Agroforstwirtschaft als Antwort auf extreme Wetterereignisse? Eine Untersuchung zur Akzeptanz unter Landwirt:innen

von Christian Stetter, Johannes Sauer*. In einer neuen Studie untersuchten wir, ob und unter welchen Bedingungen Landwirt:innen in Südostdeutschland bereit sind, angesichts extremer werdender Wetterereignisse Agroforstsysteme zu übernehmen.

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Landwirtschaft ist dabei in zweifacher Hinsicht von der globalen Erderwärmung betroffen. Auf der einen Seite gilt sie als einer der Haupttreiber des Klimawandels. Insgesamt 17 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen entfallen auf die Landwirtschaft und die damit verbundene Landnutzung (Tubiello, 2019). Auf der anderen Seite sind Landwirt:innen stark von den negativen Folgen des Klimawandels betroffen.  Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen und Starkregen nehmen zu und beeinträchtigen Erträge und Produktivität landwirtschaftlicher Betriebe erheblich. 

Um die Widerstandsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in diesem Kontext zu erhöhen, kommt der Landnutzung – neben der Tierhaltung – eine Schlüsselrolle zu.  Sowohl für den Klimaschutz als auch zur Anpassung an den Klimawandel spielt sie eine entscheidende Rolle. Dazu gehören etwa der Anbau alternativer, widerstandsfähigerer Pflanzen und Sorten sowie Anpassungen im Umgang mit Wasser, Dünger und Pestiziden (Graveline & Merel, 2014). Eine weitere vielversprechende Methode, um die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen die klimatischen Veränderungen zu machen, besteht in der Einführung von Agroforstsystemen (IPCC, 2022). Diese Systeme kombinieren den Anbau von Bäumen mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und/oder Tierhaltung auf demselben Stück Land. Das Anpflanzen von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen kann dabei zur Minderung des Klimawandels beitragen und bietet ökologische Vorteile wie Kohlenstoffspeicherung, Treibhausgasreduktion und verbesserte Nährstoff- und Wassernutzung (Cardinael et al., 2021). Agroforstsysteme haben eine lange Geschichte in der europäischen Landwirtschaft und umfassen traditionell zum Beispiel Streuobstwiesen, Hutewälder und Windschutzhecken.  Moderne Ansätze wie das Alley Cropping System, bei dem Kurzumtriebsplantagen (typischerweise Weiden oder Pappeln) Ackerflächen in Streifen durchziehen, bieten sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile und unterstützen die Anpassung an den Klimawandel. Insbesondere die Fähigkeit zur Regulation des Mikroklimas kann Wetterextremen entgegenwirken (Rosa-Schleich et al., 2019). Trotz dieser Vorzüge werden Agroforstsysteme in der Praxis kaum beobachtet.

Vor diesem Hintergrund stellten wir uns in einer kürzlich in der Fachzeitschrift Ecological Economics veröffentlichten Studie die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Landwirt:innen bereit sind, Agroforstsysteme zu übernehmen (Stetter & Sauer, 2024). Dazu haben wir eine Online-Befragung mit einem diskreten Choice-Experiment durchgeführt. Das Experiment wurde im Oktober 2020 durchgeführt und richtete sich an ackerbautreibende Landwirt:innen in Bayern. Insgesamt konnten die Antworten von 198 Landwirt:innen verwertet werden, die sich räumlich über das ganze Bundesland verteilen (Abbildung 1).

Abbildung 1: Räumliche Verteilung der teilnehmenden Landwirt:innen in Bayern.

In dem Experiment wurden den Landwirt:innen verschiedene Landnutzungsalternativen zur Auswahl gestellt: Kurzumtriebsplantagen, Alley Cropping (a.k.a Agroforst) und reiner Ackerbau. Verschiedene Einflussfaktoren, wie z.B. der erwartete jährliche Deckungsbeitrag, die Variabilität des Deckungsbeitrags, die Mindestnutzungsdauer und Zahlungen für Ökosystemleistungen, wurden in mehreren Szenarien variiert (Tabelle 1). Das Experiment diente dazu, die generelle Bereitschaft der Landwirte für aufgelisteten Landnutzungssysteme, insbesondere für Agroforstwirtschaft, zu ermitteln.

Tabelle 1: Übersicht über die Attribute und Levels, wie sie im Choice Experiment erschienen.

