Maximilian Meyer, Sergei Schaub, Petyo Bonev*
Verbuschung von Grasland auf Schweizer Alpweiden bedroht Kulturlandschaft und Biodiversität
Verbuschung von Schweizer Alpweiden führt zum Verlust von Grasland und dem kulturell typischen Landschaftsbild. Sie wird durch die Aufgabe der Bewirtschaftung, der Veränderungen der Art und Intensität landwirtschaftlicher Aktivitäten sowie dem Klimawandel verstärkt. Die Verbuschung Schweizer Alpweiden ist durch die Grünerlen (Alnus viridis) dominiert, die für einen Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich ist (Meier et al. 2021).
Direktzahlungen und Bewirtschaftung von Grasland
Um die Bewirtschaftungsaufgabe und damit dem Verlust von Biodiversität entgegenzusteuern werden Älpler*innen eine Reihe von Anreizen in der Form von Direktzahlungen gewährt. Drei verschiedene Direktzahlungen wurden im Jahr 2014 angehoben bzw. neu eingeführt. Erstens wurden die Sömmerungsbeiträge erhöht, daher erhalten Älpler*innen mehr Direktzahlungen pro Normalstoss. Zweitens wurden ergebnisorientierte Direktzahlungen für Biodiversitätsförderflächen eingeführt, die ausbezahlt werden, wenn die betreffende Fläche eine hohe pflanzliche Biodiversität und geeignete Strukturelemente aufweist. Drittens wurden Landschaftsqualitätsbeiträge eingeführt, die LandwirtInnen für den Erhalt und Verbesserung regionaltypischer Landschaften entschädigen. Allerdings fehlte bislang eine empirische Untersuchung wie diese Instrumente auf Verbuschung und den Erhalt von Grasland wirken.
Wie wirken Direktzahlungen auf die Offenhaltung von Grasland?
Diese Studie (Meyer et al. 2025, Journal of Agricultural Economics) untersucht, welchen Einfluss die oben genannten drei Direktzahlungen auf die Verbuschung von Grasland auf Alpweiden in der Schweiz haben. Zu diesem Zweck haben wir einen Datensatz zusammengestellt, der Daten von Alpbetrieben aus dem Kanton Graubünden mit Information zur Verbuschung verknüpft.
Unbeabsichtigter Effekt von Direktzahlungen auf Grasland
Die empirische Untersuchung deutet darauf hin, dass eine Erhöhung der Direktzahlungen im Durchschnitt einen Verlust von 2 % des Graslandes pro Betrieb durch Verbuschung verursacht. Dies entspricht durchschnittlich 4,7 ha Graslandverlust pro Betrieb innerhalb von 10 Jahren. Die Direktzahlungen können somit unbeabsichtigte Effekte haben. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass der Einfluss von Direktzahlungen auf Artenreichtum, Vielfalt von Strukturelementen oder Einkommen nicht untersucht wurde.
Mögliche Erklärungen
Mehrere Möglichkeiten könnten den beobachteten Graslandverlust im Zusammenhang mit Direktzahlungen erklären.
- Die räumliche Verteilung der Nutztiere kann sich verändern: Um empfindliche Arten in Biodiversitätsförderflächen zu schützen, könnten diese Flächen von der Beweidung ausgeschlossen werden – mit dem unbeabsichtigten Nebeneffekt einer stärkeren Verbuschung. Gerade weil Nutztiere ein entscheidender Faktor zur Bekämpfung von Verbuschung sind (Pauler et al. 2022), kann ihr Ausschluss nachteilige Folgen haben.
- Durch Direktzahlungen kann es zu einer Abnahme von Mulchen auf den neu etablierten Biodiversitätsförderflächen gekommen sein. Mulchen gilt allerdings als wirksamste und kostengünstigste Methode gegen Verbuschung.
Diese Kombination aus Fehlanreizen könnte die beobachtete Entwicklung massgeblich begünstigt haben. Es bedarf jedoch weiterer Forschung, um diese Mechanismen zu klären.
Fazit
- Direktzahlungen können die Verbuschung von Alpweiden nicht aufhalten.
