnahme. Desweitern ist es wahrscheinlicher, dass Landwirt*innen mit vermeintlich geringeren Implementierungskosten der umweltfreundlichen Praktiken an den Agrarumweltprogrammen teilnehmen. Dies umfasst beispielsweise biologisch geführte Betriebe oder Betriebe, die bereits andere umweltfreundlichen Praktiken anwenden. Zudem spielt auch die Ausgestaltung der Agrarumweltprogrammen eine wichtige Rolle. Beispielsweise nehmen Landwirt*innen wahrscheinlicher an Programmen teil, wenn die Laufzeit kürzer ist oder die Wahl der umweltfreundlichen Praktiken flexibler ist.

Basierend auf unserem systematischen Überblick lassen sich Ansatzpunkte für die Agrarpolitik ableiten. Mit Bezug auf Verhaltensfaktoren zeigt sich, dass die Teilnahme an Agrarumweltprogrammen durch gezielte Schulung und Beratung von Landwirt*innen, das Schaffen einer positiven Einstellung der Landwirt*innen gegenüber Agrarumweltprogrammen und durch die Förderung von Netzwerken unter Landwirt*innen gefördert werden. Schulungen und Beratung für Landwirt*innen sowie der Austausch untereinander können im Laufe der Zeit noch wichtiger werden, da sich die öffentlichen, administrativen und staatlichen Anforderungen an die Landwirtschaft ändern (z. B. Ehlers et al., 2022; Pe’er et al., 2020; Schaub et al., 2020), was neue Herausforderungen mit sich bringt und zusätzliche Informationen erfordert.

Die oben besprochenen Beziehungen zwischen Opportunitätskosten und Teilnahme können auch bei der weiter Entwicklung von Agrarumweltprogrammen behilflich sein. So könnte eine grössere Flexibilität (z.B. flexible Laufzeiten und Wahl der umweltfreundlichen Praktiken) die Beteiligung an Agrarumweltprogramme fördern. Allerdings seht eine höhere Flexibilität oft im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Verbesserung der Umweltbedingungen. Daher müssen diese Tradeoffs unbedingt von den politischen Entscheidungsträg*innen berücksichtigt werden. Ein anderer Ansatzpunkt, der sich aus unserer Arbeit ableiten lässt, wäre die Einbindung von Marktbedingungen (z.B. Preisniveaus) in der Ausgestaltung von Programmen. So könnte die Verwendung inflationsbereinigter Zahlungen zur Berücksichtigung allgemeiner Preisschwankungen (ohne Marktverzerrung) die Beteiligung der Landwirt*innen an den Programmen erhöhen, insbesondere wenn die Beteiligung eine langfristige Verpflichtung erfordert oder wenn Landwirt*innen einen Anstieg der Preise erwarten.

Zusammenfassend zeigt unsere Studie eine Reihe von Faktoren, die verwendet werden können, um die Ausgestaltung von Agrarumweltprogramme zu verbessern und damit die Teilnahme von Landwirt*innen zu erhöhen. Allerdings zeigt unsere auch Studie, dass (i) viele Beziehungen zwischen Faktoren und Teilnahme oft kontextspezifisch (z.B. je nach Programm, Betriebstyp, oder Region) sind sowie weniger eindeutig als oft angenommen und kommuniziert (z.B. Umwelteinstellungen) und (ii) es besonders solche Studien braucht, welche die Robustheit der Ergebnisse genauer untersuchen und kausale Effekte identifizieren.

Referenzen:

Dessart, F. J., Barreiro-Hurlé, J., & Van Bavel, R. (2019). Behavioural factors affecting the adoption of sustainable farming practices: a policy-oriented review. European Review of Agricultural Economics, 46(3), 417-471. https://doi.org/10.1093/erae/jbz019

Ehlers, M. H., Finger, R., El Benni, N., Gocht, A., Sørensen, C. A. G., Gusset, M. et al. (2022). Scenarios for European agricultural policymaking in the era of digitalisation. Agricultural Systems, 196, 103318. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2021.103318

Elmiger, N., Finger, R., Ghazoul, J., & Schaub, S. (2023). Biodiversity indicators for result-based agri-environmental schemes–Current state and future prospects. Agricultural Systems, 204, 103538. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2022.103538