Die geografische Zuordnung der Betriebe anhand ihrer Postleitzahlen ermöglichte die Analyse des Einflusses der lokalen Wetterhistorie auf die Landnutzungspräferenzen. Dazu wurden die Befragungsergebnisse mit räumlichen Wetterdaten der letzten Jahrzehnte verknüpft. So konnten potentielle Anpassungsdynamiken der landwirtschaftlichen Betriebe an extreme Wetterereignisse untersucht werden. Über einen Zeitraum von 10 Jahren wurden Simulationen durchgeführt, die ein- bis fünfjährige Wetterschocks basierend auf der Dürre von 2018 und der Hitzewelle von 2003 berücksichtigten. Dieses Modell zeigte die Reaktionen der Betriebe auf Wetterschocks und analysierte die Entwicklung der Landnutzungswahrscheinlichkeiten während und nach diesen Ereignissen. Verschiedene Szenarien untersuchten, wie zum Beispiel Mindestnutzungsdauer und Zahlungen für Ökosystemleistungen die Anbauwahrscheinlichkeit beeinflussten.

In der Befragung gaben fast alle Bäuerinnen und Bauern an, dass sie bereits negative Folgen von Extremwetterereignissen erlebt haben, insbesondere in Form von Ertrags- und Qualitätsverlusten. Zudem konnte festgestellt werden, dass die bayerischen Landwirt:innen im Allgemeinen zurückhaltend gegenüber Kurzumtriebsplantagen und Agroforstsystemen sind, wenn diese mit reinen ackerbaulichen Nutzungsformen verglichen werden. Dies zeigte sich in einer allgemein niedrigeren Anbauahrscheinlichkeit solcher Systeme im Vergleich zu reinem Ackerbau. Unsere Ergebnisse zeigten allerdings auch, dass diese Abneigung durch die Bereitstellung von Zahlungen für Ökosystemleistungen sowie durch eine Verringerung der Mindestnutzungsdauer signifikant gemindert werden könnte. 

Langfristig betrachtet, also über mehrere Jahre hinweg, legen die Simulationsergebnisse nahe, dass die Wahrscheinlichkeit der Einführung von Agroforstwirtschaft erheblich ansteigen könnte, insbesondere bei länger anhaltenden extremen Wetterbedingungen (Abbildung 2). Allerdings zeigten unsere Ergebnisse auch, dass es sich bei der Anpassung nach einem solchen Ereignis um einen dynamischen Prozess handelt, der in drei Phasen stattfindet: die Absorptionsphase unmittelbar nach einem Wetterereignis, die Erholungsphase, in der die Wahrscheinlichkeiten zur Ausgangslage zurückkehren, und die Anpassungsphase, in der sich die Wahrscheinlichkeiten zu einem neuen Gleichgewicht verschieben.

Abbildung 2: Simulationen der Anbauwahrscheinlichkeiten verschiedener Landnutzungsformen basierend auf dem Dürrejahr 2018. Die Dauer des Wetterschocks wurde zwischen ein bis fünf Jahren variiert. Insgesamt wurden 5 Szenarien verglichen, bei denen die Ausgangsbedingungen für Agroforst zunehmend verbessert wurden.  

In der Absorptionsphase neigen die Landwirt:innen dazu, unmittelbar nach einem Schock an ihren bestehenden Anbaupraktiken festzuhalten. Dies mag kontraintuitiv erscheinen, da man erwarten könnte, dass Landwirte sofort zu widerstandsfähigeren Landnutzungsarten wechseln. Dies ist auf  starre Entscheidungsprozesse, feste Produktionsstrukturen, wahrgenommene Risiken und wahrgenommene Nachteile und Kosten im Zusammenhang mit alternativen Landnutzungen zurückzuführen (Dessart et al., 2019). In der Erholungsphase, die je nach Szenario ein bis fünf Jahre dauern kann, gleichen sich die Landnutzungswahrscheinlichkeiten wieder an die Ausgangswerte an. Dies spiegelt wider, dass die Folgen des extremen Wetters nachlassen und Landwirte Zeit haben, ihre ursprüngliche Landnutzung zu überdenken und sich auf mögliche Anpassungsmaßnahmen vorzubereiten (Béné et al., 2012). In der Anpassungsphase schließlich zeigt sich eine zunehmende Wahrscheinlichkeit der Einführung von Agroforstsystemen, insbesondere bei länger andauernden extremen Wetterereignissen. Unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. finanziellen Anreizen durch Umweltzahlungen oder verkürzten Nutzungsdauern von Bäumen, kann die Wahrscheinlichkeit der Annahme von Agroforstsystemen sogar die des Ackerbaus übersteigen.

