Niklas Möhring und Robert Finger*
Der Schutz von Kulturpflanzen vor Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern ist zentral für die Produktion sicherer und vielfältiger Nahrungsmittel in ausreichenden Mengen weltweit (Savary et al., 2019). Der derzeitige Pflanzenschutz stützt sich stark auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, mit einem globalen Verbrauch von 3,7 Millionen Tonnen im Jahr 2023 (FAO, 2025). Pflanzenschutzmittel sind derzeit häufig der kostengünstigste, wirksamste und am einfachsten anzuwendende Ansatz im Pflanzenschutz. Jedoch haben die Bedenken hinsichtlich Pflanzenschutzmitteln und ihrer Umweltauswirkungen, der Risiken für die menschliche Gesundheit sowie der langfristigen Nachhaltigkeit eines chemisch intensiven Pflanzenschutzes in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen (Frank, 2024; Perrot et al., 2025). Entsprechend wurden politische Ziele zur Reduktion von Risiken aus dem Pflanzenschutzmitteleinsatz auf globaler, nationaler und regionaler Ebene festgelegt (Möhring et al., 2020, 2023). Die Konsequenzen einer globalen Verringerung der Abhängigkeit von Pflanzenschutzmitteln und Umstellung hin zu nachhaltigem Pflanzenschutz sind jedoch bislang unbekannt. Zwar gibt es Evidenz für einzelne Kulturen und Regionen, doch fehlen bislang Daten und Methoden, um eine solche Umstellungen auf globaler Ebene kohärent für eine breite Palette von Kulturen, Anbausystemen und Regionen zu bewerten.
In einer in Nature Communications veröffentlichten Studie (Möhring et al., 2025) ermitteln wir die erwarteten Auswirkungen einer globalen Umstellung des Pflanzenschutzes. Eine Herausforderung in diesem Forschungsfeld ist – zusätzlich zur Datenknappheit –, dass die potenziellen Effekte ein breites Spektrum an Bereichen und Disziplinen abdecken. Um diese Frage zu beantworten, haben wir daher ein interdisziplinäres Team von Koautorinnen und Koautoren aus den Bereichen Agrarökonomie, Ökologie, Agronomie, Pflanzenschutz und Toxikologie aus der ganzen Welt zusammengestellt.
Zur Bewertung der potenziellen Auswirkungen einer Umstellung des Pflanzenschutzes haben wir den ersten ganzheitlichen Bewertungsrahmen entwickelt, der 24 Indikatoren in den Bereichen Wirtschaft, Ernährungssicherheit, Umwelt, menschliche Gesundheit und soziale Gerechtigkeit umfasst. Die Indikatoren decken Bereiche ab, in denen zuvor bereits vergleichsweise gutes Wissen über potenzielle Effekte bestand (z. B. Emissionen in Gewässern), aber auch solche, für die die Effekte bislang völlig unbekannt waren, wie etwa die faire Verteilung von Kosten und Nutzen des Pflanzenschutzes. Unsere Analyse zielt darauf ab, die Implikationen einer globalen Umstellung hin zu nachhaltigem Pflanzenschutz sowie Unterschiede der potenziellen Effekte zwischen Weltregionen zu bewerten. Auf Basis dieses Rahmens führten wir anschließend eine globale Expertenbefragung mit 517 führenden Expertinnen und Experten für nachhaltigen Pflanzenschutz durch. Die Expertinnen und Experten repräsentierten alle wichtigen globalen Agrarregionen sowie sämtliche hier relevanten wissenschaftlichen Disziplinen und umfassten auch nicht-akademische Fachleute (z.B. aus Verwaltung und Industrie). Wir schlossen Antworten aus Bereichen aus, in denen die Befragten keine Expertise hatten, und führten Robustheitsprüfungen für domänenspezifische Fachkenntnisse durch.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Umstellung hin zu nachhaltigem Pflanzenschutz insgesamt positive Effekte über alle Indikatoren hinweg hätte und ein wichtiger Nexus sein könnte, um mehrere Nachhaltigkeitsherausforderungen gleichzeitig anzugehen – zumindest langfristig. Besonders starke Verbesserungen erwarteten die Expertinnen und Experten auf der Umweltebene, etwa in Bezug auf Gewässerverschmutzung oder Biodiversität. Dies galt unabhängig von Region und Disziplin. Ähnliches zeigte sich auch für die erwarteten Effekte auf die menschliche Gesundheit.
Abbildung 1: Unterschiede bei den erwarteten Auswirkungen einer globalen Veränderung des Pflanzenschutzes in der Landwirtschaft über verschiedene Indikatoren hinweg.

Die Daten kommen aus einer weltweiten Umfrage unter Expertinnen und Experten (N = 517), die möglichen Auswirkungen einer Umstellung auf nachhaltigen Pflanzenschutz in Bezug auf 24 Indikatoren in fünf Bereichen auf einer Skala von -10 bis +10 bewertet. Die farbigen Balken zeigen die Abweichung vom globalen Mittelwert (Mittelwert aller Antworten) für alle Indikatoren in Prozent, und die schwarzen Fehlerbalken zeigen die 95-prozentigen Konfidenzintervalle pro Indikator. Details siehe Möhring et al., (2025).
