Open Science in der Agrarökonomik

Robert Finger, Arne Henningsen, Julia Höhler, Robert Huber, Jens Rommel und Carola Grebitus*

Open Science gewinnt immer mehr an Bedeutung. Für die Agrarökonomik und die Agrarpolitik bietet Open Science vielversprechende Möglichkeiten. In einem kürzlich in der Zeitschrift Q Open erschienenen Artikel (Finger et al. 2025) beleuchten wir verschiedene Facetten von Open Science in der Agrarökonomik und diskutieren mögliche Vorteile, Herausforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten.

Open Science zielt darauf ab, wissenschaftliche Forschung transparenter, zugänglicher und nachvollziehbarer zu machen. Dies beinhaltet, unter anderem, die freie Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen sowie die Offenlegung von Daten, Methoden und Computercode, so dass andere Forschende diese nutzen, überprüfen und weiterentwickeln können. Abbildung 1 fasst den Zyklus wissenschaftlicher Forschung und möglicher Schritte in Richtung Open Science zusammen. Im Anhang dieses Beitrags zeigen wir zudem ein Beispiel des Prozesses der Forschung der AECP Gruppe.

Quelle: Finger et al. 2025

Vorteile von Open Science

Die Umsetzung von Open Science in der Agrarökonomik bietet mehrere Vorteile, wie zum Beispiel eine erhöhte Transparenz und Reproduzierbarkeit. Die Offenlegung von Daten und Methoden ermöglicht es anderen Forschenden, Studienergebnisse zu überprüfen und zu reproduzieren, was die wissenschaftliche Integrität stärkt (Finger et al. 2023). Open Science und Replizierbarkeit stärken damit auch die Substanz politikrelevanter Analysen (Finger et al. 2024). Offen zugängliche Forschungsergebnisse sowie die zugrunde liegenden Methoden und Daten können schneller und breiter genutzt werden, was den wissenschaftlichen Fortschritt fördert und den Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie, Politik und Praxis erleichtert. Open Science reduziert zudem Redundanzen in der Forschung und fördert die Zusammenarbeit. Eine offene Wissenschaftskultur erleichtert die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit, da Daten und Ressourcen gemeinsam genutzt werden können. Letztendlich können so auch Steuergelder effizienter genutzt werden.

Herausforderungen von Open Science

Trotz der genannten Vorteile gibt es auch Herausforderungen und potenzielle Risiken bei der Umsetzung von Open Science. So erfordert die Bereitstellung und Pflege offener Daten, Computercodes und Methoden zusätzlichen Aufwand, Infrastruktur und personelle Ressourcen, die nicht überall zur Verfügung stehen. Zudem fehlt es oft an Anreizen und Anerkennung. Das derzeitige akademische System honoriert das Engagement für Open Science noch zu wenig. Auch in der Politikanalyse (z.B. bei Forschungsarbeiten für Bundesämter) spielt Open Science noch eine geringe Rolle. Es bedarf daher eines Kulturwandels, um Open Science-Praktiken in Wissenschaft und Politik stärker zu gewichten.

In diesem Prozess spielen auch Fachzeitschriften eine wichtige Rolle. In unserem Beitrag haben wir die Autorenrichtlinien von zwölf führenden agrarökonomischen Fachzeitschriften daraufhin untersucht, inwieweit sie bereits Open Science-Praktiken anregen und umsetzen. Die Analyse zeigt, dass die untersuchten Praktiken unterschiedlich weit verbreitet sind. Einige wenige Zeitschriften sind Vorreiter bei der Umsetzung fast aller Praktiken. Das Journal of the Agricultural and Applied Economic Association und das American Journal of Agricultural Economics sind diesbezüglich führend in unserer Disziplin. Fast alle Zeitschriften fördern oder fordern das Zitieren von Daten und die Datentransparenz, das Einreichen von Computercodes wird jedoch zum Beispiel seltener adressiert. Auch pre-registration (d.h. das Registrieren der Analyseverfahren und Hypothesen vor der Datenerhebung und Durchführung der Analyse) und die Publikation von Replikationsstudien werden nur von wenigen Fachzeitschriften aktiv gefördert.

