GreeNet – Ein neues Forschungsprojekt zur Förderung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Grasland durch landschaftsbasierte Ansätze

von Viviane Fahrni, Robert Finger und Robert Huber*. Der Verlust von Biodiversität ist eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit. Eine nachhaltige Förderung der Biodiversität in landwirtschaftlich genutzten Gebieten gelingt aber nur, wenn die Ansprüche der Nahrungsmittelproduktion mit dem Erhalt der Artenvielfalt in Einklang gebracht werden können. Das Forschungsprojekt GreeNet untersucht, wie ein landschaftsbasierter Ansatz zu diesem Ziel beitragen kann und erarbeitet nachhaltige politische Lösungsansätze zur Förderung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in der Landwirtschaft.

Die internationale Gemeinschaft hat sich im Rahmen der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2023 sollen mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen zur Förderung der Biodiversität unter Schutz gestellt werden. Auch die Schweiz hat sich im Rahmen der Konvention für dieses Ziel verpflichtet. Gleichzeitig ist der Schutz der Biodiversität auch im Inland ein aktuelles Thema. Die sogenannte Biodiversitätsinitiative fordert mehr Flächen für die Natur und eine Aufstockung der finanziellen Mittel für die Förderung der Biodiversität. In diesem Kontext kommt der Landwirtschaft eine grosse Bedeutung zu. Die Landwirtschaft spielt dabei eine doppelte Rolle. Einerseits kann die landwirtschaftliche Nutzung die Diversität der Ökosysteme ergänzen und dadurch zum Erhalt von Biodiversität und Ökosystemleistungen beitragen (Grass, Batáry, and Tscharntke 2021). Andererseits ist eine intensive landwirtschaftliche Nutzung ein zentraler Treiber für den Verlust der Artenvielfalt (IPBES 2019).

Mit den Biodiversitätsbeiträgen kennt die Schweizer Agrarpolitik ein Instrument zur Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt (Huber, El Benni, and Finger 2023). Dank dieser Zahlungen sind die nötigen Flächenanteile für die Förderung der Artenvielfalt und Lebensräume gesamtschweizerisch vorhanden (Huber, El Benni, and Finger 2023; Meier et al. 2021). Allerdings ist die Qualität dieser Flächen noch nicht ausreichend, um den Verlust der Artenvielfalt in den landwirtschaftlich genutzten Flächen aufzuhalten (OECD 2017). Es stellt sich daher die Frage, wie die Biodiversität weiter gefördert werden kann ohne die Produktion von Lebensmitteln, die Primärfunktion der Landwirtschaft, zusätzlich einzuschränken. Es sind neue Lösungsansätze gesucht, welche beide Ziele, d.h., eine produzierende Landwirtschaft und die Erhaltung der Biodiversität, miteinander in Einklang bringen.

Abbildung 1. Auf Landschaftsebene vernetzte, strukturell diverse Landschaft. Angepasst von Grass, Batáry, and Tscharntke (2021). 1) Natürlich belassene Landschaftselemente (natürliche Habitate) und 2) geteilte Elemente (z.B. Ackersaum) in der vernetzten Landschaft. 3) Hohe Vernetzung erleichtert die für die Biodiversität wichtigen Migrationsprozesse der Tier- und Pflanzenarten.

Ein möglicher Ansatz dafür wäre, den Blick von der einzelbetrieblichen Logik der bestehenden Biodiversitätsförderung in der Landwirtschaft zu lösen und landschaftsbasierte Ansätze einzuführen (OECD 2023; Huber et al. 2022). Die Idee dahinter ist, dass nicht nur das Ausmass der Flächen zur Förderung der Biodiversität, sondern auch deren Standort, die Anordnung im Raum und der Einbezug von ökologischer Infrastruktur (d.h., nicht landwirtschaftlich genutzte Ökosysteme) eine wichtige Rolle spielen (Bennett et al. 2021; Grass, Batáry, and Tscharntke 2021; Assis et al. 2023). Aus der landwirtschaftlichen Perspektive könnte ein solcher Ansatz dazu beitragen, mehr und qualitativ bessere Biodiversitätsförderflächen auszuscheiden und gleichzeitig die Produktionskapazitäten zu erhalten. Die Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz kennen bereits einzelne Instrumente, die, projektbasiert, Zielsetzungen auf einer überbetrieblichen Ebene anvisieren (Vernetzungsbeiträge, Landschaftsqualitätsbeiträge) und der Bund strebte im Rahmen der Weiterentwicklung der Agrarpolitik eine Vereinheitlichung und Verbesserung dieser Instrumente an (Huber, El Benni, and Finger 2023). Informationen über Kosten und Nutzen solcher Lösungsansätze ist aber wenig bekannt.

