von David Wüpper. Ein gerade in der European Review of Agricultural Economics veröffentlichter Artikel1 zeigt, dass kulturelle Unterschiede innerhalb Europas zur Erklärung beitragen, warum in manche Regionen mehr Bodenerosion vermieden wird als in anderen.
Der Begriff «Kultur» wird aus einer ökonomischen Perspektive oft als «geerbte Werte und Normen» definiert, durch welche Verhaltensweisen eher als «Richtig» oder «Falsch» beurteilt werden, statt als mehr oder weniger profitabel, oder individuell nützlich. Aus wissenschaftlicher Perspektive wächst das Interesse am Begriff «Kultur», weil es immer klarer wird, dass viele ökonomische Entscheidungen nicht rein durch individuelle Präferenzen, Möglichkeiten, und Profit erklärt werden können. Lange haben Ökonomen jedoch davor zurückgeschreckt, «Kultur» als Erklärung für empirische Phänomene zu untersuchen2. Gründe sind, dass «Kultur» schwer zu messen ist, die Abgrenzung zu individuellen Präferenzen und Möglichkeiten nicht immer klar ist, und der kausale Effekt von «Kultur» oft besonders schwer zu identifizieren ist. Was als «Richtig» oder «Falsch» betrachtet wird ist meist das Produkt einer langen, kulturellen Evolution über die Generationen. Befragt man zum Beispiel Individuen, deren Eltern einen Migrationshintergrund haben, so lernt man, dass die Wertschätzung der Umwelt mehr der des Geburtslandes ihrer Eltern, als der ihres eigenen Geburtslandes entspricht3.
Abbildung 1: Reduzierung von Boden-Erosion in Europa 1 , 4
(je dunkler die Region, desto mehr Erosionsreduzierung)
Für die Entwicklung einer erfolgreichen Europäischen Agrarpolitik ist es sehr wichtig, «Kultur» zu verstehen. Ein Beispiel ist die Bodenerosion, deren Verhinderung ein wichtiges agrarpolitisches Ziel ist. Schaut man sich zum Beispiel auf einer Karte an, wo wie viel Bodenerosion vermieden wird, so sieht man, dass es grosse Unterschiede gibt, wie Regionen auf die gemeinsame Agrarpolitik reagieren (Abbildung 1). Diese Unterschiede kann man nicht vollständig mit klassischen ökonomischen Variablen erklären. Ich habe daher Daten vom «European Value Survey» genommen, bezüglich Umweltwertschätzung, Wertschätzung langfristigen Planens, und den Glauben daran, dass Umweltprobleme lösbar sind und analysiert, ob diese Variablen erklären können, warum die gemeinsame Agrarpolitik in Europa so unterschiedliche Auswirkungen auf die Reduzierung von Boden Erosion hat. Die Analyse zeigt, dass Kultur eine wichtige Determinante für die Erosionsreduzierung ist.
Eine wichtige Politik Implikation ist, dass eine homogene Agrarpolitik möglicherweise weniger effizient ist, als eine kulturell-angepasste Agrarpolitik. Je stärker der innere Antrieb von Regionen, Erosion zu vermeiden, desto mehr Selbstkontrolle und Entscheidungsfreiheit können gewährt werden, ohne eine Verschlechterung der Umwelt erwarten zu müssen. In Regionen, wo dieser innere Antrieb jedoch fehlt, braucht es wahrscheinlich stärkere externe Anreize (z.B. strengere Auflagen, mehr Kontrollen) um das gleiche Ziel zu erreichen.
(für eine Kopie der Artikel bitte eine E-Mail an dwuepper(at)ethz.ch)
Referenzen
1 Wuepper, D. (2019) Does Culture Affect Soil Erosion? Empirical Evidence From Europe. European Review Of Agricultural Economics, 1 -35, advance article
2 Guiso, L., P. Sapienza, And L. Zingales (2006), “Does Culture Affect Economic Outcomes?”, Journal Of Economic Perspectives, 20 (2), 23–49.
3 Litina, A., Moriconi, S., & Zanaj, S. (2016). The Cultural Transmission Of Environmental Values: A Comparative Approach. World Development, 84, 131-148.
4 Panagos, P., Borrelli, P., Meusburger, K., Alewell, C., Lugato, E. & Montanarella, L. (2015). Estimating The Soil Erosion Cover-Management Factor At The European Scale. Land Use Policy, 48, 38-50.