Persönliche Einstellungen, soziale Normen und Vertrauen sind wichtige Komponenten, damit Landwirt*innen an Agrarumweltprogrammen teilnehmen

Adelaide Sander, Jaboury Ghazoul, Robert Finger und Sergei Schaub

Zur Förderung der Nachhaltigkeit von Agrarlandschaften ist die Teilnahme von Landwirt*innen an Agrarumweltprogrammen wichtig. Anhand einer Literaturrecherche von 26 qualitativen Interviewstudien, die in Australien, Kanada, Europa und den USA durchgeführt wurden, haben wir die wichtigsten Punkte für die Teilnahme an diesen Agrarumweltprogrammen ermittelt.

Ambitionierte Veränderungen sind erforderlich, um Nachhaltigkeit zu erreichen und den Verlust von biologischer Vielfalt zu stoppen. Agrarumweltprogramme sind freiwillige, innovative Initiativen, die den Landwirt*innen helfen, ihre Bewirtschaftung zu ändern. Sie konzentrieren sich entweder auf den/die einzelne/n Landwirt*in oder auf eine Gruppe von Landwirt*innen, und da diese Programme freiwillig sind, hängt ihr Erfolg von deren Bereitschaft ab, sich zu beteiligen.

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel (Sander et al., 2024) haben wir die Verhaltensfaktoren aus 26 qualitativen Artikeln synthetisiert, die die Entscheidung der Landwirt*innen beeinflussen, an individuellen oder kollektiven Agrarumweltprogrammen teilzunehmen. Genauer gesagt haben wir die Komponenten oder Prozesse, die der Entscheidungsfindung oder Verhaltensintention zugrunde liegen, analysiert, d.h. kognitive, emotionale, persönliche und soziale Prozesse (American Psychological Association 2018), die wir nun als „Verhaltensfaktoren“ bezeichnen. Wir beziehen uns auf die Theorie des geplanten Verhaltens, diese besagt (Englisch: Theory of Planned Behaviour (TPB), (Ajzen, 1991)), dass drei Kernkomponenten, nämlich Einstellungen, subjektive Normen und wahrgenommene Verhaltenskontrollen, zusammen die Verhaltensintentionen einer Person bestimmen. Der erste Faktor bezieht sich auf die Einstellung zu einem bestimmten Verhalten, die durch die Überzeugung einer Person über das Ergebnis des Verhaltens geprägt ist und positiv oder negativ sein kann. Der zweite Faktor betrifft subjektive Normen, die den Einfluss anderer auf die handelnde Person beschreiben, d.h. wie man von anderen wahrgenommen wird und wie diese Wahrnehmung die handelnde Person beeinflusst. Der dritte Faktor, wahrgenommene Verhaltenskontrolle, bezieht sich auf die Wahrnehmung der handelnden Person über deren Fähigkeit zu agieren. Der Glaube daran, handeln zu können, hängt eng mit tatsächlichem Verhalten zusammen (Wallston 2001). Wahrgenommene Verhaltenskontrolle wird oft als Ersatz für tatsächliche Verhaltenskontrolle verwendet (z.B. zeitliche oder finanzielle Einschränkungen).

Wir stellen fest, dass die Selbstidentifikation der Landwirt*innen (Faktor: „Einstellung“) eine wichtige Rolle bei individuellen Programmen spielt. Wenn sich Landwirte als „umweltbewusst“ beschreiben, neigen sie eher dazu, eine positive Einstellung zur Teilnahme zu haben als solche, die sich stärker auf die Produktion konzentrieren. Die wahrgenommene Legitimität der Programme war ebenfalls wichtig. Zum Beispiel empfanden Landwirt*innen den politischen Prozess nur dann als legitim, wenn er partizipativ war und von Personen mit Kenntnissen über den lokalen Kontext durchgeführt wurde. Darüber hinaus zeigt unsere Studie, dass Landwirt*innen Vertrauen in die Politik benötigen, um teilzunehmen. Negative Erfahrungen mit staatlichen Institutionen und häufige Änderungen der Gesetzgebung haben zu einem Mangel an Vertrauen in die Programme geführt.

Für kollektive Programme sehen wir, dass der Faktor „subjektive Normen“ eine wichtige Rolle spielt. Sozialer Druck in landwirtschaftlichen Gemeinschaften führt zu einer negativen individuellen Einstellung zu den Agrarumweltprogrammen.

