Robert Finger & Nadja El Benni. Die staatliche Unterstützung der Europäischen wie auch der Schweizer Landwirtschaft zielt darauf ab, einen angemessenen Lebensstandard für die Landwirte, die Bereitstellung verschiedener Ökosystemleistungen, und eine umwelt- und tierfreundliche Produktion sowie die Besiedelung von benachteiligten Regionen sicherzustellen. Ein ausreichendes Einkommensniveau und Einkommensstabilität sind dabei oft zumindest implizit angeführte politische Ziele, die das Wohlergehen der Bauernfamilien sicherstellen sollen. Dies widerspiegelt zudem die Fähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe, ein breites Spektrum der gewünschten Ökosystem- und Umweltleistungen zu erbringen und die Produktionssysteme folgend der gesellschaftlichen Anforderungen weiterzuentwickeln. Das landwirtschaftliche Einkommen und seine Variabilität und Verteilung sind zentrale Indikatoren für die Lebensfähigkeit des gesamten Agrarsektors und von entscheidender Bedeutung für die Diskussion über politische Perspektiven. Änderungen der Agrarpolitik, aber auch Änderungen der Markt- und Klimabedingungen und damit verbundene Änderungen der Betriebsstrukturen wirken sich auf drei Aspekte des landwirtschaftlichen Einkommens aus: i) das durchschnittliche Einkommensniveau, ii) Einkommensverteilung innerhalb des Sektors, d.h. Einkommensungleichheit, und iii) die Einkommensvariabilität, d.h. das Risiko.
Am 171ten Seminar der European Association of Agricultural Economists (EAAE) mit dem Titel ‘Measuring and evaluating farm income and well-being of farm families in Europe – Towards a shared and broader approach for analysis and policy design’, werden aktuelle Forschungsergebnisse in diesem Bereich präsentiert und konzeptionelle, methodische und empirische Grundlagen für zukünftige Arbeiten in diesem Bereich geschaffen. Das Seminar wird durch den Forschungsbereich Wettbewerbsfähigkeit und Systembewertung von Agroscope und die Gruppe für Agrarökonomie und –politik der ETH Zürich gemeinsam organisiert.
Neue Grundlagen und Perspektiven sind dringend erforderlich, da sich die Betriebsstrukturen sowie das Marktumfeld aber auch das biophysikalische und politische Umfeld so verändert haben, dass die Ergebnisse und Instrumente der Vergangenheit nicht ausreichend sind. Das Seminar fokussiert dabei insbesondere auf Änderungen der europäischen Landwirtschaft in drei Bereichen:
Erstens, haben sich landwirtschaftliche Familienbetriebe oft zu wesentlich komplexeren wirtschaftlichen Einheiten entwickelt, die durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Einkommensquellen innerhalb und ausserhalb der Landwirtschaft gekennzeichnet sind. Darüber hinaus schafft die Zusammenarbeit zwischen Betrieben und entlang der Wertschöpfungskette sowie die Diversifizierung der Produktion neue Arten von Geschäftsmodellen. Die derzeit verwendeten Methoden zur Messung und Bewertung der wirtschaftlichen Situation der Landwirtschaft und des Wohlergehens von Familienbetrieben reichen für eine adäquate Abbildung der Situation nicht mehr aus. Eine zunehmende Heterogenität führt dazu, dass Modelle und Ansätze, die Betriebe als homogene Einheiten behandeln, nicht mehr gültig sind. Beispielsweise sind die Produktionstechnologien zunehmend heterogen, was sich auf die Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe auswirkt, auf sich verändernde Klima-, Markt- und politische Signale zu reagieren.
Zweitens, werden neue Wege für die Bewertung der landwirtschaftlichen Einkommen und der Einkommensverteilung präsentiert. Dies umfasst den besseren Vergleich von Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe mit den Einkommen in anderen Sektoren. Zudem werden neue Methoden zur Quantifizierung der Einkommensungleichheit innerhalb des Agrarsektors und die Auswirkungen von Veränderungen der Markt-, Umwelt- und politischen Bedingungen für die ganzheitliche Beurteilung des Wohlergehens des Sektors und der Agrarpolitik skizziert. Dabei werden die Verteilungseffekte politischer Maßnahmen wie Direktzahlungen sowie Verteilungseffekte sich ändernder Betriebsstrukturen, wie der der zunehmenden Relevanz von ausserbetrieblichen Einkommensquellen spezifiziert.
Drittens wird das Risiko- und Risikomanagement adressiert, welches für die europäische und auch Schweizer Agrarpolitik von hoher und zunehmender Bedeutung ist. Volatilere Märkte, zunehmende Wettervariabilität und eine höhere Häufigkeit und Stärke extremer Ereignisse wie Hitzewellen und Dürren erhöhen das Risiko für die europäische Landwirtschaft merklich. Das Seminar präsentiert neue Einblicke in Risikomanagemententscheidungen landwirtschaftlicher Betriebe, Einblicke in innovative Versicherungslösungen und thematisiert das Thema Risiko und Risikomanagement aus einer ganzheitlichen Perspektive.
Im Seminar steht neben konzeptionellen und methodischen Fragen die empirische Evidenz und insbesondere die Analyse von agrarpolitischen Instrumenten in diesem Kontext im Vordergrund.
Das Seminar findet am 05. und 06. September 2019 in Tänikon statt. Weitere Informationen,ein detailliertes Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter folgendem Link https://eaae-seminar-171-switzerland.org/