Von Konfuzius und Konfusion in der Nachhaltigkeitsdebatte

Stefan Flückiger. Produkte aus der Nähe sind nicht per se umweltfreundlicher. Es könnte also kontraproduktiv sein, wenn in der konfusen Situation über nachhaltige Pro­duktions- und Verkaufskonzepte die Nachhaltigkeitsfrage politisch mit Swissness-Wünschen und Versorgungssouveränität vermischt wird. 

Schon mancher hat den chinesischen Philosophen Konfuzius (551 bis 479 v. Chr.) zitiert, weil es sich gut macht, eine Aussage mit Konfuzius zu verbinden und tiefgründiger er­scheinen zu lassen. Dabei wird oft verkannt, dass Konfuzius nichts mit „konfus“ zu tun hat. Das zentrale Thema seiner Lehren war die menschliche Ordnung. Als Ideal galt für Konfuzius der Mensch, wenn er sich in Harmonie mit dem Weltganzen befindet. Das „Gleich­gewicht“ galt ihm als erstrebenswert. Schon sind wir mitten in der Nachhaltigkeitsdebatte, wo es um ein vernünftiges Gleichgewicht zwischen den drei Achsen Ökonomie, Ökologie und Soziales geht, sowie beim Artikel von Martin Brugger, SBV („Die Verantwortlichkeit exportie­ren ist blauäugig“) in diesem Agrarpolitik-Blog vom 10. Juni 2011.

Die Argumente von Martin Brugger über die unterschiedlichen Interessen von Umweltkreisen und bäuerlichen Vertretern sind zwar nachvollziehbar. Er bemängelt, dass bei den zweckorien­tierten Direktzahlungen in der AP2014-17 das „Zahlungsgleichgewicht auf die Seite der Direktzahlungen für ökologische Zusatzleistungen (Biodiversitätsbeiträge, Landschafts­qualitätsbeiträge, Produktionssystembeiträge, Ressourceneffizienzbeiträge) verschoben werden soll“ und ausser acht gelassen wird, dass „Kulturlandschafts- und Ver­sorgungssicherheitsbeiträge eine nachhaltige Produktion stützen, die alle drei Achsen der Nachhaltigkeit bedient.“

Können wir uns also auf eine agrarpolitische Debatte freuen, wie mit Versorgungssicherheit und „Swissness“ nachhaltige Ziele erreicht werden sollen?

Schauen wir an, was der Markt zu dieser Frage meint. Im Sonderbund „Detailhandel“ in der NZZ vom 19. Juni 2011 ist im Artikel der Trend „Swissness soll für mehr Umsatz sorgen“ mit Marktstudien die Grundströmung „weg vom Globalen hin zum Regionalen“ bestätigt worden. Die meisten Detailhändler wollen mit ihren Labels und nachhaltigen Beschaffungskonzepten ihre Produkte „so nahe wie möglich einkaufen und umweltschonend transportieren“. Bei vielen hat „einheimische Ware – sobald erhältlich – stets den Vorrang„. Dieser Swissness-Trend läuft ganz in die Wunschrichtung der bäuerlichen Vertreter, die angeblich die Versorgungs­sicherheit UND die Nachhaltigkeit in der Schweiz sicherstellen wollen.

Soweit so gut. Nun wollen aber die Konsumentinnen und Konsumenten in dieser konfusen Situation wissen, welche Labels EFFEKTIV im Sinne der Nachhaltigkeit bzw. im Sinne der Umwelt sind, damit sie ihr Konsumverhalten entsprechend ausrichten können. Studien zum Thema „Umweltbelastung durch Konsum“, „Labelbewertung in der Schweiz“, „ökologischer Fussabdruck der Schweiz“ etc. haben in jüngster Vergangenheit die Konfusion noch ver­grössert. Noch konfuser wird die Situation, wenn die Rolle der Landwirtschaft im Bereich „Klimabelastung“ zum Thema wird, wie wenn jüngst in den landwirtschaftlichen Medien erste klimagasreduzierende Aktivitäten gewisser Labels vorgestellt wurden.

Obwohl die meisten Studien wichtige Faktoren unberücksichtigt lassen mussten, sind sich die Wissenschafter einig: Produkte aus der Nähe sind nicht per se umweltfreundlicher. Es könnte also kontraproduktiv sein, wenn in der konfusen Situation über nachhaltige Pro­duktions- und Verkaufskonzepte die Nachhaltigkeitsfrage politisch mit Swissness-Wünschen und Versorgungssouveränität vermischt wird. Nachhaltigkeit bzw. Ressourceneffizienz kann nicht alleine auf den Schweizer Flächen optimiert werden. Es braucht eine gesamtheitliche Betrachtung.

Konfuzius sieht als Weg zu seinen Idealen die Bildung. Diese könnte auch heute weiter­helfen. Es braucht weitere Bildungs- und v.a. Forschungsanstrengungen, damit in der derzeiti­gen Konfusion auf Fragen wie „welche Nachhaltigkeit will die Gesellschaft?“ bzw. „wie in­terpretiert die Landwirtschaft die Nachhaltigkeitswünsche?“ glaubwürdige Antworten ge­funden werden. Es ist höchste Zeit, eine breitabgestützte Auslegeordnung zu erstellen, damit in der parlamentarischen Debatte alle von der gleichen Nachhaltigkeit sprechen und die zweck­orientierten Direktzahlungen die Ökobilanz der Schweiz und die Umweltleistungen effektiv verbessern.

Stefan Flückiger (selbständiger Berater http://www.stefanflueckiger.ch)

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