Umsetzungsmöglichkeiten

In unserer Veröffentlichung fassen wir verschiedene Best-Practice-Beispiele für Open Science in der Agrarökonomik zusammen. Diese umfassen die Erhebung und Analyse von Primärdaten sowie Open-Science-Praktiken für Optimierungs- und Simulationsmodelle. Beispielsweise ermöglicht die Offenlegung von Modellcodes, komplexe ökonomische Modelle besser zu verstehen, zu reproduzieren und weiterzuentwickeln. Ein weiterer Baustein sind so genannte Replikationspakete, die alle notwendigen Materialien enthalten, um eine Studie zu reproduzieren, und so die Transparenz und Vertrauenswürdigkeit der Forschung fördern. Darüber hinaus beschreiben wir Open Science Communities (am Beispiel der Universität Wageningen), die sich dem offenen Austausch von Wissen und Ressourcen verschrieben haben.

Open Science bietet der Forschung und Lehre in Agrarökonomik und Agrarpolitik die Möglichkeit, transparenter, kollaborativer und zugänglicher zu werden. Die Umsetzung erfordert jedoch ein Bewusstsein für mögliche Herausforderungen und eine aktive Auseinandersetzung mit den notwendigen kulturellen und infrastrukturellen Veränderungen. Durch die Förderung von Best-Practice-Beispielen und die Anpassung von Anreizsystemen kann die Agrarökonomik einen wichtigen Beitrag zur Etablierung von Open Science leisten und damit deren Relevanz und Wirkung in Wissenschaft und Gesellschaft erhöhen.

 * Autorinnen und Autoren: Robert Finger (ETH Zürich), Arne Henningsen (University of Copenhagen), Julia Höhler (Wageningen University), Robert Huber (ETH Zürich), Jens Rommel (Swedish University of Agricultural Sciences, SLU) und Carola Grebitus (Arizona State University)

Referenzen:

Finger, R., Henningsen, A., Höhler, J., Huber, R., Rommel, J., & Grebitus, C. (2025). Open science in agricultural economics. Q Open, qoae029. https://doi.org/10.1093/qopen/qoae029

Finger, R., Grebitus, C., & Henningsen, A. (2023). Replications in agricultural economics. Applied Economic Perspectives and Policy, 45(3), 1258-1274. https://doi.org/10.1002/aepp.13386

Finger, R., Grebitus, C., & Henningsen, A. (2024). Improving Agricultural Policy Decisions through Replications. EuroChoices, 23(1), 63-66. https://doi.org/10.1111/1746-692X.12413

Anhang:

Umsetzung einer Open Science Strategie in 6 Schritten am Beispiel des Papers Zachmann, L., McCallum, C., & Finger, R. (2023). Nudging farmers towards low‐pesticide practices: Evidence from a randomized experiment in viticulture. Journal of the Agricultural and Applied Economics Association, 2(3), 497-514. https://doi.org/10.1002/jaa2.76

Schritt 0: Bewilligung der Studie und des gesamten Vorgehens, auch bezüglich Open Science Praktiken, durch die Ethikkommission der ETH Zürich

Schritt 1: Pre-Registrierung der Forschungshypothesen und geplanten Erhebungen und Analysen, vor der Durchführung der Studie: https://aspredicted.org/TL3_C7G

Schritt 2: Die Rohdaten werden anonymisiert in der ETH Research Collection veröffentlicht: https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/568595

Schritt 3: Die Daten und deren Erhebung werden in einer separaten Datenpublikation beschrieben: Zachmann, L., McCallum, C., & Finger, R. (2023). Data on Swiss grapevine growers’ production, pest management and risk management decisions. Data in Brief, 51, 109652. https://doi.org/10.1016/j.dib.2023.109652

Schritt 4: Das Paper wird mit Open Access veröffentlicht: https://doi.org/10.1002/jaa2.76

Schritt 5: Das Replikationspaket wird in der ETH Research Collection veröffentlicht und erlaubt alle Schritte der Analyse bis hin zu den Ergebnissen nachzuvollziehen: https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/624982

Schritt 6: Ein Agrarpolitik Blog wird, frei zugänglich, auf Deutsch veröffentlicht, um die Ergbnisse einem breitem Publikum zugänglich zu machen: https://agrarpolitik-blog.com/2023/09/25/kann-nudging-den-anbau-von-pilzwiderstandsfahigen-rebsorten-beeinflussen/

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home