Pe’er, G., Bonn, A., Bruelheide, H., Dieker, P., Eisenhauer, N., Feindt, P. H. et al. (2020). Action needed for the EU Common Agricultural Policy to address sustainability challenges. People and Nature, 2(2), 305-316. https://doi.org/10.1002/pan3.10080

Pe’er, G., Finn, J.A., Díaz, M., Birkenstock, M., Lakner, S., Röder, N. et al. (2022) How can the European common agri-cultural policy help halt biodiversity loss? Recommendations by over 300 experts. Conservation Letters, 15, e12901. https://doi.org/10.1111/conl.12901

Schaub, S., Huber, R., & Finger, R. (2020). Tracking societal concerns on pesticides–a Google Trends analysis. Environmental Research Letters, 15(8), 084049. https://doi.org/10.1088/1748-9326/ab9af5

Schaub, S., Ghazoul, J., Huber, R., Zhang, W., Sander, A., Rees, C., … & Finger, R. (2023). The role of behavioural factors and opportunity costs in farmers‘ participation in voluntary agri‐environmental schemes: A systematic review. Journal of Agricultural Economics. https://doi.org/10.1111/1477-9552.12538

* Die Autor*innen haben die folgenden Affiliationen: Sergei Schaub (ETH Zürich & Agroscope), Jaboury Ghazoul, Robert Huber, Robert Finger (ETH Zürich), Wei Zhang (IFPRI) Charles Rees (ETH Zürich & FiBL), und Simanti Banerjee (University of Nebraska-Lincoln). Kontakt: Sergei Schaub (sergei.schaub@agroscope.admin.ch)

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Biodiversity & Resilience in Crop Production Projekts entstanden unter der Führung der ETH Zürich und IFPRI und finanziert durch die Bayer AG. Zusätzlich wurde Sergei Schaub während des Reviewprozess von dem Agroscope Forschungsprogramm “Indicate—Measuring and Optimising Farm Environmental Impacts” unterstützt.

Eine Antwort auf „Weshalb nehmen Landwirt*innen an Agrarumweltprogrammen teil? Eine Literaturübersicht.

  1. Ein spannender Artikel! Einige dieser Aspekte konnten wir in Deutschland und in der EU beobachten. Die hohen Erzeugerpreise im letzten und in diesem Jahr haben ein paar Betriebe veranlasst, bei den Agrarumweltmaßnahmen zu pausieren. Zum Teil hing dieser Effekt auch damit zusammen, dass die mehrjährige Förderperiode bei den Agrarumweltmaßnahmen zufälligerweise gleichzeitig auslief und sich somit die Frage stellte, mache ich weiter oder nicht. Wenn die Erzeugerpreise weiter sinken, ist aber damit zu rechnen, dass diese Betriebe wieder einsteigen in die Maßnahmen.
    In Deutschland und vielen anderen EU-Staaten werden aktuell sowohl einjährige als auch fünfjährige Maßnahmen angeboten, wobei die mehrjährigen in der Regel höher vergütet werden. Aus Umwelt- und Naturschutzaspekten sind die mehrjährigen Maßnahmen natürlich zu bevorzugen. Bei der Beliebtheit der Maßnahmen ist es dann betriebsindividuell: einjährig und flexibel zu niedrigerem Fördersatz oder fünfjährig, weniger flexibel zu höherem Fördersatz.
    Inflationsabhängige bzw. Erzeugerpreisabhängige Fördersätze halte ich für schwierig. Bei sinkenden Prämien könnten Betriebe dann aussteigen. Zudem müsste man dann eigentlich auch noch differenzieren, um was für einen Betrieb es sich handelt und was er anbaut. Das könnte allgemein für etwas Unmut sorgen. Kompliziert genug ist das Fördersystem nämlich bereits. Zum Teil ist es aber schon ein Problem, dass Prämienberechnungen auf historischen Daten beruhen und Preissteigerungen im Trend unberücksichtigt bleiben. Auch die Einbeziehung einer Risikoprämie für den Unternehmer ist bisher häufig in Berechnungen von Fördermaßnahmen nicht erlaubt, da nur die direkten Opportunitätskosten betrachtet werden. Dies könnte zusätzlichen Anreiz schaffen.

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home