Ziel des Forschungsprojekts

In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir, wie sich die Ziele einer produzierenden Landwirtschaft mit dem Schutz der Biodiversität verbinden lassen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Ausrichtung und Koordination von Biodiversitätsfördermassnahmen auf Landschaftsebene. Das Projekt fokussiert auf die Landwirtschaft im Schweizer Berggebiet und hat zwei Ziele: Erstens untersuchen wir, wie sich die Zusammensetzung und die unterschiedlichen räumlichen Konfigurationen von Biodiversitätsfördermassnahmen einfacher und schneller bewerten lassen. Dazu werden Tools entwickelt, die mit Hilfe von Satellitenbildern und Landnutzungsinformationen eine zuverlässige Bewertung von überbetrieblichen Biodiversitätsleistungen ermöglichen. Zweitens erforschen wir, welche politischen Lösungsansätze eine Integration der Produktions- und Biodiversitätsziele ermöglichen könnten. Dazu verbinden wir die Bewertung der Biodiversität und Ökosystemmodellierung mit der Simulation von bäuerlichen Landnutzungsentscheiden unter verschiedenen Politikszenarien. Um mögliche bäuerliche Landnutzungsentscheide auf Landschaftsebene zu verstehen haben wir eine online Umfrage erarbeitet, welche in den Projektregionen durchgeführt wird. Dabei erfragen wir die Bereitschaft der Landwirtinnen und Landwirte in überbetrieblichen Projekten zusammen zu arbeiten. In der Schweiz wird diese Umfrage im Februar 2024 an alle Landwirtinnen und Landwirte des Kantons Graubünden verschickt. Die erhobenen Daten dienen als Grundlage für verschiedene wissenschaftliche Studien und Publikationen in entsprechenden Fachjournalen, aber auch für praxisnahe Publikationen.

Abbildung 2. Studienregionen der Partnerländer von GreeNet

Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext des Forschungsprojekts

In Verbindung mit den Ergebnissen aus anderen Partnerländern (Deutschland, Norwegen, Österreich, Irland und Estland) entstehen im Projekt neue Erkenntnisse darüber, wie landwirtschaftliche Produktionsziele und Biodiversität gemeinsam und effizient gefördert werden können. Dabei können die Partnerländer von den Erfahrungen in der Schweiz mit den Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsbeiträgen profitieren. Darüber hinaus sollen die Forschungsergebnisse konkrete Informationen zur Weiterentwicklung der Biodiversitätsförderung in der Schweizer Agrarpolitik liefern. Dabei stehen zwei Punkte im Vordergrund. 1) Unsere Ergebnisse sollen das Monitoring bestehender Biodiversitätsfördermassnahmen erleichtern und dadurch zur Reduktion des administrativen Aufwands für die Bäuerinnen und Bauern beitragen. 2) Wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Vor- und Nachteilen sowie den Kosten und Nutzen von landschaftsbasiertem Biodiversitätsfördermassnahmen liefern wichtige Informationen für die notwendige Weiterentwicklung der Agrarpolitik, welche zur Erfüllung der internationalen und nationalen Ziele gebraucht wird.

Finanzierung des Projekts: Schweizer Nationalfonds im Rahmen der Forschungsinitiative BiodiverSA+

Dauer des Forschungsprojekts: 2023 – 2026

Schweizer Forschungspartner GreeNet: Gruppe für Agrarökonomie und Agrarpolitik (AECP) ETH Zürich und Forschungsgruppe Agrarlandschaft und Biodiversität Agroscope Reckenholz

Weitere Informationen zum Projekt und den involvierten Institutionen finden sich auf der Projektwebseiten GreeNet AECP und GreeNet Boku.

*Viviane Fahrni, Robert Finger und Robert Huber arbeiten in der Gruppe Agrarökonomie und Agrarpolitik an der ETH Zürich.

Kontakt: viviane.fahrni@mtec.ethz.ch

Referenzen

Assis et al. 2023. “Linking Landscape Structure and Ecosystem Service Flow.” Ecosystem Services 62 (August): 101535. https://doi.org/10.1016/j.ecoser.2023.101535.

Bennett et al. 2021. “Chapter One – Ecosystem Services and the Resilience of Agricultural Landscapes.” In Advances in Ecological Research, edited by David A. Bohan and Adam J. Vanbergen, 64:1–43. The Future of Agricultural Landscapes, Part II. Academic Press. https://doi.org/10.1016/bs.aecr.2021.01.001.

Grass, Ingo, Péter Batáry, and Teja Tscharntke. 2021. “Chapter Six – Combining Land-Sparing and Land-Sharing in European Landscapes.” In Advances in Ecological Research, edited by David A. Bohan and Adam J. Vanbergen, 64:251–303. The Future of Agricultural Landscapes, Part II. Academic Press. https://doi.org/10.1016/bs.aecr.2020.09.002.

Huber, Robert, Nadja El Benni, and Robert Finger. 2023. “Lessons Learned and Policy Implications from 20 Years of Swiss Agricultural Policy Reforms: A Review of Policy Evaluations.” Bio-Based and Applied Economics, November. https://oaj.fupress.net/index.php/bae/article/view/14214.

Huber, Robert, Solen Le’Clec’h, Nina Buchmann, and Robert Finger. 2022. “Economic Value of Three Grassland Ecosystem Services When Managed at the Regional and Farm Scale.” Scientific Reports 12 (1): 4194. https://doi.org/10.1038/s41598-022-08198-w.

IPBES. 2019. “Summary for Policymakers of the Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services.” Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.3553579.

Lécuyer et al. 2021. “Chapter One – Conflicts between Agriculture and Biodiversity Conservation in Europe: Looking to the Future by Learning from the Past.” In Advances in Ecological Research, edited by David A. Bohan, Alex J. Dumbrell, and Adam J. Vanbergen, 65:3–56. The Future of Agricultural Landscapes, Part III. Academic Press. https://doi.org/10.1016/bs.aecr.2021.10.005.

Meier et al. 2021. Zustand Der Biodiversität in Der Schweizer Agrarlandschaft. https://doi.org/10.34776/as111g.

OECD. 2017. OECD Environmental Performance Reviews: Switzerland 2017. OECD Environmental Performance Reviews. OECD. https://doi.org/10.1787/9789264279674-en.

OECD. 2023. Policies for the Future of Farming and Food in the European Union. OECD Agriculture and Food Policy Reviews. OECD. https://doi.org/10.1787/32810cf6-en.

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