Unterschiede in Schädlingsbekämpfungsstrategien abhängig von Beratung und Information aus öffentlicher und privater Hand

David Wüpper, Nikolaus Roleff, Robert Finger*

Spielt es eine Rolle, ob Landwirte Informationen und Beratung zur Schädlingsbekämpfungsstrategien von der öffentlichen Hand oder von privaten Unternehmen erhalten, die Pflanzenschutzmittel verkaufen? In einer in der Fachzeitschrift Food Policy erschienenen Studie (Wüpper et al., 2020) verwenden wir Umfragedaten von 733 Schweizer Obst- und Weinproduzenten und fokussieren uns auf vorbeugende Massnahmen und Insektizideinsatz im Kontext der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Wir stellen fest, dass Produzenten, die Informationen aus öffentlicher Hand erhalten, mit höherer Wahrscheinlichkeit vorbeugende Massnahmen (z.B. Netze, Hygienemassnahmen) einsetzen, während Produzenten, die Informationen von privaten Beratungsdiensten erhalten, mit höherer Wahrscheinlichkeit synthetische Insektizide verwenden.

Die Kirschessigfliege kann zu erheblichen Schäden im Obst- und Weinbau führen und erfordert die Umsetzung kostspieliger Massnahmen (Knapp et al. 2020). Zur Bekämpfung steht Produzenten eine breite Palette von Massnahmen zur Verfügung, aber keine von ihnen ist für sich allein genommen völlig wirksam und nicht alle sind immer kosteneffizient. Darüber hinaus besteht eine grosse Unsicherheit über die Wirksamkeit jeweiliger Massnahmen, da die Kirschessigfliege ein relativ neuer Schädling ist und bisher nur begrenzt Erfahrungen gesammelt werden konnte. Im Obst- und Weinbau häufig angewandte Schädlingsbekämpfungsstrategien umfassen insbesondere: (i) präventive, nicht-chemische Massnahmen (wie z.B. Netze, angepasstes Erntemanagement, verschiedene Hygienemassnahmen), und (ii) der Einsatz synthetischer Insektizide**. Präventive Massnahmen verringern, ceteris paribus, den Schädlingsdruck und tragen so zu einem geringeren Insektizideinsatz bei.

Produzenten, die Informationen aus öffentlicher Hand erhalten, setzen mit höherer Wahrscheinlichkeit vorbeugende Massnahmen ein, während Produzenten, die Informationen von privaten Beratungsdiensten erhalten, mit höherer Wahrscheinlichkeit synthetische Insektizide verwenden.

Wir haben in wiederholten Umfragen über den Zeitraum 2016-2018 bei Schweizer Kirsch-, Zwetschgen-, Beeren- und Weinproduzenten die von ihnen gewählten Strategien im Umgang mit der Kirschessigfliege erfragt (die Befragung wurde in allen Landessteilen durchgeführt, siehe Knapp et al., 2020). Darüber hinaus haben wir erhoben, von wem Produzenten ihre Informationen zum Umgang mit der Kirschessigfliege erhalten. Dazu standen diverse Kategorien zur Auswahl. Diese umfassen insbesondere Informationsquellen aus privater (Pflanzenschutzmittelhersteller, Vertriebsakteure) und der öffentlichen Hand (z.B. kantonale Beratungsdienste aber auch Kanäle und Veranstaltungen von Agroscope). Die Nutzung von Informationsquellen aus der öffentlichen Hand ist in unserer Analyse immer mit einem Zusatzaufwand (z.B. Besuch einer Veranstaltung, aktive Kontaktaufnahme, Abonnieren eines Newsletters) verbunden. Mehrfachnennungen waren möglich. Wir nutzen Daten von 733 nicht-biologisch produzierenden Betrieben und haben mittels Regressionsanalysen den Zusammenhang zwischen i) der Nutzung präventiver Massnahmen sowie ii) dem Insektizideinsatz und den von den Produzenten genutzten Informations- und Beratungskanälen untersucht. Dabei wurde für eine Vielzahl anderer Faktoren kontrolliert, die die gewählten Strategien beeinflussen. Zudem wurde für diverse Quellen für Verzerrungen der Ergebnisse korrigiert. Zum Beispiel dafür, dass Betriebe die die Beratung privater Firmen in Anspruch nehmen sich strukturell von denen unterscheiden, die öffentlich beraten werden (z.B., Unterschiede in Grösse und Spezialisierung).

