Thomas Böcker & Robert Finger. Die Debatte um die erneute Zulassung des Herbizids Glyphosat ist im vollen Gange, nachdem die Internationale Agentur für Krebsforschung den Wirkstoff als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat.
Als Folge hat auch der US-Bundesstaat Kalifornien Glyphosat als möglicherweise krebserregend eingestuft und kürzlich hat Frankreich sogar angekündigt, Glyphosat ohne die Zustimmung der EU in einem Alleingang zu verbieten.
Abb.1: Mechanische, konservierende Bodenbearbeitung wird im Falle eines Glyphosatverbots zunehmen. Der Gebrauch von schlagkräftigen, nichtwendenden Verfahren hilft im Falle eines Verbots des Wirkstoffs die finanziellen Ertragsverluste in Grenzen zu halten. Copyright: Amazone GmbH & Co KG
Hauptkritikpunkte gegen ein solches Verbot sind 1.) die unzureichende Risikobewertung des Wirkstoffs und 2.) die negativen Begleiterscheinungen solch eines Verbots. Letztere umfassen unter anderem, dass (a) Erträge sinken, (b) die Kosten der Unkrautbekämpfung steigen und (c) der Deckungsbeitrag je Hektar sinke. Zudem wird befürchtet, dass (d) andere Herbizide mit höheren Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt in größeren Mengen eingesetzt werden. Des Weiteren könnte der Energiebedarf der Landwirtschaft durch die Intensivierung der mechanischen Unkrautbekämpfung steigen. Mit dem Fokus auf Punkt ii) hat unsere Analyse das Ziel, eine verbesserte Entscheidungsgrundlage für Entscheidungsträger zu schaffen. Aktuell gibt es keine stark abgestützte empirische Grundlage, um die in den Punkten a) bis d) aufgeführten Effekte zu quantifizieren.
Bio-ökonomischer Modellierungsansatz
Um in diesem Spannungsfeld Einblicke zu ermöglichen, haben wir einen bio-ökonomischen Modellierungsansatz entwickelt. In diesem Modell können der Herbizideinsatz, alternative Unkrautbekämpfungsstrategien sowie verschiedener Politikszenarien in der Landwirtschaft simuliert werden.
Ein erster Aufsatz dazu wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Ecological Economics veröffentlicht*, in dem das Modell für den Silomaisanbau in Nordrhein-Westfalen (NRW) angewendet wird. Dabei werden die Auswirkungen eines Verbots von Glyphosat in den oben identifizierten Dimensionen (d.h. Wahl alternativer Strategien, Ertragseinbussen, Kostensteigerung, Deckungsbeitragsreduktion) analysiert. Das bioökonomische Modell ist räumlich explizit und beinhaltet Informationen zum Auftreten und möglichem Schaden bezüglich 30 verschiedener Unkräuter, sowie die detaillierte Abbildung einer Vielzahl von Unkrautmanagementstrategien, sowohl vor der Saat (z.B. Pflug-, Grubber- oder Glyphosateinsatz) als auch nach der Saat (z.B. selektive Herbizide). Für jede Gemeinde in NRW wird eine optimale (den Deckungsbeitrag je Hektar maximierende) Vorsaatstrategie und eine Nachsaatstrategie ausgewählt. Glyphosat kann dann aus dem möglichen Strategienmix entnommen werden, so dass die durch ein Verbot des Wirkstoffs induzierten Anpassungen im Strategiemix simuliert werden können. Die Ergebnisse aus beiden Szenarien können abschließend analysiert und verglichen werden.
Ergebnisse der Simulation
Die Ergebnisse unserer Analyse zeigen, dass unter derzeitigen Bedingungen der Glyphosateinsatz besonders auf leichten und schweren Böden optimal ist. Auf leichten Böden gibt es durch Glyphosat günstige Möglichkeiten für Direktsaat- oder Strip-Till-Verfahren. Auf schweren Böden sind eine intensive Bodenbearbeitung durch Pflug oder mehrere Arbeitsgänge mit nichtwendenden mechanischen Verfahren vergleichsweise teuer. Im Falle eines Wegfalls von Glyphosat aus dem Strategienmix werden dennoch überall mechanische Verfahren eingesetzt, was zu einer signifikanten Steigerung dieser Kostenkomponente führt (Hypothese b). Die Direktsaat würde in Folge wegfallen. Allerdings finden wir nur in Einzelfällen einen Wechsel zu anderen Nachsaatstrategien (Hypothese d). Dies führt in der Summe zu einem leichten Ertragsrückgang, der in unserem Modell durchschnittlich bei 0.5-1% des Ertrages liegt (Hypothese a). Der Deckungsbeitrag je Hektar reduziert sich durchschnittlich lediglich um 1-2 € (Hypothese c) (siehe auch Abb. 2). Der Grund für die geringen Auswirkungen liegt in angenommenen Kosteneinsparungen bei der Aussaat, wenn anstelle der direkten Einzelkornsaat eine normale Einzelkornsaat angewendet werden kann.
Abb. 2: Simulierte Reduktion des Deckungsbeitrags im Silomaisanbau NRW. Die verschiedenen T-Werte weisen auf einen unterschiedlichen Unkrautdruck hin (in Temperaturtage): Positive Werde bedeuten, dass Mais einen Wachstumsvorteil hat. Negative bedeuten, dass die Unkräuter einen Vorteil haben. Der Verkaufspreis ist für Mais stehend ab Feld
Ausblick
Im nächsten Schritt wird das entwickelte Modell um weitere Dimensionen erweitert. Erstens wird das zugrundeliegende Entscheidungskalkül um einen ökonomischen Risikofaktor erweitert. Damit können in Zukunft schwankende Erträge und ein unterschiedlicher jährlicher Unkrautdruck berücksichtigt werden. Zweitens werden die im Modell berücksichtigten Strategien auch hinsichtlich ihres Energieverbrauches beziffert, so dass sich die Frage nach dem erhöhten Kraftstoffverbrauch der Landwirtschaft quantifizieren lässt. Drittens wird der Einsatz verschiedener Herbizide mittels eines Load-Indikators hinsichtlich ihrer gesundheitlichen und ökologischen Risiken bemessen, was eine holistische Analyse auch hinsichtlich der Toxizität der optimalen Unkrautbekämpfungsstrategien ermöglicht. Viertens, soll die Analyse für weitere Kulturen durchgeführt werden.
* Böcker, T., Britz, W., Finger, R. (2018): Modelling the Effects of a Glyphosate Ban on Weed Management in Silage Maize Production, Ecological Economics 145: 182-193.https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2017.08.027
(für eine Kopie des Artikels senden Sie bitte eine E-Mail an Robert Finger, rofinger@ethz.ch)
Der verwendete Modellierungsansatz ist frei zugänglich in der ETH Research Collection veröffentlicht: Böcker, T., Britz, W., Finger, R. (2017). Bio-economic model on weed management in maize production. https://doi.org/10.3929/ethz-b-000184083
Hallo, sehr interessanter Beitrag zu diesem doch sehr schwierigen Thema. Bin gespannt wie es in diesem Fall weiter geht.
Gruß
Michael
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Einen ergänzenden Artikel im Tagesanzeiger zu dem hier präsentierten Paper finden Sie hier https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/weg-vom-chemiehammer/story/24654704
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