Der Faktor „Vertrauen“ zwischen Landwirt*innen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Frühere negative Erfahrungen mit anderen untergraben das Vertrauen in die Gemeinschaft, zum Beispiel aufgrund unkooperativen Verhaltens in der Vergangenheit. Vertrauen und subjektive Normen sind eng miteinander verbunden. Ein Mangel an zwischenmenschlichem Vertrauen kann das soziale Kapital in einer Gemeinschaft untergraben. Wenn Landwirt*innen sich jedoch dafür entscheiden, an kollektiven Systemen teilzunehmen, können diese wiederum soziales Kapital und Vertrauen aufbauen. Sie ermöglichen es, Erfahrungen auszutauschen, Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und Unsicherheiten zu diskutieren.

Bezüglich des Faktors „Wahrgenommene Verhaltenskontrolle“, so sind die Landwirt*innen der Ansicht, dass ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind. Einige glauben, dass Agrarumweltprogramme einfach zu viele Änderungen erfordern, die nicht in ihr Betriebsführungssystem passen. Die Wahrnehmung von Komplexität, hohen Transaktions- und Umsetzungskosten sowie komplizierten Verwaltungsverfahren, die befolgt werden müssen, verhindern oft eine Teilnahme.

Abbildung 1: Aussagen der Landwirte über ihre Absicht, an Agrarumweltprogrammen im Rahmen der Theory of Planned Behavior (TPB) teilzunehmen. Die Zahl in Klammern gibt an, wie oft dieses Element erwähnt wurde.

Unsere Ergebnisse liefern Denkanstösse für die Agrarpolitik:

  • Um die Beteiligung an Agrarumweltmassnahmen zu verbessern, können politische Entscheidungsträger das soziale Kapital fördern, indem sie Betriebe als Teil eines Gemeinschaftskontextes betrachten. Soziales Lernen ist entscheidend für die Verbesserung von landwirtschaftlichen Fähigkeiten, die Anerkennung von anderen Perspektiven und insbesondere den Aufbau von Vertrauen innerhalb der Gemeinschaft.
  • Grössere Flexibilität der Massnahmen könnte die Teilnahme erleichtern, da erstmal ausprobiert werden kann, z.B. Einführung von Opt-out-Optionen. Die Erhöhung der Flexibilität kann jedoch die Wirksamkeit der Verbesserung des Umweltzustands beeinträchtigen, was einen wichtigen Kompromiss darstellt.
  • Darüber hinaus sollte das Vertrauen in politische Institutionen gestärkt werden. Dies kann direkte Auswirkungen auf die wahrgenommene Legitimität der Massnahmen haben. Zum Beispiel sollten Änderungen in Richtung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen und Leitlinien vorgenommen werden sowie transparente und zugängliche Verfahren für Teilnahme, Ergebnismonitoring, und Feedbackmechanismen geschaffen werden.

Artikel: Sander, A., Ghazoul, J., Finger, R., Schaub, S. (2024). Participation in individual and collective agri-environmental schemes: A synthesis using the Theory of Planned Behaviour. Journal of Rural Studies 107: 103255 https://doi.org/10.1016/j.jrurstud.2024.103255  (open access)

Autor*innen: Adelaide Sander (ETH Zürich), Jaboury Ghazoul (ETH Zürich), Robert Finger (ETH Zürich), Sergei Schaub (Agroscope); Kontakt: adelaide.sander@usys.ethz.ch

Quellen

Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human DecisionProcesses, 50(2), 179-211. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/0749-5978(91)90020-T

American Psychological Association. (2018). Definition of psychology. Available at: https://dictionary.apa.org/psychology. Last accessed 20.02.2024 

Sander, A., Ghazoul, J., Finger, R., Schaub, S. (2024). Participation in individual and collective agri-environmental schemes: A synthesis using the Theory of Planned Behaviour. Journal of Rural Studies 107: 103255 https://doi.org/10.1016/j.jrurstud.2024.103255 

Wallston, K. (2001). Control Beliefs: Health Perspectives. In: (eds. Smelser, N.J. & Baltes, P.B.B.T.-I.E. of the S.& 911 B.S.). Pergamon, Oxford, pp. 2724–2726

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About Robert Finger

I am professor of Agricultural Economics and Policy at ETH Zurich. Group Website: www.aecp.ethz.ch. Private Website: https://sites.google.com/view/fingerrobert/home