FHAL und WTO – Was bedeutet eine mögliche Marktöffnung für die Nahrungsmittelindustrie?

Irene Bösch und Michael Weber. Nicht nur die schweizerische Landwirtschaft, auch die Nahrungsmittelindustrie wird von einer weiteren Marktöffnung stark  betroffen sein. Die sehr heterogene Branche steht dabei vor  unterschiedlichen Herausforderungen.

Eine Studie der ETH und der HTW Chur zeigt, welche Auswirkungen vom geplanten FHAL und von der Doha-Runde der WTO auf die schweizerische  Nahrungsmittelindustrie zu erwarten sind. Insgesamt profitiert die Branche von einem FHAL, aber es ist mit Strukturanpassungen zu rechnen und nicht alle Teile der Branche werden mit den neuen Rahmenbedingungen zurechtkommen.

Die Nahrungsmittelindustrie ist für die schweizerische Volkswirtschaft mit einem Umsatz von rund 27 Milliarden Franken und über 60‘000 Arbeitskräften von beträchtlicher Bedeutung. Im Jahr 2009 wurden Waren im Wert von 6.3 Milliarden Franken exportiert, was rund 21 Prozent des Gesamtumsatzes der Branche entspricht – Tendenz steigend. Allerdings werden die Exporte zur Hauptsache durch die Hersteller sonstiger Nahrungsmittel (Schokolade, Fertiggerichte, weiterverarbeiteter Zucker, Kaffee, Gewürze) und die Getränkeproduzenten erzielt. Die Erfolge dieser Subbranchen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nahrungsmittelindustrie der Schweiz in allen Belangen sehr heterogen ist. Die drei Subbranchen Herstellung sonstiger Nahrungsmittel, Back- und Teigwaren sowie Getränkeherstellung erarbeiten mit 64 Prozent beinahe zwei Drittel der Bruttowertschöpfung der schweizerischen Nahrungsmittelindustrie, sind am stärksten exportorientiert, haben sich auf differenzierte Produkte spezialisiert und weisen eine beachtliche Wettbewerbsfähigkeit aus. Die Wettbewerbsfähigkeit der anderen beiden wertschöpfungsmässig wichtigen Branchen Milchverarbeitung und Fleischverarbeitung ist uneinheitlich, wobei insbesondere die binnenorientierten Bereiche aufgrund teilweise fehlender Grösse und grosser Produktvielfalt im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten Kostennachteile aufweisen und bei einer Marktöffnung auch in den inländischen Märkten Anteile verlieren könnten.

Die Einschätzung der in Workshops befragten Vertreter von Firmen aus der schweizerischen Nahrungsmittelindustrie zeigt, dass für sie bei weiteren Marktöffnungsschritten das FHAL prioritär wäre, unabhängig von einem allfälligen Abschluss der WTO-Doha-Runde. Insbesondere wegen des Abbaus der nicht-tarifären Handelshemmnisse wird das FHAL auch als Chance gesehen, da es neues Absatzpotential eröffnet, während das WTO-Doha-Abkommen mit deutlich mehr Risiken verbunden ist.

Es erstaunt wenig, dass vor allem binnenorientierte Unternehmen einer Marktöffnung aufgrund der vermehrten Konkurrenz und des Preisdruckes im Inland skeptisch gegenüber stehen. Sie stehen vor der Herausforderung, ihr Produktsortiment anzupassen und in ihren Kerngeschäften aufgrund von Wachstum Grössenvorteile zu realisieren oder sich derart zu positionieren, dass Kostennachteile an Bedeutung verlieren. Dabei wird es aber auch Bereiche geben, die in der Schweiz bei einer Öffnung nicht mehr rentabel betrieben werden können, insbesondere bei Produkten, die kaum Differenzierungspotential aufweisen und leicht über grosse Distanzen hinweg transportiert werden können.

Die Wirtschaftspolitik kann diesen Strukturwandel innerhalb der Nahrungsmittelbranche erleichtern, indem sie den Unternehmen einen verlässlichen Fahrplan für die Marktöffnung vorgibt. Dann bestehen grössere Chancen, dass die negativen Auswirkungen klein bleiben und neue wettbewerbsfähige Bereiche innerhalb der Nahrungsmittelindustrie aufgebaut werden können.

Die Studie kann auf folgender Seite eingesehen werden:

http://www.afee.ethz.ch/index –> „News“ am rechten Bildrand

Irene Bösch und Michael Weber, Agrarwirtschaft – ETH Zürich

Eine Antwort auf „FHAL und WTO – Was bedeutet eine mögliche Marktöffnung für die Nahrungsmittelindustrie?

  1. Der Text geht auf die Nachteile eines Freihandelsabkommens mit der EU ein. Natürlich sind die Risiken für den Agrar- und Lebensmittelsektor kaum abzuwägen. Ein großes mögliches Risiko ist beispielsweise, dass es in diesem Bereich zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen kommt, wenn Produkte aus der EU billiger hergestellt und somit angeboten werden können und der Absatz für inländische Produkte einbricht. Dies ist insbesondere eine Gefahr für alle Kleinbetriebe, die sich auf den inländischen Markt konzentrieren. Eine andere Frage ist die der Qualität und der Standards in Bezug auf Umwelt- und Tierschutz, die in der Schweiz sehr hoch sind und durch das Freihandelsabkommen geschwächt werden könnten.

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