Alisa Spiegel, Robert Finger, Miranda P.M. Meuwissen, Thomas Slijper, Yann de Mey, P. Marijn Poortvliet, Jens Rommel, Helena Hansson, Mauro Vigani, Bárbara Soriano, Erwin Wauters, Franziska Appel, Federico Antonioli, Camelia Gavrilescu, Piotr Gradziuk, Peter H. Feindt*
Warum und wie sollte die Resilienz landwirtschaftlicher Betriebe untersucht werden?
Die Fähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes, Herausforderungen zu meistern, wird oft als Resilienz beschrieben. Obwohl die Verbesserung der Resilienz von landwirtschaftlichen Betrieben ein wichtiges politisches Ziel der Europäischen Union ist, wissen wir wenig darüber. Im Rahmen des SURE-Farm-Projektes haben wir eine groß angelegte Betriebsbefragung durchgeführt und Landwirte in elf Agrarsystemen in ganz Europa gefragt, wie sie die Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Transformationsfähigkeit ihrer Betriebe wahrnehmen (Box 1). Basierend auf diesen Wahrnehmungen haben wir zwei Gruppen von Landwirten identifiziert welches sich unterhalb und oberhalb der regionalen Mittelwerte einordnen. Beiden Gruppen teilen eine Reihe von Merkmalen. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Zeitschrift Agricultural Systems veröffentlicht (Spiegel et al., 2021).

Wie kann Resilienz abgebildet werden?
In der Literatur werden zwei Möglichkeiten, Resilienz zu bewerten beschrieben: (i) basierend auf vordefinierten Indikatoren (z. B. Cabell und Oelofse 2012) und (ii) basierend auf Wahrnehmungen (z. B. Grothmann und Patt 2005, Marshall und Marshall 2007, Jones und D ‚Errico 2019). Während die indikatorbasierte Resilienzbewertung in der Literatur eine breite empirische Basis hat, ist die auf Wahrnehmungen basierende Resilienzbewertung weniger gut untersucht. Darüber hinaus fehlt es an groß angelegten vergleichenden Bewertungen, die mehrere landwirtschaftlichen Systeme betrachten. Wir schließen diese Lücken. Die erhobenen Daten sind in Slijper et al. (2021) veröffentlicht.
Fallauswahl und Erhebungsmethodik
Wir haben elf Agrarsysteme in ganz Europa untersucht (Abb.1) mit dem Ziel, eine heterogene Stichprobe in Bezug auf landwirtschaftliche Spezialisierung, klimatische Bedingungen und politische Rahmenbedingungen zu erheben. Eine Pilotbefragung wurde im Frühjahr 2018 durchgeführt, die Abschlussbefragung erfolgte zwischen Juli 2018 – Januar 2019 über verschiedene Verteilungsmethoden (persönliches Interview, telefonisch, per Mail oder online), die auf die lokalen Gegebenheiten und Einschränkungen abgestimmt waren. Die Teilnahme an der Umfrage war freiwillig. In einigen Ländern wurde die Teilnahme durch Anreize zur Teilnahme unterstützt. Insgesamt wurden 974 Antworten für die Analyse verwendet.

Abbildung 1 . Ausgewählte Agrarsysteme: BE ─ Milchviehhaltung in Flandern; BG ─ großflächiger Ackerbau in Nordostbulgarien; DE ─ Ackerbau mit Viehbestand in der Altmark; ES ─ extensive Schaf- und Rindviehhaltung in Huesca und Sierra de Guarradama; FR ─ extensive Rindviehhaltung in Bourbonnais; IT ─ Haselnussproduktion in kleinem Maßstab in Latium; NL ─ intensiver Ackerbau in Veenkoloniën; PL ─ Obst- und Gemüseanbau in der Region Masowien; RO ─ kleinbäuerliche gemischte Landwirtschaft im Nordosten Rumäniens; SE ─ hochwertige Eier- und Broilerproduktion in Südschweden; UK ─ Ackerbau in East Anglia.
Um die Wahrnehmung von Resilienz zu erfassen, haben wir Landwirte gebeten, auf mehrere 7-Punkt-Likert-Skala-Items in Bezug auf ihre Betriebe zu antworten (Tabelle 1). Bewertungen von negativ formulierten Aussagen wurden angepasst, um die Einheitlichkeit für die spätere Analyse zu gewährleisten. Abbildung 2 zeigt einen Überblick über die resultierenden Verteilungen für Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Transformationsfähigkeit in elf Agrarsystemen.

Tabelle 1. In die Betriebsbefragung aufgenommene Aussagen zur Bewertung der drei wahrgenommenen Resilienzfähigkeiten auf Basis der 7-Punkt-Likert-Skala (1=stimme überhaupt nicht zu … 7=stimme voll und ganz zu)
Verteilung der wahrgenommenen Resilienzkapazitäten für elf Agrarsysteme
Da die betrachteten Agrarsysteme in Bezug auf Betriebsspezialisierung, Erhebungsmodus, kulturelle Faktoren, makroökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen heterogen sind, haben wir alle Daten standardisiert, indem wir jede Beobachtung durch den Durchschnitt eines Systems dividieren, sodass Parameterwerte unter oder über 1 darauf hinweisen, dass sie unter bzw. über dem Mittelwert des landwirtschaftlichen Systems liegen. Eine Kombination dieser standardisierten Indizes für Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Transformationsfähigkeit diente als Grundlage, um jeden Landwirt einer bestimmten Gruppe zuzuordnen. Die Gruppen, einschließlich ihrer Anzahl, wurden auf der Grundlage eines latenten Variablenmodells definiert, das üblicherweise verwendet wird, um eine heterogene Menge von Beobachtungen auf der Grundlage unbeobachteter Merkmale in homogene Klassen zu unterteilen. Unsere Stichprobe ergibt zwei Klassen ähnlicher Größe, die dadurch gekennzeichnet sind, dass alle drei wahrgenommenen Resilienzkapazitäten über bzw. unter dem regionalen Durchschnitt liegen.

