Robert Huber. Die Preise für Agrargüter sind weltweit höher als während der Nahrungsmittelkrise 2007/08. Warum interessiert das niemanden?
Die Europäische Kommission publiziert monatlich die Weltagrarpreise in einem kurzen Report. Dieser illustriert die Preisänderungen für fünf Gruppen von Agrargütern, welche auf dem FAO Nahrungsmittelpreis-Index zu finden sind.
Erstaunlicherweise liegt der zusammenfassende Index (Food Price Index) heute höher als während der Nahrungsmittelkrise 2007/08. Auch wenn Indices nie die gesamte Komplexität der Agrarpreisentwicklung wiedergeben, so ist es doch erstaunlich, dass die hohen Agrarpreise bei uns niemand interessiert. Während die Nahrungsmittelkrise 2007/08 die Politik und Medien ausführlich beschäftigte, findet der erneute Anstieg der Preise ohne viel Lärm und neuen Politikideen bzw. Massnahmen statt.
Das mag mit der Aktualität anderer Themen zu tun haben. Aber auch damit, dass die letzte Nahrungsmittelkrise medial ausgeschlachtet wurde. Die längerfristigen Auswirkungen der Nahrungsmittelkrise entsprechen nämlich nicht unbedingt dem, was eigentlich erwartet worden wäre. Eine Arbeit des IFPRI, basierend auf Umfrageergebnissen, zeigt beispielsweise, dass die Anzahl der Unterernährten während der Nahrungsmittelkrise nicht zu-, sondern aufgrund des gleichzeitigen Wirtschaftswachstums abgenommen hat.
Ausserdem hat die Nahrungsmittelkrise an den eigentlichen Grundhaltungen nichts geändert. Dies wird eindrücklich von Jo Swinnen illustriert, der die Analysen von NGO’s und Regierungsorganisationen vor und nach der Krise auswertete (Blog mit Link zum Artikel). Oxfam beispielsweise argumentierte jahrelang, dass sinkende Agrarpreise zu mehr Armut und Hunger in Entwicklungsländern führe, weil diese niemals mit den subventionierten Agrarexporteuren entwickelter Länder konkurrieren könnten. Während der Krise argumentierte Oxfam dagegen, dass steigende Agrarpreise ebenfalls zu mehr Armut und Hunger führen würde. Diese Um-Interpretation in eigener Sache findet selbstverständlich nicht nur bei Oxfam statt, sondern auch bei der FAO, der OECD oder dem IMF. Was aber bleibt, sind die Handlungsempfehlungen: Oxfam möchte mehr Regeln, die OECD und andere wirtschaftsliberale Institute mehr Handel – unabhängig davon ob die Agrarpreise nun gerade steigen oder sinken.
Das Problem steigender Nahrungsmittelpreise verursacht eine Vielzahl von komplexen Problemen. Deren Lösung erfordert, bildlich gesprochen, einen Marathonlauf. Ein kurzer Sprint mit Medien-Hype wie nach der Krise 2007/08 reicht nicht aus.