- Direktzahlungen können daher unbeabsichtigte Nebeneffekte haben und sollten stärker an konkrete Massnahmen zur Offenhaltung von Grasland geknüpft werden.
- Die Verwendung von geografischen Informationen kann ein wertvolles Instrument sein, um die bisherigen Analysen von Politikmassnahmen zu ergänzen und Veränderung der Landnutzung zu untersuchen.
Studie
Meyer, M., S. Schaub, and P. Bonev. 2025. “ Woody Plant Encroachment, Grassland Loss, and Farm Subsidies.” Journal of Agricultural Economics 1–12. https://doi.org/10.1111/1477-9552.12641.
Referenzen
Meier E., Lüscher G., Buholzer S., Herzog F., Indermaur A., Riedel S., Winizki J., Hofer G., Knop E. 2021, Zustand der Biodiversität in der Schweizer Agrarlandschaft: Zustandsbericht ALL-EMA 2015−2019. Agroscope Science, 111, 2021.
Pauler, C. M., Zehnder, T., Staudinger, M., Lüscher, A., Kreuzer, M., Berard, J., & Schneider, M. K. (2022). Thinning the thickets: Foraging of hardy cattle, sheep and goats in green alder shrubs. Journal of Applied Ecology, 59(5), 1394-1405.
*Autoren: Maximilian Meyer, Sergei Schaub, Petyo Bonev (alle Agroscope). Kontakt Maximilian.meyer@agroscope.admin.ch
Liebe Heidi
Die Methode und die Ergebnisse der zitierten Studie an sich will ich gar nicht in Frage stellen.
Aber: Ist die Verbuschung und anschliessende Verwaldung wirklich ein Problem für die Kulturlandschaft und die Biodiversität?
Dazu ein paar Gedankenanregungen:
Die Biodiversität der alpinen, landwirtschaftlich genutzten Flächen wird weniger durch Verbuschung als viel mehr durch die immer intensivere Nutzung stark vermindert. Das betrifft insbesondere zu hohen Tierbesatz, Intensivdüngung, Maschinisierung, flankierende Massnahmen (Unterstützung durch immer mehr Heli-Einsätze, Verkäsung im Tal, Agro-Tourismus) u.a.
Die Biodiversität der übrigen alpinen Flächen wird vor allem durch die Klimaerwärmung und durch die flächendeckende Deposition von Nährstoffen (hier v.a. Stickstoff-Verbindungen) und Schadstoffen bedroht.
Die alpine Landwirtschaft ist heute zur Ernährungssicherung nicht mehr notwendig.
Die alpine Landnutzung erfolgte in historischen Zeiten als Folge von Landflucht (aus unterschiedlichen Motivationen). Dazu besteht heute kein Grund mehr, will heissen: Es ist niemand mehr gewzungen, in den Alpen mit Landwirtschaft sein Brot zu verdienen.
Das Verschwinden der Alpengletscher bis 2080 wird den Wasserhaushalt sowohl in den Bergen selber als auch in den Tälern und Unterlanden der Alpenflüsse massiv negativ verändern. Als momentan einzige Gegenbewegung bietet sich die massive Waldzunahme im alpinen Gebiet an. Die Biodiversität der Alpweiden kann auch mit einem deutlich kleineren Flächenanteil erhalten werden.
Es ist einfach schade, wenn sogenannt wissenschaftliche Arbeiten von unhinterfragten Vorurteilen und Mainstream-Denkmodellen ausgehen und dann fast notwendigerweise zu tendenziösen Aussagen kommen. Solche Beiträge – und das ist nicht der einzige dieses Autors! – sind leider geeignet, zu einer Mythologisierung der Berglandwirtschaft missbraucht zu werden.
Einig bin ich grundsätzlich auf jeden Fall mit dem Postulat der Fehlanreize, das gilt aber für fast das gesamte Agrarbusiness der Schweiz.
So, und jetzt werde ich noch die letzten Kartoffeln aus dem Boden holen, bevor die Wühlmäuse drangehen! ;-))
Herzliche Grüsse aus dem gerade mit einem schönen Regen gesegneten ZüriOberland, Uwe
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