Guy Low, Miranda P. M. Meuwissen, Robert Finger, and Tobias Dalhaus*
Extreme Wetterereignisse, wie unerwartete Hitze- oder Kälteperioden, bergen ein erhebliches Risiko für landwirtschaftliche Betriebe. Anbaudiversifizierung, zum Beispiel durch Agroforstwirtschaft (inklusive Streuobstwiesen), wird häufig als Möglichkeit zur Stärkung der Resilienz genannt, da diversifizierte Betriebe auf Einkünfte aus verschiedenen Erzeugnissen zurückgreifen können und somit Wetterrisiken besser bewältigen können als spezialisierte Betriebe (Cubbage et al., 2012; Stetter & Sauer, 2024).
Verarbeitungsbetriebe in nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, die von nur einer Art von Erzeugnissen abhängig sind, könnten gegenüber denselben Wetterereignissen weniger widerstandsfähig sein, da sie auf eine konstante und ausreichende Versorgung angewiesen sind. Der Einfluss angebotsseitiger Schocks infolge extremer Wetterlagen auf den Agrar- und Lebensmittelsektor wurde jedoch bisher kaum untersucht (Low et al., 2023). In einem kürzlich im Journal of Agricultural Systems veröffentlichten Artikel (Low et al. 2025) analysieren wir auf Basis von Lieferdaten eines Schweizer Mostherstellers, wie sich Spätfrostereignisse im Frühjahr auf die Versorgung mit Streuobstäpfeln auswirken.
Äpfel sind nicht gleich Äpfel
Frost spielt eine wichtige physiologische Rolle bei der Apfelproduktion. Einerseits sind ausreichende Kälteperioden notwendig, um das Wachstum der Bäume in die Winterruhe zu versetzen und anschliessend die Blütenbildung anzuregen. Andererseits kann Spätfrost, insbesondere während der Blüte, die Apfelernte erheblich schädigen (Rodrigo, 2000). In intensiven Produktionssystemen werden üblicherweise Massnahmen wie Frostberegnung oder Frostkerzen eingesetzt, um Schäden durch Spätfrost zu minimieren. In extensiven Produktionssystemen wie Streuobstwiesen lohnen sich diese Investitionen und Massnahmen jedoch nicht, weshalb sie kaum gegen Frost geschützt sind (Dalhaus et al., 2020; Foudi & Erdlenbruch, 2011; Snyder & Melo-Abreu, 2005).
In der Regel werden extensiv erzeugte Streuobstäpfel zu Most verarbeitet (Agrarbericht, 2024; Hochstamm Suisse, 2021). Für viele Mostobstproduzenten stammt zudem nicht der Grossteil ihrer Erlöse aus der Produktion auf Streuobstwiesen, sondern aus der Tierhaltung, dem Ackerbau und anderen Aktivitäten. Aufgrund niedriger Preise und fehlender Frostschutzmassnahmen könnten viele Landwirt:innen zudem auf die Ernte gänzlich verzichten, wenn nur sehr geringe Erträge zu erwarten sind.
Ausmass des Frost-bedingten Wetterrisikos
Für unsere Studie haben wir auf Apfellieferdaten eines führenden Schweizer Mostherstellers zurückgegriffen. Die Daten umfassen die jährlichen Liefermengen an 291 Sammelstellen in der Schweiz, die jeweils eindeutig einer Schweizer Postleitzahl zugeordnet sind, in den Jahren 2016 bis 2021. Somit konnten wir nachvollziehen, wann und wo welche Mengen an Äpfeln geliefert wurden. Diese Lieferdaten haben wir mit den täglichen Minimum- und Maximumtemperaturen zur Blütezeit der Apfelbäume (typischerweise März bis April) für jede Postleitzahl verknüpft. Auf diese Weise konnten wir den Zusammenhang zwischen dem Auftreten extremer Fröste und der an den Safthersteller gelieferten Apfelmenge statistisch schätzen.
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Apfelbäumen, die ungewöhnlich tiefen Temperaturen ausgesetzt sind, jede Stunde Frost bei jedem Grad unter 0 °C zu einem Verlust von 394 kg Äpfeln führt. Ein Beispiel: Eine Stunde bei minus 5 °C entspricht einem Verlust von 1 970 kg Äpfeln, was dem Verlust von fünf Stunden bei minus 1 °C entspricht.

Abbildung 1. Effekt von Spätfrost auf die Apfelliefermenge
Im Durchschnitt führt die Spätfrostexposition zu einem jährlichen Lieferausfall von über 8 % der potenziellen Liefermenge an Mostäpfeln. Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Jahren mit starkem Frost, wie 2017, 2020 und 2021, ohne Frost zwischen 10 % und 26 % mehr Äpfel hätten geliefert werden können.