Abbildung 2. Verteilung der zusammengesetzten Indizes der drei Resilienzkapazitäten.
Neben der Wahrnehmung von Resilienz haben wir Daten zu den Merkmalen von Betrieben und Landwirten auf der Basis des folgenden Analyserahmens erhoben:
1. „Resilienz von was“ (Betriebe und Agrarsysteme),
2. „Resilienz gegen was“ (Herausforderungen),
3. „Resilienz für welchen Zweck“ (Funktionen) und
4. „was die Resilienz stärkt“ (Resilienzattribute).
Wir haben diese Eigenschaften zwischen den beiden identifizierten Klassen verglichen. Wir fanden heraus, dass Landwirte, deren Resilienz über dem regionalen Durchschnitt liegt, im Allgemeinen jünger und weniger risikoavers sind, einen stärkeren Fokus auf die Bereitstellung öffentlicher Güter haben, eine höhere Anzahl Risikomanagementstrategien umsetzen, sowie eine aktivere Beteiligung an Netzwerken und eine größere Offenheit für Innovationen zeigen (Abb. 3). Obwohl wir keine Kausalität zwischen diesen Merkmalen und den offenbarten Resilienzwahrnehmungen feststellen können, ermöglichen unsere Ergebnisse die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen zu Determinanten und Folgen der Resilienzwahrnehmung.
Warum sollten sich Politiker für wahrgenommene Resilienzkapazitäten interessieren?
Tatsächlich wissen wir nicht, ob Landwirte, die eine größere Resillienzfähigkeit wahrnehmen, einer Herausforderung gegenüber widerstandsfähiger sein werden. Jede Entscheidung über einen Betrieb wird jedoch von der Wahrnehmung des Landwirts beeinflusst, unabhängig davon, ob diese Wahrnehmung richtig oder falsch ist.

Abbildung 3. Aufgedeckte Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen zwei Klassen
Als nächstes begründet unsere Analyse die Annahme, dass Robustheit, Anpassungsfähigkeit und Transformierbarkeit sich gegenseitig bedingen und verstärken, obwohl unklar bleibt, welche Resilienzkapazität im Fall einer Herausforderung eingesetzt wird. Dieses Ergebnis impliziert, dass die Verbesserung einer Resilienzkapazität eine Verbesserung der anderen beiden erfordern könnte, beispielsweise könnte längerfristige Anpassungs- oder Transformationsfähigkeit kurzfristig Robustheit erfordern. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Gemeinsame Agrarpolitik der EU hauptsächlich Robustheit unterstützt (z. B. Buitenhuis et al., 2020). Unsere Ergebnisse zeigen, dass Maßnahmen zur Resilienzsteigerung das Konzept der Resilienz über Robustheit hinaus erweitern, sich für einen eher langfristigen Ansatz entscheiden und auf alle drei Resilienzkapazitäten abzielen sollten.
Referenzen
Buitenhuis, Y., Candel, J.J., Termeer, K.J. and Feindt, P.H. (2020). Does the Common Agricultural Policy enhance farming systems’ resilience? Applying the Resilience Assessment Tool (ResAT) to a farming system case study in the Netherlands. Journal of Rural Studies, 80: 314-327.
Cabell, J.F. and Oelofse, M. (2012). An indicator framework for assessing agroecosystem resilience. Ecology and Society 17(1), article 18.
Grothmann, T. and Patt, A. (2005). Adaptive capacity and human cognition: The process of individual adaptation to climate change. Global Environmental Change 15: 199-213.
Jones, L. and d’Errico, M. (2019). Whose resilience matters? Like-for-like comparison of objective and subjective evaluations of resilience. World Development 124: 104632.
Marshall, N.A. and Marshall, P.A. (2007). Conceptualizing and operationalizing social resilience within commercial fisheries in Northern Australia. Ecology and Society 12(1): 1.
Slijper, T., de Mey, Y., Poortvliet, P.M., Spiegel, A., Rommel, J., Hansson, H., Vigani, M., Soriano, B., Wauters, E., Appel, F., Antonioli, F., Harizanova, H., Gavrilescu, C., Gradziuk, P., and Meuwissen, M.P.M. (2021). Data from a survey on the perceived resilience, risk management, risk preferences, and risk perceptions of farmers from 11 European countries. Available at: https://doi.org/10.17026/dans-xgp-sr7c (open access)
Alisa Spiegel, Thomas Slijper, Yann de Mey, Miranda P.M. Meuwissen, P. Marijn Poortvliet, Jens Rommel, Helena Hansson, Mauro Vigani, Bárbara Soriano, Erwin Wauters, Franziska Appel, Federico Antonioli, Camelia Gavrilescu, Piotr Gradziuk, Robert Finger, Peter H. Feindt (2021). Resilience capacities as perceived by European farmers. Agricultural Systems, 193, 103224. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2021.103224 (open access)
*Hauptautorin Alisa Spiegel ist am Thünen Institut, Braunschweig, Deutschland, beschäftigt.