Allerdings zeigten sich große Unterschiede bei den erwarteten ökonomischen Auswirkungen sowie bezüglich von Zielkonflikten zwischen den Regionen. In Nordamerika, Europa und Australien erwarteten in etwa gleich viele Expertinnen und Experten positive wie negative Auswirkungen auf das Einkommen der Landwirte – zumindest kurzfristig. Höhere kurz- bis mittelfristige Kosten könnten sich jedoch langfristig auszahlen. Im Gegensatz dazu neigten die Expertinnen und Experten für Asien, Afrika und Südamerika zu der Einschätzung, dass diese Umstellung auch eine ökonomische Chance darstellen würde. Die Befragten für diese Kontinente gingen zudem davon aus, dass die Umstellung einen positiveren Einfluss auf den lokalen Zugang zu sicheren Lebensmitteln hätte als dies von den Expertinnen und Experten aus Nordamerika, Europa und Australien erwartet wurde.
Anschließend analysierten wir die Treiber der erwarteten Effekte. Erstens finden wir – im Einklang mit ökonomischer Theorie – einen abnehmenden Grenznutzen von nachhaltigem Pflanzenschutz. Das bedeutet, dass für Regionen mit bereits hohem Niveau an nachhaltigem Pflanzenschutz ein geringerer zusätzlicher Nutzen von einer weiteren Steigerung erwartet wird als in Regionen mit derzeit niedrigen Niveaus. Zweitens finden wir Hinweise auf sogenannte Legacy-Effekte. Das heißt, Expertinnen und Experten erwarten, dass die Vorteile nachhaltigen Pflanzenschutzes umso geringer ausfallen, je länger wir mit der Umstellung warten. Rückgänge der Biodiversität könnten beispielsweise in gewissem Maße irreversibel sein. Drittens zeigen sich Unterschiede der erwarteten Effekte zwischen den Disziplinen der befragten Expertinnen und Experten. Ökologinnen und Ökologen erwarten durchgängig die höchsten, Ökonominnen und Ökonomen den niedrigsten Nutzen einer Umstellung. Dies könnte darauf hindeuten, dass Diskurse zum gleichen Thema in unterschiedlichen Disziplinen voneinander abweichen und dass ein interdisziplinärer Austausch dazu beitragen kann gemeinsame Positionen zu finden und Wissen und Erwartungen auszutauschen.
Trotz dieser Unterschiede waren die Expertinnen und Experten insgesamt überraschend optimistisch. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Umstieg auf nachhaltigen Pflanzenschutz frei von Kosten und Zielkonflikten wäre. Generell wird es daher entscheidend sein, Landwirtinnen und Landwirte während dieser Umstellung zu unterstützen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass hierfür ein Instrumentenmix erforderlich ist, beispielsweise passgenaue und wirksame Alternativen im Pflanzenschutz sowie geeignete Bildungs-, ökonomische und rechtliche Unterstützungsmechanismen.
Obwohl wir die Robustheit der Ergebnisse in diversen Tests gezeigt haben und die Studie auf einer großen und breit abgestützten Stichprobe von Expertinnen und Experten basiert, bleiben inhärente Einschränkungen von Experteneinschätzungen bestehen. Um die Studienergebnisse zu präzisieren und geeignete lokale Lösungen zu identifizieren, sind weitere lokale Studien in verschiedenen Regionen erforderlich, in denen nachhaltige Pflanzenschutzstrategien erprobt und ihre Wirkungen systematisch untersucht werden. Unsere Studie liefert eine Grundlage für zukünftige Forschung und hilft dabei, Forschungsprioritäten zu setzen.
*Niklas Möhring arbeitet an der Universität Bonn, Robert Finger an der ETH Zürich. Kontakt: mohring@uni-bonn.de und rofinger@ethz.ch
Artikel (open access Möhring, N., Ba, M. N., Braga, A. R. C., Gaba, S., Gagic, V., Kudsk, P., Larsen, A., Mesnage, R., Niggli, U., Qaim, M., Schreinemachers, P., Stamm, C., de Vries, W., Finger, R. (2025). Expected effects of a global transformation of agricultural pest management. Nature Communications, 16(1), 10901.https://doi.org/10.1038/s41467-025-66982-4
Referenzen
FAOSTAT (2025). FAO Data on Agricultural Production (last accessed 5 August 2025, 2025).
Frank, E. G. (2024). The economic impacts of ecosystem disruptions: Costs from substituting biological pest control. Science, 385(6713), eadg0344.
Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., … & Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature food, 1(9), 535-540.
Möhring, N., Kanter, D., Aziz, T., Castro, I. B., Maggi, F., Schulte-Uebbing, L., … & Leadley, P. (2023). Successful implementation of global targets to reduce nutrient and pesticide pollution requires suitable indicators. Nature Ecology & Evolution, 7(10), 1556-1559.
Perrot, T., Möhring, N., Rusch, A., Gaba, S., & Bretagnolle, V. (2025). Crop yield loss under high insecticide regime driven by reduction in natural pest control. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 292(2051).
Savary, S., Willocquet, L., Pethybridge, S. J., Esker, P., McRoberts, N., & Nelson, A. (2019). The global burden of pathogens and pests on major food crops. Nature ecology & evolution, 3(3), 430-439.