In allen Analysen finden wir eine klare und robuste Aussage: Produzenten, die Informationen und Beratung aus öffentlicher Hand erhalten, nutzen mit höherer Wahrscheinlichkeit (+9-10%) vorbeugende Massnahmen (z.B. Netze, Hygienemassnahmen), während Produzenten, die Informationen von privaten Beratungsdiensten erhalten, mit höherer Wahrscheinlichkeit (+8-9%) synthetische Insektizide verwenden.

Unsere Ergebnisse haben Auswirkungen auf die aktuellen Debatten zum Pflanzenschutzmitteleinsatz und die Rolle der Beratung. Pflanzenschutzmitteleinsatz kann zwar Ertragsverluste reduzieren, hat aber auch negative externe Effekte, z.B. Umweltschäden, Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Entwicklung von Resistenzen). Diese externen Effekte gilt es in Anreizsystemen für Landwirte aber auch in Beratung, Bildung und Information zu berücksichtigen. Alternative, präventive Strategien, die den Schädlingsdruck vermeiden und geringere externe Effekte haben, müssen gestärkt werden. Unabhängige Beratung und Information aus öffentlicher Hand spielt dabei eine zentrale Rolle, da die Begrenzung negativer Externalitäten des Pflanzenschutzmitteleinsatzes hier ein zentraler Aspekt der Zielfunktion ist. Dies kann daher private Aktivitäten sinnvoll ergänzen. Darüber hinaus müssen Alternativen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz attraktiver werden, z.B. indem die Effektivität präventiver Strategien erhöht und Kosten reduziert werden. All dies sollte Teil einer holistischen Pflanzenschutzmittelpolitik sein (siehe Möhring et al., 2020).

Referenzen

Knapp, L., Mazzi, D., Finger, R. (2020). The economic impact of Drosophila suzukii: perceived costs and revenue losses of Swiss cherry, plum and grape growers. Pest Management Science. In Press  https://doi.org/10.1002/ps.6110 (open access)

Blog: https://agrarpolitik-blog.com/2020/10/21/limpact-economique-de-drosophila-suzukii-en-suisse-les-couts-et-les-pertes-de-revenus-percus-des-producteurs-suisses-de-cerises-de-prunes-et-de-raisins/

Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., Studer, B., Walter, A., Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature Food 1, 535–540. https://doi.org/10.1038/s43016-020-00141-4

Blog: https://agrarpolitik-blog.com/2020/10/08/pfade-zu-einer-ganzheitlichen-pestizid-politik/

Wüpper, D., Roleff, N., Finger, R. (2020). Does it Matter Who Advises Farmers? Pest Management Choices with Public and Private Extension. Food Policy In Press https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2020.101995 (Open Access)

*David Wüpper und Robert Finger sind an der Gruppe für Agrarökonomie und –politik der ETH Zürich. Nikolaus Roleff war Masterstudent in der Gruppe. Diese Arbeit ist im Rahmen des Drosophrisk-Projektes entstanden, mit Unterstützung durch das BLW.

** Siehe auch Details der Task Force Drosphila Suzukii und Wüpper et al. (2020) für die Liste der hier abgefragten Massnahmen. Darüber hinaus spielt das Steinmehl Kaolin in manchen Kulturen (insb. Wein) eine wesentliche Rolle zur Vermeidung des Befalls, ohne das Risiken für Mensch und Umwelt entstehen. Beim Einsatz von Kaolin finden wir keine Unterschiede bzgl. des Informations- und Beratungskanals.

Kontakt: Robert Finger, rofinger@ethz.ch & David Wüpper, dwuepper@ethz.ch

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home