Folgen für die Mostobstversorgung in der Schweiz
In der Schweiz verbinden Streuobstwiesen extensive Apfelproduktion mit Tierhaltung und anderen Aktivitäten und sind somit diversifiziert. Auch wenn Frost die Apfelproduktion negativ beeinflusst und Streuobstwiesen kaum frostgeschützt sind, können Landwirt:innen daher oft dennoch auf Einkünfte aus anderen Produktionszweigen und auch auf Direktzahlungen zählen. Insgesamt scheint das Gesamteinkommen der Betriebe mit extensiven Streuobstwiesen daher relativ frostresistent zu sein.
Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass das Risiko für die Mosthersteller deutlich grösser ist. Wir fanden einen direkten Zusammenhang zwischen Spätfrost und der gelieferten Apfelmenge. Frost reduziert die pro Hektar produzierte Menge. Zudem lohnt es sich möglicherweise nicht mehr, sehr kleine potenzielle Erntemengen nach Frostschäden effektiv zu ernten und abzuliefern (Cui, 2020). Dies verstärkt die Fluktuation der abgelieferten Mengen zusätzlich. Daher sind Mosthersteller besonders anfällig für Unterbrechungen in der Zulieferung – insbesondere, wenn die Märkte für Äpfel, wie in der Schweiz, sehr geschützt sind.
In dieser Studie haben wir am Beispiel von Spätfrostereignissen und der Apfellieferung an einen Schweizer Mosthersteller aufgezeigt, welche Auswirkungen ein angebotsseitiger Schock auf einen nachgelagerten Verarbeiter in der Agrar- und Lebensmittelkette haben kann. Es zeigt die Notwendigkeit einer stärkeren Koordination zwischen Produzenten und Verarbeitern. Durch Risikoteilung und gemeinsame Wertschöpfungsmodelle, die beispielsweise durch Kooperationsvereinbarungen umgesetzt werden können, lassen sich Anreize harmonisieren und die Resilienz des gesamten Agrar- und Ernährungssystems stärken.
Studie: Low, G., Meuwissen, M. P. M., Finger, R., & Dalhaus, T. (2025). Frost shocks negatively impact the supply of high-stem juicing apples in Switzerland. Agricultural Systems, 228, 104363. Open Access: https://doi.org/10.1016/j.agsy.2025.104363
*Autoren: Guy Low, Miranda P. M. Meuwissen, Tobias Dalhaus (alle Wageningen University, The Netherlands), Robert Finger (ETH Zürich). Kontakt: tobias.dalhaus@wur.nl
Referenzen
Agrarbericht (2024). Agrarbericht des Bundesamt für Landwirtschaft. https://www.agrarbericht.ch/de/markt/pflanzliche-produktion/obst
Cubbage, F., Balmelli, G., Bussoni, A., Noellemeyer, E., Pachas, A. N., Fassola, H., Colcombet, L., Rossner, B., Frey, G., Dube, F., de Silva, M. L., Stevenson, H., Hamilton, J., & Hubbard, W. (2012). Comparing silvopastoral systems and prospects in eight regions of the world. Agroforestry Systems, 86(3), 303–314.
Cui, X. (2020). Beyond Yield Response: Weather Shocks and Crop Abandonment. Journal of the Association of Environmental and Resource Economists, 7(5).
Dalhaus, T., Schlenker, W., Blanke, M. M., Bravin, E., & Finger, R. (2020). The effects of extreme weather on apple quality. Scientific reports, 10(1), 1-7.
Foudi, S., & Erdlenbruch, K. (2011). The role of irrigation in farmers’ risk management strategies in France. European Review of Agricultural Economics, 39(3), 439-457.
Hochstamm Suisse. (2021). https://www.hochstammsuisse.ch/wp-content/uploads/2019/10/Tarifliste_HS.2021.pdf
Low, G., Dalhaus, T., & Meuwissen, M. P. M. (2023). Mixed farming and agroforestry systems: A systematic review on value chain implications. Agricultural Systems, 206, 103606.
Low, G., Meuwissen, M. P. M., Finger, R., & Dalhaus, T. (2025). Frost shocks negatively impact the supply of high-stem juicing apples in Switzerland. Agricultural Systems, 228, 104363.
Rodrigo, J. (2000). Spring frosts in deciduous fruit trees – morphological damage and flower hardiness. Scientia Horticulutrae, 85, 155–173
Snyder, R. L., & Melo-Abreu, J. P. (2005). Frost protection: fundamentals, practice and economics. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rome
Stetter, C., & Sauer, J. (2024). Tackling climate change: Agroforestry adoption in the face of regional weather extremes. Ecological Economics, 224, 108266.