Aus den Ergebnissen ergeben sich wichtige Erkenntnisse für Politik und Praxis. Es hat sich gezeigt, dass Landwirt:innen zwar kurzfristig an etablierten Ackerbausystemen festhalten, langfristig jedoch eine Anpassung an widerstandsfähigere Landnutzungssysteme erfolgt, insbesondere unter fortdauernden extremen Wetterbedingungen. Die Simulationen unterschiedlicher Szenarien unterstreichen zudem, dass finanzielle Anreize und flexible Rahmenbedingungen wesentliche Hebel sind, um die Einführung klimafreundlicher Landnutzungssysteme wie Agroforst zu fördern. Dementsprechend kann die Politik durch gezielte finanzielle Anreize und die Förderung technologischer Innovationen insbesondere im Anschluss an Extremwetterjahre die Einführung solcher Systeme entscheidend unterstützen. Die derzeitigen Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU sind jedoch nicht ausreichend, um eine signifikante Verhaltensänderung herbeizuführen. 

Insgesamt bietet die Agroforstwirtschaft ein vielversprechendes Potenzial zur klimafreundlichen Veränderung der Landwirtschaft. Trotz anfänglicher Zurückhaltung stehen die Landwirte langfristig der Agroforstwirtschaft offen gegenüber, insbesondere im Anschluss an Extremwetterjahre und wenn sie durch politische Massnahmen und technologischen Fortschritt unterstützt werden.

*Christian Stetter arbeitet in der Gruppe Agrarökonomie und Agrarpolitik an der ETH Zürich. Johannes Sauer leitet den Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie and Technischen Universität München.

Bildquelle Titelbild: Isabelle Frenzel/DeFAF e.V.

Kontakt: cstetter@ethz.ch

Referenzen

Béné, C., Wood, R. G., Newsham, A., & Davies, M. (2012). Resilience: New Utopia or New Tyranny? Reflection about the Potentials and Limits of the Concept of Resilience in Relation to Vulnerability Reduction Programmes. IDS Working Papers, 2012(405), 1–61. https://doi.org/10.1111/j.2040-0209.2012.00405.x

Cardinael, R., Cadisch, G., Gosme, M., Oelbermann, M., & van Noordwijk, M. (2021). Climate change mitigation and adaptation in agriculture: Why agroforestry should be part of the solution. Agriculture, Ecosystems & Environment, 319(June), 107555. https://doi.org/10.1016/j.agee.2021.107555

Dessart, F. J., Barreiro-Hurlé, J., & Van Bavel, R. (2019). Behavioural factors affecting the adoption of sustainable farming practices: A policy-oriented review. European Review of Agricultural Economics, 46(3), 417–471. https://doi.org/10.1093/erae/jbz019

Graveline, N., & Merel, P. (2014). Intensive and extensive margin adjustments to water scarcity in France’s Cereal Belt. European Review of Agricultural Economics, 41(5), 707–743. https://doi.org/10.1093/erae/jbt039

IPCC. (2022). Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (H. O. Pörtner, D. C. Roberts, M. Tignor, E. S. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem, & B. Rama, Eds.). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/9781009325844

Rosa-Schleich, J., Loos, J., Mußhoff, O., & Tscharntke, T. (2019). Ecological-economic trade-offs of Diversified Farming Systems – A review. Ecological Economics, 160(January 2018), 251–263. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2019.03.002

Stetter, C., & Sauer, J. (2024). Tackling climate change: Agroforestry adoption in the face of regional weather extremes. Ecological Economics, 224, 108266. https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2024.108266

Tubiello, F. N. (2019). Greenhouse gas emissions due to agriculture. In P. Ferranti, E. M. Berry, & J. R. Anderson (Eds.), Encyclopedia of food security and sustainability (pp. 196–205). Elsevier.

Anmerkung: Teile des Textes wurden mittels GPT-4 and DeepL bearbeitet und generiert.

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